Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.teilung und nach sokratischer Methode im Zwiegespräch betreiben, weshalb sie unter Der fromme Mann hatte stark von Teufeln zu leiden, die es verdroß, daß teilung und nach sokratischer Methode im Zwiegespräch betreiben, weshalb sie unter Der fromme Mann hatte stark von Teufeln zu leiden, die es verdroß, daß <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0503" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114283"/> <p xml:id="ID_1616" prev="#ID_1615"> teilung und nach sokratischer Methode im Zwiegespräch betreiben, weshalb sie unter<lb/> ihren Schülern allerlei Akademien, Repctitoricn und Disputatorien errichteten, in<lb/> welchen täglich wiederholt, was man in den Schulen gehört,,und jeder Zweifel, den<lb/> man hegte, besprochen und gelöst wurde. Vielerlei Lücher zu studiren galt für<lb/> nicht rathsam; am liebsten sahen es die Leiter der Anstalt, wenn die Zöglinge<lb/> sich mit ihrem Handbuch und den in den Vorlesungen gemachten Notizen begnüg¬<lb/> ten. Dies galt namentlich von den Philosophen, die übrigens bei der kärg¬<lb/> lichen Ausstattung der für ihre Kammer oder Classe bestimmten Bibliothek,<lb/> welche außer einigen Werken von de Maistre und Thomas von Aquino nur<lb/> noch ein Dutzend alter Scholastiker enthielt, keine Gelegenheit hatten, viel Bücher<lb/> zu lesen. Weder deutsche noch italienische Classiker waren vorhand.en, die Werke<lb/> der vaterländischen Dichter blieben den jungen Leuten verschlossen, von Zei¬<lb/> tungen wurden die Augsburger Postzeitung, die historisch-politischen Blätter und<lb/> das Münstersche Sonntagsblatt während der Recrcationszeit bisweilen in einem<lb/> Exemplar herumgegeben. Wer lesen wollte, mußte warten, bis es ihm gelang,<lb/> sich der Zeitung zu bemächtigen. Die in den Akademien vorkommende Lectüre<lb/> hatte stets .eine religiöse Färbung und enthielt oft erstaunliche Abgeschmackt¬<lb/> heiten. In erster Reibe standen die Lebensgeschichten jesuitischer Heiligen. Be¬<lb/> sonders viel Wunderliches gab es in der des heiligen Franz von Borgia, des<lb/> dritten Generals des Ordens.</p><lb/> <p xml:id="ID_1617"> Der fromme Mann hatte stark von Teufeln zu leiden, die es verdroß, daß<lb/> er, der früher ein arges Weltkind gewesen, sich jetzt so eifrig der Gottseligkeit<lb/> befleißigte. Bis zu seiner Bekehrung, welche erfolgte, als er den Leichnam einer<lb/> schönen Dame beim Uebergang über die spanische Grenze recognosciren mußte<lb/> und im Greuel der Verwesung erblickte, hatte Franz ein schwelgerisches Leben geführt.<lb/> Jetzt aber fastete er so stark, daß die Haut über seinem Leibe dreimal zusammen¬<lb/> fallen mußte, was äußerst schmerzhaft war. Eines Abends nun, als der Got¬<lb/> tesmann, abgemattet von den Anstrengungen und Peinigungen, die er sich den<lb/> Tag über auferlegt, zur iliuhe gehen wollte, sah er einen Teufel in seinem Bette<lb/> liegen. „Du verdienst," sprach der Heilige zum Teufel, der ihn angrinste,<lb/> „mehr wie ich im Bette zu liegen; denn du hast Gott beleidigt, ehe er für<lb/> dich gestorben war, ich aber habe ihn verleugnet, lange nachdem er für mich<lb/> gekreuzigt worden." " Damit schickte sich Franz an, unter die Bettstelle zu krie¬<lb/> chen und hier seine Nachtruhe zu halten. Der Teufel aber, der gehofft hatte,<lb/> den Heiligen zum Zorn zu reizen, ärgerte sich über das Mißlingen seines Vor¬<lb/> habens um so mehr, als er selbst die Veranlassung zu diesem großen Act der<lb/> Demuth bei jenem gegeben hatte. Wüthend sprang er auf, der bekannte Kraft<lb/> erschallte durchs Zimmer, und Satanas verschwand mit Hinterlassung des obli¬<lb/> gaten üblen Geruchs. Der Heilige aber nahm jetzt ruhig in seinem Bette<lb/> Platz und schlief sanft ein.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0503]
