Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

dann in Petersburg wenigstens zehn Rubel. Um aus ihm eine Alba zu be¬
reiten, schneidet man ihn in Stücke, gießt Wasser darauf, wirft Salz, Gewürz
und Citronenscheiben dazu und läßt es sieden.

Die ältesten nationalen Getränke Rußlands sind Meth, Bier und das
obenerwähnte Kwas. Meth, das schöne altskandinavische Hvnigbier, wird schon
im zehnten Jahrhundert genannt. In einer nowgoroder Chronik vom Jahr
989 heißt es, daß ein großes Fest stattfand, bei welchem hundertzwanzigtausend
Pfund Honig verbraucht wurden. Man Pflegt den Meth mit verschiedenen Ge¬
würzen zu versetzen, ihm auch bei der Gährung Hopfen beizumischen. Bier
wird nach Gerebzoff unter den Namen Oiul -- das gegenwärtige Wort ist
Piwo -- bereits im "Buch der Rangordnungen" erwähnt, welches im zwölften
Jahrhundert verfaßt ist. Aber kein russisches Getränk ist so alt als das Kwas;
denn es war nach Nestors Chronik unter den Slaven schon im ersten Säcu-
lum unsrer Zeitrechnung im Gebrauch. Unter den Gesetzen von Jaroslaff be¬
findet sich ein altes Edict, welches den beim Bau einer Stadt beschäftigten
Arveitsleuten eine bestimmte Quantität Malz oder Schrot zur Bereitung ihres
Kwas zuspricht.

Das Weintrinken lernten die Russen von den Griechen, während ihres leb¬
haften Verkehrs mit dem Reich von Byzanz, lange vor dem Einbruch der Mon¬
golen. Während der Tartarenherrschaft war dieser Verkehr geringer, und infolge
dessen nahm auch der Weinverbranch ab. Unter den Czaren nahm er zwar
wieder zu, indeß zogen noch im siebzehnten Jahrhundert die meisten Russen ihre
einheimischen Getränke vor. 1613 wurde der Bau der Rehe in Astrachan ein¬
geführt, und ein deutscher Reisender, Namens Strauß, der diese Stadt 1625
besuchte, fand, daß man damit beträchtliche Erfolge erzielte; denn abgesehen
von dem, was in den Handel kam, versorgte diese Provinz den Czar allein
mit 200 Tonnen Wein und 50 Tonnen Traubenbranntwcin jährlich. Um
dieselbe Zeit vertauschte man den griechischen Wein mit ungarischen, der viel
begehrt war, als Peter der Große kam und die französischen Sorten ein¬
führte -- eine Reform, welche von Vielen nicht für seine kleinste betrachtet
wird.

Die Kunst, aus Körnern Branntwein abzuziehen, gelangte von den in der
Krim angesiedelten Genuesen zu den Russen, und es scheint, daß letztere in der
Benutzung dieser Wissenschaft keine Zeit verloren. Namentlich erfanden sie
bald Aufgüsse von Obst und Beeren, die unter dem Namen "Naliwka" noch
setzt im Handel vorkommen und von unserm Reisenden vortrefflich befunden
wurden. Der russische Kornbranntwein gleicht unvermischt mit Wasser dem
besten irischen Whisky. Es gibt indeß sehr verschiedene Sorten, süße und bit¬
tere, starke und schwache.' Was das gemeine Volt trinkt, ist sehr schlecht.

Eine eigne Sitte ist, daß die Russen stets vor dem Essen und fast nie


dann in Petersburg wenigstens zehn Rubel. Um aus ihm eine Alba zu be¬
reiten, schneidet man ihn in Stücke, gießt Wasser darauf, wirft Salz, Gewürz
und Citronenscheiben dazu und läßt es sieden.

Die ältesten nationalen Getränke Rußlands sind Meth, Bier und das
obenerwähnte Kwas. Meth, das schöne altskandinavische Hvnigbier, wird schon
im zehnten Jahrhundert genannt. In einer nowgoroder Chronik vom Jahr
989 heißt es, daß ein großes Fest stattfand, bei welchem hundertzwanzigtausend
Pfund Honig verbraucht wurden. Man Pflegt den Meth mit verschiedenen Ge¬
würzen zu versetzen, ihm auch bei der Gährung Hopfen beizumischen. Bier
wird nach Gerebzoff unter den Namen Oiul — das gegenwärtige Wort ist
Piwo — bereits im „Buch der Rangordnungen" erwähnt, welches im zwölften
Jahrhundert verfaßt ist. Aber kein russisches Getränk ist so alt als das Kwas;
denn es war nach Nestors Chronik unter den Slaven schon im ersten Säcu-
lum unsrer Zeitrechnung im Gebrauch. Unter den Gesetzen von Jaroslaff be¬
findet sich ein altes Edict, welches den beim Bau einer Stadt beschäftigten
Arveitsleuten eine bestimmte Quantität Malz oder Schrot zur Bereitung ihres
Kwas zuspricht.

