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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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Nachdem der Erzähler die beschriebene Tracht angelegt, begab er sich in
die eÄMöiÄ cormmiiiis, einen der beiden Säle, in welchem die beiden Abthei¬
lungen des Kollegiums, die eg,inspe>, Mi1o"0plroi'um oder Novizenklasse, und
die LÄiru;ri>. tlrsologoruw oder Oberklasse, sich bei besonderen Gelegenheiten
zusammenfinden, und wo den Neueingetretenen jetzt vom Pater Spiritualis
auseinandergesetzt wurde, was ihre Obern von ihnen erwarteten. Als Haupt¬
pflichten wurden Offenheit und Gehorsam gegen die Vorgesetzten, zunächst ge¬
gen den vom Rector aus den ältern Zöglingen gewählten Präfecten der
Kammer und dessen Beigeordneten, den Bidellus derselben, empfohlen, welche
beide über Aufrechthaltung der Disciplin und Beobachtung der Hausordnung
zu wachen haben. Die Rede schloß mit der Ankündigung, daß die Kammer zur
Verbannung aller von Hause oder aus den Ferien mitgebrachten weltlichen Ge¬
danken die achttägigen Exercitien des heiligen Ignatius durchmachen solle.
Dann hielt der Präfect eine salbungsvolle Ansprache, nach welcher er für jede"
Novizen einen älteren Zögling bezeichnete, der ihn über die Hausordnung be¬
lehren sollte. Hierauf gingen alle paarweise in ihre Zellen zurück, wo jeder
die soeben erwähnte Belehrung empfing, über die Art. wie man sein Bett zu
machen, sich die Stube auszukehren, sich die Schuhe zu putzen habe, Anweisung
erhielt und mit den Lokalitäten deS Hauses bekannt gemacht wurde. Von dieser
Wanderung durch das Kloster in seine Zelle zurückgekehrt, fand unser Bericht¬
erstatter von Büchern nichts vor, als ein neues Testament, einen Thomas a
Kempis und ein anderes Buch mit Betrachtungen, alles in lateinischer Sprache.
Er erfuhr, daß zunächst nicht studirt werden sollte, da Bücher zerstreuen könnten.
Nach dem Abendessen wurden in der cAmsi'g, ommnum" durch Angabe der
Tagesordnung während der gedachten Exercitien und der Betrachtungspunkte
für den nächsten Morgen durch den Pater Spiritualis die heiligen Uebungen
eingeleitet, und am folgenden Tage begannen diese selbst.

Diese Exercitien bestehen, nach der Vorschrift des heiligen Ignatius eigentlich
vier Wochen umfassend, in der Regel aber auf acht Tage eingeschränkt, in so¬
genannten Betrachtungen, besonderer und allgemeiner.Gewissenserforschung,
wiederholten Beichten und dem Genuß der Communion. Beim Beginn derselben
soll man seinen ganzen Willen und seine Freiheit Gott darbringen, damit der¬
selbe über den Hebenden selbst sowie über alles, was er bat. nach seinem Wohl¬
gefallen verfüge, doch hat man, wenn ein Zustand reichlicher Tröstung und be¬
sonderen Eifers sich einfindet, zu vermeiden, daß man sich durch ein Gelübde
kopfüber binde, und zwar um so mehr. wenn.man unbeständigen Charakters ist.

Die Betrachtung ist ein stilles Nachdenken über religiöse Gegenstände,
welche der Exercitienmeister angibt, und deren Gang den heilige Ignatius in
einem besondern Buch vorgezeichnet hat. Ueber das Ergebniß, namentlich
über die "lumirra,", d. h. die Dinge, welche dabei besonders anschaulich gewor-


Grenzboten II. 1862. 59

Nachdem der Erzähler die beschriebene Tracht angelegt, begab er sich in
die eÄMöiÄ cormmiiiis, einen der beiden Säle, in welchem die beiden Abthei¬
lungen des Kollegiums, die eg,inspe>, Mi1o«0plroi'um oder Novizenklasse, und
die LÄiru;ri>. tlrsologoruw oder Oberklasse, sich bei besonderen Gelegenheiten
zusammenfinden, und wo den Neueingetretenen jetzt vom Pater Spiritualis
auseinandergesetzt wurde, was ihre Obern von ihnen erwarteten. Als Haupt¬
pflichten wurden Offenheit und Gehorsam gegen die Vorgesetzten, zunächst ge¬
gen den vom Rector aus den ältern Zöglingen gewählten Präfecten der
Kammer und dessen Beigeordneten, den Bidellus derselben, empfohlen, welche
beide über Aufrechthaltung der Disciplin und Beobachtung der Hausordnung
zu wachen haben. Die Rede schloß mit der Ankündigung, daß die Kammer zur
Verbannung aller von Hause oder aus den Ferien mitgebrachten weltlichen Ge¬
danken die achttägigen Exercitien des heiligen Ignatius durchmachen solle.
Dann hielt der Präfect eine salbungsvolle Ansprache, nach welcher er für jede»
Novizen einen älteren Zögling bezeichnete, der ihn über die Hausordnung be¬
lehren sollte. Hierauf gingen alle paarweise in ihre Zellen zurück, wo jeder
die soeben erwähnte Belehrung empfing, über die Art. wie man sein Bett zu
machen, sich die Stube auszukehren, sich die Schuhe zu putzen habe, Anweisung
erhielt und mit den Lokalitäten deS Hauses bekannt gemacht wurde. Von dieser
Wanderung durch das Kloster in seine Zelle zurückgekehrt, fand unser Bericht¬
erstatter von Büchern nichts vor, als ein neues Testament, einen Thomas a
Kempis und ein anderes Buch mit Betrachtungen, alles in lateinischer Sprache.
Er erfuhr, daß zunächst nicht studirt werden sollte, da Bücher zerstreuen könnten.
Nach dem Abendessen wurden in der cAmsi'g, ommnum» durch Angabe der
Tagesordnung während der gedachten Exercitien und der Betrachtungspunkte
für den nächsten Morgen durch den Pater Spiritualis die heiligen Uebungen
eingeleitet, und am folgenden Tage begannen diese selbst.