teilung und nach sokratischer Methode im Zwiegespräch betreiben, weshalb sie unter
ihren Schülern allerlei Akademien, Repctitoricn und Disputatorien errichteten, in
welchen täglich wiederholt, was man in den Schulen gehört,,und jeder Zweifel, den
man hegte, besprochen und gelöst wurde. Vielerlei Lücher zu studiren galt für
nicht rathsam; am liebsten sahen es die Leiter der Anstalt, wenn die Zöglinge
sich mit ihrem Handbuch und den in den Vorlesungen gemachten Notizen begnüg¬
ten. Dies galt namentlich von den Philosophen, die übrigens bei der kärg¬
lichen Ausstattung der für ihre Kammer oder Classe bestimmten Bibliothek,
welche außer einigen Werken von de Maistre und Thomas von Aquino nur
noch ein Dutzend alter Scholastiker enthielt, keine Gelegenheit hatten, viel Bücher
zu lesen. Weder deutsche noch italienische Classiker waren vorhand.en, die Werke
der vaterländischen Dichter blieben den jungen Leuten verschlossen, von Zei¬
tungen wurden die Augsburger Postzeitung, die historisch-politischen Blätter und
das Münstersche Sonntagsblatt während der Recrcationszeit bisweilen in einem
Exemplar herumgegeben. Wer lesen wollte, mußte warten, bis es ihm gelang,
sich der Zeitung zu bemächtigen. Die in den Akademien vorkommende Lectüre
hatte stets .eine religiöse Färbung und enthielt oft erstaunliche Abgeschmackt¬
heiten. In erster Reibe standen die Lebensgeschichten jesuitischer Heiligen. Be¬
sonders viel Wunderliches gab es in der des heiligen Franz von Borgia, des
dritten Generals des Ordens.
Der fromme Mann hatte stark von Teufeln zu leiden, die es verdroß, daß
er, der früher ein arges Weltkind gewesen, sich jetzt so eifrig der Gottseligkeit
befleißigte. Bis zu seiner Bekehrung, welche erfolgte, als er den Leichnam einer
schönen Dame beim Uebergang über die spanische Grenze recognosciren mußte
und im Greuel der Verwesung erblickte, hatte Franz ein schwelgerisches Leben geführt.
Jetzt aber fastete er so stark, daß die Haut über seinem Leibe dreimal zusammen¬
fallen mußte, was äußerst schmerzhaft war. Eines Abends nun, als der Got¬
tesmann, abgemattet von den Anstrengungen und Peinigungen, die er sich den
Tag über auferlegt, zur iliuhe gehen wollte, sah er einen Teufel in seinem Bette
liegen. „Du verdienst," sprach der Heilige zum Teufel, der ihn angrinste,
„mehr wie ich im Bette zu liegen; denn du hast Gott beleidigt, ehe er für
dich gestorben war, ich aber habe ihn verleugnet, lange nachdem er für mich
gekreuzigt worden." " Damit schickte sich Franz an, unter die Bettstelle zu krie¬
chen und hier seine Nachtruhe zu halten. Der Teufel aber, der gehofft hatte,
den Heiligen zum Zorn zu reizen, ärgerte sich über das Mißlingen seines Vor¬
habens um so mehr, als er selbst die Veranlassung zu diesem großen Act der
Demuth bei jenem gegeben hatte. Wüthend sprang er auf, der bekannte Kraft
erschallte durchs Zimmer, und Satanas verschwand mit Hinterlassung des obli¬
gaten üblen Geruchs. Der Heilige aber nahm jetzt ruhig in seinem Bette
Platz und schlief sanft ein.
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