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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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der Eremitage, wo sie als Repräsentanten des plumpen steifen Byzantinerthums
natürlich sehr unvortheilhaft von den Meisterwerken italienischer und nieder¬
ländischer Kunst absteche". Die Glorien um die Köpfe dieser braunen Erlöser
und Gottesmutter sind in der Regel von gegossenem oder geschmiedeten Metall,
gewöhnlich von Messing, oft von Silber, bisweilen von Gold, und sehen,
wenn das Gemälde nicht in günstigem Licht steht, so daß blos der Heiligenschein
sichtbar ist, wie an die Wand genagelte Hufeisen aus. Mitunter ist die ganze
Bekleidung des Heiligen von getriebenem Gold- oder Silberblech gemacht, und
das einzige Gemälde daran sind Hände und Gesicht, so daß man bei ihnen
(z. B. bei der erwähnten Panagia des heiligen Lucas in der Moskaner Himmel¬
fahrtskirche, die beiläufig einen auf 200.000 Rubel geschätzten Schmuck von
Diamanten trägt) mehr an den Goldschmied als an den Maler denkt.

Die Heiligenbilder für das Haus werden großentheils in Susdal, einer
Stadt des Gouvernements Wladimir, fabricirt, welche in diesem Erwerbs-
zweig so berühmt ist, wie Tula durch seine Kurzwaren und Tarjock durch seine
Lederstickereien. Selten verwendet man mehr als drei Farben, und jede von
diesen hat ihre besondere Klasse von Malern oder richtiger Aufstreichern, ganz
wie in den jetzt etwas aus der Mode gekommenen russischen Hornmusikchören
jede Note ihren besondern Hornisten hat. Das Gemälde wird auf eine voll¬
kommen glatte Holztafel gezeichnet. Der Maler verdünnt seine Farbe mit
großen Quantitäten Oel und polirt, wenn er fertig, sein Werk mit einem
Pulver aus Bimstein. Hat der Künstler in Noth sein Stück Arbeit vollbracht,
so übergibt er das Gemälde dem Künstler in Gelb, der es seinerseits, wenn er
sein Theil gethan, dem Künstler in Blau zustellt. Dann heftet der Metallar¬
beiter den Heiligenschein an, und das "Ikon" ist reif für den Rahmenmachcr,
wofern überhaupt ein Rahmen für nöthig gehalten wird.*)

Es gibt in jeder größern Stadt Läden mit solchen "Ikons", und ein
Ikon ist in Rußland die einzige Waare, um die nicht gefeilscht wird; denn
der Versuch, den Preis eines Heiligenbildes, auch nur im commerziellen Sinn
des Wortes, herab zu setzen, würde für mehr als unanständig angesehen wer¬
den, während ebenso der Versuch, den Käufer zu übertheuern als Sünde be¬
trachtet werden würde.

Die Größe der Heiligenbilder steht gewöhnlich im umgekehrten Verhältniß
zu dem socialen Rang der Personen, deren Wohnung sie schmücken und heiligen.
So nehmen sie in den Buden des Gastinnvi Door. jenes permanenten Jahr¬
markts in Moskau, die Dimensionen historischer Gemälde an. denn der russische
Kleinkrämer ist ebenso fromm, als er pfiffig ist^ In den Privathäusern der
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*) Eine ähnliche Methode setzte bekanntlich auch die,altitnlienischen Frcskenmnlcr in den,
D. Red. Stand, rasch ju arbeiten. '
Grenjbotcn II. 1S62. 54

der Eremitage, wo sie als Repräsentanten des plumpen steifen Byzantinerthums
natürlich sehr unvortheilhaft von den Meisterwerken italienischer und nieder¬
ländischer Kunst absteche». Die Glorien um die Köpfe dieser braunen Erlöser
und Gottesmutter sind in der Regel von gegossenem oder geschmiedeten Metall,
gewöhnlich von Messing, oft von Silber, bisweilen von Gold, und sehen,
wenn das Gemälde nicht in günstigem Licht steht, so daß blos der Heiligenschein
sichtbar ist, wie an die Wand genagelte Hufeisen aus. Mitunter ist die ganze
Bekleidung des Heiligen von getriebenem Gold- oder Silberblech gemacht, und
das einzige Gemälde daran sind Hände und Gesicht, so daß man bei ihnen
(z. B. bei der erwähnten Panagia des heiligen Lucas in der Moskaner Himmel¬
fahrtskirche, die beiläufig einen auf 200.000 Rubel geschätzten Schmuck von
Diamanten trägt) mehr an den Goldschmied als an den Maler denkt.

