Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.Des Donnerstags sielen die Vorlesungen und sonstigen Studien gänzlich Nachdem man auf der Villa angelangt war, begaben sich die Theologen in "Das Schachspiel, erzählt unser Iesuitcnzögling, "durfte nie über eine Die Novizen wurden erst nach einer halbjährigen Probezeit als Alumnen Den großen Akt eröffnete ein Dankgebet, welches nach unsrer Quelle "Allmächtiger., ewiger Gott, wir unwürdigen Knechte sind im Begriff, heute Grenzboten II. Id62, L0
Des Donnerstags sielen die Vorlesungen und sonstigen Studien gänzlich Nachdem man auf der Villa angelangt war, begaben sich die Theologen in „Das Schachspiel, erzählt unser Iesuitcnzögling, „durfte nie über eine Die Novizen wurden erst nach einer halbjährigen Probezeit als Alumnen Den großen Akt eröffnete ein Dankgebet, welches nach unsrer Quelle „Allmächtiger., ewiger Gott, wir unwürdigen Knechte sind im Begriff, heute Grenzboten II. Id62, L0
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Des Donnerstags sielen die Vorlesungen und sonstigen Studien gänzlich
aus. Man zog dann gleich nach dem Frühstück entweder nach der Villa Macao
oder nach der aus dem aventinischen Hügel gelegenen Villa San Saba, die
beide dem Collegium germanicum gehören, und kehrte erst gegen Abend wieder
nach Hause. Die Zöglinge sahen bei diesen Ausflügen manches Stück des nie¬
dern Volkslebens, von dem sie sonst, wie überhaupt von'jedem Verkehr mit
den Italienern streng geschieden waren, auch gestattete man ihnen in diesen
Tagen bei ihrer Unterhaltung den Gebrauch der deutschen Sprache. Ohne besondere
Erlaubniß, die aber nur selten ertheilt wurde, durfte bei solchen Gelegenheiten
nicht studirt werden, der ganze Tag sollte der körperlichen Erholung gewidmet sein.
Nachdem man auf der Villa angelangt war, begaben sich die Theologen in
den linken, die Philosophen in den rechten Flügel des Hauses, um zunächst auf
und abwandelnd das Officium dog.eg.6 Nirrmö viiginis. eine Reihe von Psalmen
und Hymnen auf die Gottesmutter abzubeten, dann aber sofort sich in Grup¬
pen zu theilen und allerlei Spiele zu beginnen, wozu der große Garten mit seinen
Grasplätzen, seinen Blumenbeeten, Rosenhecken, Feigen- und Mandelbäumen
schöne Gelegenheit bot. Man schob Kegel, beschäftigte sich am Billard, trieb
das bekannte italienische Spiel Boccia mit kleinen Kugeln und Eisenplatten,
oder ein anderes, das Truciv hieß. Die Einen setzten sich zu einer Partie
Schach nieder, Andere schlugen Ball, wieder Andere bildeten ein Sängerchor,
das allerhand muntere Weisen erschallen ließ.
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„Das Schachspiel, erzählt unser Iesuitcnzögling, „durfte nie über eine
Stunde dauern; war es bis dahin nicht vollendet, so wurde es unterbrochen
und dürfte erst nach einer halben Stunde fortgesetzt werden. Diese Recreation
dauerte bis halb zwölf Uhr. Dann gab die Glocke das Zeichen zur geistlichen
Lectüre; nachdem wir uns -im kleinen Saale versammelt hatten, wurde aus
einem frommen Buche, gewöhnlich einer Hciligengeschichte, vorgelesen. Um zwölf
Uhr nacb dem Avemar'la-Läuten, ging es 'zu'Tische. Während des Essens
wurde ebenfalls vorgelesen. Nach Tische begaben wir uns in die Kirche zu
einem stillen, etwa fünf Minuten anhaltenden Gebet. Darauf lustwandelten
wir im Garten, bis gegen drei Uhr das Zeichen zur Vesper ertönte. Diese
wurde chormäßig in der Kirche abgesungen und dauerte etwa eine halbe Stunde.
Dann trieben wir wieder die üblichen Spiele bis halb fünf Uhr. wo w>r in
den Speisesaal zur Maranta gingen, welche aus Brot, Käse. Früchten und Wein
bestand. Nach der Mcrenda blieben wir noch eine Viertelstunde auf der Villa
und gingen dann, wie wir gekommen, in Kammern getrennt, je zwei und zwei
nach zurück. Zum'Abschied verrichteten wir in der Vorhalle auf den
^men noch ein kurzes stilles Gebet. Beim Ausgang aus der Villa ergriffen
wir den Rosenkranz, der halblaut abgebetet wurde. Erst nach Erfüllung dieser
vorgeschriebenen Pflicht fand wieder Colloquium statt."
Die Novizen wurden erst nach einer halbjährigen Probezeit als Alumnen
aufgenommen, wofern sie die Erwartungen der.Jesuiten in allem Nöthigen
gerechtfertigt hatten. Man unterwarf sie, wohl nur der Form wegen, einem
kurzen Examen, dann erfolgte vor versammeltem Collegium in der Satraments-
wurde ^ ^'"'^'e Aufnahme, wobei alles in lateinischer Sprache verhandelt
Den großen Akt eröffnete ein Dankgebet, welches nach unsrer Quelle
folgendermaßen lautete:
„Allmächtiger., ewiger Gott, wir unwürdigen Knechte sind im Begriff, heute
d>e Uebungen des Noviziats zu beschließen. Vor Deiner göttlichen Majestät
werfen wer uns nieder und sagen Dir Dank für die empfangenen Wohlthaten. -
Deine Vorsehung hat uns ja aus der Welt heraus in diese'Zufluchtsstätte'der
Grenzboten II. Id62, L0
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