Das Weintrinken lernten die Russen von den Griechen, während ihres leb¬
haften Verkehrs mit dem Reich von Byzanz, lange vor dem Einbruch der Mon¬
golen. Während der Tartarenherrschaft war dieser Verkehr geringer, und infolge
dessen nahm auch der Weinverbranch ab. Unter den Czaren nahm er zwar
wieder zu, indeß zogen noch im siebzehnten Jahrhundert die meisten Russen ihre
einheimischen Getränke vor. 1613 wurde der Bau der Rehe in Astrachan ein¬
geführt, und ein deutscher Reisender, Namens Strauß, der diese Stadt 1625
besuchte, fand, daß man damit beträchtliche Erfolge erzielte; denn abgesehen
von dem, was in den Handel kam, versorgte diese Provinz den Czar allein
mit 200 Tonnen Wein und 50 Tonnen Traubenbranntwcin jährlich. Um
dieselbe Zeit vertauschte man den griechischen Wein mit ungarischen, der viel
begehrt war, als Peter der Große kam und die französischen Sorten ein¬
führte — eine Reform, welche von Vielen nicht für seine kleinste betrachtet
wird.

Die Kunst, aus Körnern Branntwein abzuziehen, gelangte von den in der
Krim angesiedelten Genuesen zu den Russen, und es scheint, daß letztere in der
Benutzung dieser Wissenschaft keine Zeit verloren. Namentlich erfanden sie
bald Aufgüsse von Obst und Beeren, die unter dem Namen „Naliwka" noch
setzt im Handel vorkommen und von unserm Reisenden vortrefflich befunden
wurden. Der russische Kornbranntwein gleicht unvermischt mit Wasser dem
besten irischen Whisky. Es gibt indeß sehr verschiedene Sorten, süße und bit¬
tere, starke und schwache.' Was das gemeine Volt trinkt, ist sehr schlecht.