Diese Exercitien bestehen, nach der Vorschrift des heiligen Ignatius eigentlich
vier Wochen umfassend, in der Regel aber auf acht Tage eingeschränkt, in so¬
genannten Betrachtungen, besonderer und allgemeiner.Gewissenserforschung,
wiederholten Beichten und dem Genuß der Communion. Beim Beginn derselben
soll man seinen ganzen Willen und seine Freiheit Gott darbringen, damit der¬
selbe über den Hebenden selbst sowie über alles, was er bat. nach seinem Wohl¬
gefallen verfüge, doch hat man, wenn ein Zustand reichlicher Tröstung und be¬
sonderen Eifers sich einfindet, zu vermeiden, daß man sich durch ein Gelübde
kopfüber binde, und zwar um so mehr. wenn.man unbeständigen Charakters ist.

Die Betrachtung ist ein stilles Nachdenken über religiöse Gegenstände,
welche der Exercitienmeister angibt, und deren Gang den heilige Ignatius in
einem besondern Buch vorgezeichnet hat. Ueber das Ergebniß, namentlich
über die „lumirra,", d. h. die Dinge, welche dabei besonders anschaulich gewor-


Grenzboten II. 1862. 59
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[0473] Nachdem der Erzähler die beschriebene Tracht angelegt, begab er sich in die eÄMöiÄ cormmiiiis, einen der beiden Säle, in welchem die beiden Abthei¬ lungen des Kollegiums, die eg,inspe>, Mi1o«0plroi'um oder Novizenklasse, und die LÄiru;ri>. tlrsologoruw oder Oberklasse, sich bei besonderen Gelegenheiten zusammenfinden, und wo den Neueingetretenen jetzt vom Pater Spiritualis auseinandergesetzt wurde, was ihre Obern von ihnen erwarteten. Als Haupt¬ pflichten wurden Offenheit und Gehorsam gegen die Vorgesetzten, zunächst ge¬ gen den vom Rector aus den ältern Zöglingen gewählten Präfecten der Kammer und dessen Beigeordneten, den Bidellus derselben, empfohlen, welche beide über Aufrechthaltung der Disciplin und Beobachtung der Hausordnung zu wachen haben. Die Rede schloß mit der Ankündigung, daß die Kammer zur Verbannung aller von Hause oder aus den Ferien mitgebrachten weltlichen Ge¬ danken die achttägigen Exercitien des heiligen Ignatius durchmachen solle. Dann hielt der Präfect eine salbungsvolle Ansprache, nach welcher er für jede» Novizen einen älteren Zögling bezeichnete, der ihn über die Hausordnung be¬ lehren sollte. Hierauf gingen alle paarweise in ihre Zellen zurück, wo jeder die soeben erwähnte Belehrung empfing, über die Art. wie man sein Bett zu machen, sich die Stube auszukehren, sich die Schuhe zu putzen habe, Anweisung erhielt und mit den Lokalitäten deS Hauses bekannt gemacht wurde. Von dieser Wanderung durch das Kloster in seine Zelle zurückgekehrt, fand unser Bericht¬ erstatter von Büchern nichts vor, als ein neues Testament, einen Thomas a Kempis und ein anderes Buch mit Betrachtungen, alles in lateinischer Sprache. Er erfuhr, daß zunächst nicht studirt werden sollte, da Bücher zerstreuen könnten. Nach dem Abendessen wurden in der cAmsi'g, ommnum» durch Angabe der Tagesordnung während der gedachten Exercitien und der Betrachtungspunkte für den nächsten Morgen durch den Pater Spiritualis die heiligen Uebungen eingeleitet, und am folgenden Tage begannen diese selbst. Diese Exercitien bestehen, nach der Vorschrift des heiligen Ignatius eigentlich vier Wochen umfassend, in der Regel aber auf acht Tage eingeschränkt, in so¬ genannten Betrachtungen, besonderer und allgemeiner.Gewissenserforschung, wiederholten Beichten und dem Genuß der Communion. Beim Beginn derselben soll man seinen ganzen Willen und seine Freiheit Gott darbringen, damit der¬ selbe über den Hebenden selbst sowie über alles, was er bat. nach seinem Wohl¬ gefallen verfüge, doch hat man, wenn ein Zustand reichlicher Tröstung und be¬ sonderen Eifers sich einfindet, zu vermeiden, daß man sich durch ein Gelübde kopfüber binde, und zwar um so mehr. wenn.man unbeständigen Charakters ist. Die Betrachtung ist ein stilles Nachdenken über religiöse Gegenstände, welche der Exercitienmeister angibt, und deren Gang den heilige Ignatius in einem besondern Buch vorgezeichnet hat. Ueber das Ergebniß, namentlich über die „lumirra,", d. h. die Dinge, welche dabei besonders anschaulich gewor- Grenzboten II. 1862. 59

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/473>, abgerufen am 08.01.2025.