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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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den Garantien-für die genaue Erfüllung der von der königlichen Regierung vor¬
geschlagenen Bedingungen, wie es denn überhaupt in jener Zeit die Hauptsorge
des Cardinals war, gegenüber den unsicheren -Eventualitäten, welchen der heilige
Stuhl entgegenging, bei Zeiten wenigstens auf eine sichere pecuniäre Stellung
bedacht zu sein. Aus dem französischen Blaubuch wissen wir z. B., daß An-
tonelli kurz zuvor angelegentlich eine Entschädigung für die ehemaligen Anna'
ten und Benefizien betrieben hatte, die der römische Stuhl in den christlichen
Staaten besaß, und die längst dnrch die Civilgesetzgebung beseitigt waren.

Graf Cavour ließ durch seine Unterhändler dem Cardinal auf sein An¬
drängen wissen, daß die italienische Regierung geneigt sei, den heiligen Stuhl inner¬
halb wie außerhalb des Staates mit festen Gütern auszustatten, und zwar in
der feierlichsten Form, besiegelt durch das Votum des Rat.ionalparlaments.

Dem Cardinal-Staatssecretär schien ein glücklicher Erfolg fortwährend sehr
am Herzen zu liegen, er ermahnte wiederholt zu strengster Geheimhaltung und
erklärte sich sogar bereit-dafür zu sorgen, daß die 7 Cardinäle, welche in der
Regel die Kongregation bilden, durch andere ersetzt oder ergänzt würden, die
seinen Absichten -günstiger wären; und um jedes Hinderniß aus dem Weg zu
räumen, drang er in den Minister, er möge entweder mittelst seines Verbün¬
deten s,der durch irgend ein anderes Mittel für die Entfernung des Königs Franz
aus Rom sorgen; in jedem Fall möge man die Sache so betreiben, daß dieser
von den Perhandlungen nicht das Mindeste erfahre.

Zu diesem Stadium befanden sich dieUnterhandlungen, ,als sie plötzlich ab-
-gebrochen "wurden. Das Geheimniß war ruchbm g>co,voter, mau hatte in Pa¬
ris die Sache erfahren, und der Herzog .on Mramont .wurde beauftragt, "dem
Staatssecretär Vorwürfe zu machen, daß er hinter dem Rücken Frankreichs di¬
rekte Fäden mit Turin angesponnen. Dein .Cardinal, d<r keinen ,offi-
ciellen Schiritt gethan hatte, war es ein Leichtes-, die ganze Sache abzuleugnen:
er brach sofort die Verhandlungen ab.und suchte jede Spur tap" zu verwischen.
Damit hatte diese Episode der römischen .Frage ein Ende., die jetzt, wie es
heißt, auf Veranlassung Natazzi's ans Tageslicht gezogen -wo.rden ist. --

Man wird den Werth dieser Enthüllungen des Don Jsaia. an deren Au¬
thenticität-nicht wohl zu zweifeln ist, gleichwohl nicht überschätzen dürfen. Denn
offenbar handelt es sich hier nur um ein vereinzeltes Mittel, welches Cavour
versuchte, "um zum Ziel zu gelangen, und das sich erst dann vollständig beur¬
theilen ließe, wenn der ganze Zusammenhang der diplomatischen Mittel, welche
Cavour aufbot, sich genauer übersehen ließe. Auch wenn Antonelli -persönlich
gewonnen war, so waren damit sicher noch nicht alle.Schwierigkeiten über¬
wunden. Es liegt der Gedanke nahe, 5aß Antonelli vielleicht selbst froh war,
daß eine ör-ende Dazwischenkunft die bereits so weit gediehenen Verhandlungen
abschnitt, daß er vielleicht felbst, zu spät inne werdend, wie weit er gegangen,


Grenzboten II- 18L2- 7

den Garantien-für die genaue Erfüllung der von der königlichen Regierung vor¬
geschlagenen Bedingungen, wie es denn überhaupt in jener Zeit die Hauptsorge
des Cardinals war, gegenüber den unsicheren -Eventualitäten, welchen der heilige
Stuhl entgegenging, bei Zeiten wenigstens auf eine sichere pecuniäre Stellung
bedacht zu sein. Aus dem französischen Blaubuch wissen wir z. B., daß An-
tonelli kurz zuvor angelegentlich eine Entschädigung für die ehemaligen Anna'
ten und Benefizien betrieben hatte, die der römische Stuhl in den christlichen
Staaten besaß, und die längst dnrch die Civilgesetzgebung beseitigt waren.

Graf Cavour ließ durch seine Unterhändler dem Cardinal auf sein An¬
drängen wissen, daß die italienische Regierung geneigt sei, den heiligen Stuhl inner¬
halb wie außerhalb des Staates mit festen Gütern auszustatten, und zwar in
der feierlichsten Form, besiegelt durch das Votum des Rat.ionalparlaments.

Dem Cardinal-Staatssecretär schien ein glücklicher Erfolg fortwährend sehr
am Herzen zu liegen, er ermahnte wiederholt zu strengster Geheimhaltung und
erklärte sich sogar bereit-dafür zu sorgen, daß die 7 Cardinäle, welche in der
Regel die Kongregation bilden, durch andere ersetzt oder ergänzt würden, die
seinen Absichten -günstiger wären; und um jedes Hinderniß aus dem Weg zu
räumen, drang er in den Minister, er möge entweder mittelst seines Verbün¬
deten s,der durch irgend ein anderes Mittel für die Entfernung des Königs Franz
aus Rom sorgen; in jedem Fall möge man die Sache so betreiben, daß dieser
von den Perhandlungen nicht das Mindeste erfahre.

Zu diesem Stadium befanden sich dieUnterhandlungen, ,als sie plötzlich ab-
-gebrochen «wurden. Das Geheimniß war ruchbm g>co,voter, mau hatte in Pa¬
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Staatssecretär Vorwürfe zu machen, daß er hinter dem Rücken Frankreichs di¬
rekte Fäden mit Turin angesponnen. Dein .Cardinal, d<r keinen ,offi-
ciellen Schiritt gethan hatte, war es ein Leichtes-, die ganze Sache abzuleugnen:
er brach sofort die Verhandlungen ab.und suchte jede Spur tap« zu verwischen.
Damit hatte diese Episode der römischen .Frage ein Ende., die jetzt, wie es
heißt, auf Veranlassung Natazzi's ans Tageslicht gezogen -wo.rden ist. —

Man wird den Werth dieser Enthüllungen des Don Jsaia. an deren Au¬
thenticität-nicht wohl zu zweifeln ist, gleichwohl nicht überschätzen dürfen. Denn
offenbar handelt es sich hier nur um ein vereinzeltes Mittel, welches Cavour
versuchte, »um zum Ziel zu gelangen, und das sich erst dann vollständig beur¬
theilen ließe, wenn der ganze Zusammenhang der diplomatischen Mittel, welche
Cavour aufbot, sich genauer übersehen ließe. Auch wenn Antonelli -persönlich
gewonnen war, so waren damit sicher noch nicht alle.Schwierigkeiten über¬
wunden. Es liegt der Gedanke nahe, 5aß Antonelli vielleicht selbst froh war,
daß eine ör-ende Dazwischenkunft die bereits so weit gediehenen Verhandlungen
abschnitt, daß er vielleicht felbst, zu spät inne werdend, wie weit er gegangen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/57>, abgerufen am 08.01.2025.