Eine eigne Sitte ist, daß die Russen stets vor dem Essen und fast nie


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0461" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114241"/>
            <p xml:id="ID_1476" prev="#ID_1475"> dann in Petersburg wenigstens zehn Rubel. Um aus ihm eine Alba zu be¬<lb/>
reiten, schneidet man ihn in Stücke, gießt Wasser darauf, wirft Salz, Gewürz<lb/>
und Citronenscheiben dazu und läßt es sieden.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1477"> Die ältesten nationalen Getränke Rußlands sind Meth, Bier und das<lb/>
obenerwähnte Kwas. Meth, das schöne altskandinavische Hvnigbier, wird schon<lb/>
im zehnten Jahrhundert genannt. In einer nowgoroder Chronik vom Jahr<lb/>
989 heißt es, daß ein großes Fest stattfand, bei welchem hundertzwanzigtausend<lb/>
Pfund Honig verbraucht wurden. Man Pflegt den Meth mit verschiedenen Ge¬<lb/>
würzen zu versetzen, ihm auch bei der Gährung Hopfen beizumischen. Bier<lb/>
wird nach Gerebzoff unter den Namen Oiul &#x2014; das gegenwärtige Wort ist<lb/>
Piwo &#x2014; bereits im &#x201E;Buch der Rangordnungen" erwähnt, welches im zwölften<lb/>
Jahrhundert verfaßt ist. Aber kein russisches Getränk ist so alt als das Kwas;<lb/>
denn es war nach Nestors Chronik unter den Slaven schon im ersten Säcu-<lb/>
lum unsrer Zeitrechnung im Gebrauch. Unter den Gesetzen von Jaroslaff be¬<lb/>
findet sich ein altes Edict, welches den beim Bau einer Stadt beschäftigten<lb/>
Arveitsleuten eine bestimmte Quantität Malz oder Schrot zur Bereitung ihres<lb/>
Kwas zuspricht.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1478"> Das Weintrinken lernten die Russen von den Griechen, während ihres leb¬<lb/>
haften Verkehrs mit dem Reich von Byzanz, lange vor dem Einbruch der Mon¬<lb/>
golen. Während der Tartarenherrschaft war dieser Verkehr geringer, und infolge<lb/>
dessen nahm auch der Weinverbranch ab. Unter den Czaren nahm er zwar<lb/>
wieder zu, indeß zogen noch im siebzehnten Jahrhundert die meisten Russen ihre<lb/>
einheimischen Getränke vor. 1613 wurde der Bau der Rehe in Astrachan ein¬<lb/>
geführt, und ein deutscher Reisender, Namens Strauß, der diese Stadt 1625<lb/>
besuchte, fand, daß man damit beträchtliche Erfolge erzielte; denn abgesehen<lb/>
von dem, was in den Handel kam, versorgte diese Provinz den Czar allein<lb/>
mit 200 Tonnen Wein und 50 Tonnen Traubenbranntwcin jährlich. Um<lb/>
dieselbe Zeit vertauschte man den griechischen Wein mit ungarischen, der viel<lb/>
begehrt war, als Peter der Große kam und die französischen Sorten ein¬<lb/>
führte &#x2014; eine Reform, welche von Vielen nicht für seine kleinste betrachtet<lb/>
wird.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1479"> Die Kunst, aus Körnern Branntwein abzuziehen, gelangte von den in der<lb/>
Krim angesiedelten Genuesen zu den Russen, und es scheint, daß letztere in der<lb/>
Benutzung dieser Wissenschaft keine Zeit verloren. Namentlich erfanden sie<lb/>
bald Aufgüsse von Obst und Beeren, die unter dem Namen &#x201E;Naliwka" noch<lb/>
setzt im Handel vorkommen und von unserm Reisenden vortrefflich befunden<lb/>
wurden. Der russische Kornbranntwein gleicht unvermischt mit Wasser dem<lb/>
besten irischen Whisky. Es gibt indeß sehr verschiedene Sorten, süße und bit¬<lb/>
tere, starke und schwache.' Was das gemeine Volt trinkt, ist sehr schlecht.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1480" next="#ID_1481"> Eine eigne Sitte ist, daß die Russen stets vor dem Essen und fast nie</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0461] dann in Petersburg wenigstens zehn Rubel. Um aus ihm eine Alba zu be¬ reiten, schneidet man ihn in Stücke, gießt Wasser darauf, wirft Salz, Gewürz und Citronenscheiben dazu und läßt es sieden. Die ältesten nationalen Getränke Rußlands sind Meth, Bier und das obenerwähnte Kwas. Meth, das schöne altskandinavische Hvnigbier, wird schon im zehnten Jahrhundert genannt. In einer nowgoroder Chronik vom Jahr 989 heißt es, daß ein großes Fest stattfand, bei welchem hundertzwanzigtausend Pfund Honig verbraucht wurden. Man Pflegt den Meth mit verschiedenen Ge¬ würzen zu versetzen, ihm auch bei der Gährung Hopfen beizumischen. Bier wird nach Gerebzoff unter den Namen Oiul — das gegenwärtige Wort ist Piwo — bereits im „Buch der Rangordnungen" erwähnt, welches im zwölften Jahrhundert verfaßt ist. Aber kein russisches Getränk ist so alt als das Kwas; denn es war nach Nestors Chronik unter den Slaven schon im ersten Säcu- lum unsrer Zeitrechnung im Gebrauch. Unter den Gesetzen von Jaroslaff be¬ findet sich ein altes Edict, welches den beim Bau einer Stadt beschäftigten Arveitsleuten eine bestimmte Quantität Malz oder Schrot zur Bereitung ihres Kwas zuspricht. Das Weintrinken lernten die Russen von den Griechen, während ihres leb¬ haften Verkehrs mit dem Reich von Byzanz, lange vor dem Einbruch der Mon¬ golen. Während der Tartarenherrschaft war dieser Verkehr geringer, und infolge dessen nahm auch der Weinverbranch ab. Unter den Czaren nahm er zwar wieder zu, indeß zogen noch im siebzehnten Jahrhundert die meisten Russen ihre einheimischen Getränke vor. 1613 wurde der Bau der Rehe in Astrachan ein¬ geführt, und ein deutscher Reisender, Namens Strauß, der diese Stadt 1625 besuchte, fand, daß man damit beträchtliche Erfolge erzielte; denn abgesehen von dem, was in den Handel kam, versorgte diese Provinz den Czar allein mit 200 Tonnen Wein und 50 Tonnen Traubenbranntwcin jährlich. Um dieselbe Zeit vertauschte man den griechischen Wein mit ungarischen, der viel begehrt war, als Peter der Große kam und die französischen Sorten ein¬ führte — eine Reform, welche von Vielen nicht für seine kleinste betrachtet wird. Die Kunst, aus Körnern Branntwein abzuziehen, gelangte von den in der Krim angesiedelten Genuesen zu den Russen, und es scheint, daß letztere in der Benutzung dieser Wissenschaft keine Zeit verloren. Namentlich erfanden sie bald Aufgüsse von Obst und Beeren, die unter dem Namen „Naliwka" noch setzt im Handel vorkommen und von unserm Reisenden vortrefflich befunden wurden. Der russische Kornbranntwein gleicht unvermischt mit Wasser dem besten irischen Whisky. Es gibt indeß sehr verschiedene Sorten, süße und bit¬ tere, starke und schwache.' Was das gemeine Volt trinkt, ist sehr schlecht. Eine eigne Sitte ist, daß die Russen stets vor dem Essen und fast nie

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/461
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/461>, abgerufen am 08.01.2025.