Die Heiligenbilder für das Haus werden großentheils in Susdal, einer
Stadt des Gouvernements Wladimir, fabricirt, welche in diesem Erwerbs-
zweig so berühmt ist, wie Tula durch seine Kurzwaren und Tarjock durch seine
Lederstickereien. Selten verwendet man mehr als drei Farben, und jede von
diesen hat ihre besondere Klasse von Malern oder richtiger Aufstreichern, ganz
wie in den jetzt etwas aus der Mode gekommenen russischen Hornmusikchören
jede Note ihren besondern Hornisten hat. Das Gemälde wird auf eine voll¬
kommen glatte Holztafel gezeichnet. Der Maler verdünnt seine Farbe mit
großen Quantitäten Oel und polirt, wenn er fertig, sein Werk mit einem
Pulver aus Bimstein. Hat der Künstler in Noth sein Stück Arbeit vollbracht,
so übergibt er das Gemälde dem Künstler in Gelb, der es seinerseits, wenn er
sein Theil gethan, dem Künstler in Blau zustellt. Dann heftet der Metallar¬
beiter den Heiligenschein an, und das „Ikon" ist reif für den Rahmenmachcr,
wofern überhaupt ein Rahmen für nöthig gehalten wird.*)

Es gibt in jeder größern Stadt Läden mit solchen „Ikons", und ein
Ikon ist in Rußland die einzige Waare, um die nicht gefeilscht wird; denn
der Versuch, den Preis eines Heiligenbildes, auch nur im commerziellen Sinn
des Wortes, herab zu setzen, würde für mehr als unanständig angesehen wer¬
den, während ebenso der Versuch, den Käufer zu übertheuern als Sünde be¬
trachtet werden würde.

Die Größe der Heiligenbilder steht gewöhnlich im umgekehrten Verhältniß
zu dem socialen Rang der Personen, deren Wohnung sie schmücken und heiligen.
So nehmen sie in den Buden des Gastinnvi Door. jenes permanenten Jahr¬
markts in Moskau, die Dimensionen historischer Gemälde an. denn der russische
Kleinkrämer ist ebenso fromm, als er pfiffig ist^ In den Privathäusern der
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[0433] der Eremitage, wo sie als Repräsentanten des plumpen steifen Byzantinerthums natürlich sehr unvortheilhaft von den Meisterwerken italienischer und nieder¬ ländischer Kunst absteche». Die Glorien um die Köpfe dieser braunen Erlöser und Gottesmutter sind in der Regel von gegossenem oder geschmiedeten Metall, gewöhnlich von Messing, oft von Silber, bisweilen von Gold, und sehen, wenn das Gemälde nicht in günstigem Licht steht, so daß blos der Heiligenschein sichtbar ist, wie an die Wand genagelte Hufeisen aus. Mitunter ist die ganze Bekleidung des Heiligen von getriebenem Gold- oder Silberblech gemacht, und das einzige Gemälde daran sind Hände und Gesicht, so daß man bei ihnen (z. B. bei der erwähnten Panagia des heiligen Lucas in der Moskaner Himmel¬ fahrtskirche, die beiläufig einen auf 200.000 Rubel geschätzten Schmuck von Diamanten trägt) mehr an den Goldschmied als an den Maler denkt. Die Heiligenbilder für das Haus werden großentheils in Susdal, einer Stadt des Gouvernements Wladimir, fabricirt, welche in diesem Erwerbs- zweig so berühmt ist, wie Tula durch seine Kurzwaren und Tarjock durch seine Lederstickereien. Selten verwendet man mehr als drei Farben, und jede von diesen hat ihre besondere Klasse von Malern oder richtiger Aufstreichern, ganz wie in den jetzt etwas aus der Mode gekommenen russischen Hornmusikchören jede Note ihren besondern Hornisten hat. Das Gemälde wird auf eine voll¬ kommen glatte Holztafel gezeichnet. Der Maler verdünnt seine Farbe mit großen Quantitäten Oel und polirt, wenn er fertig, sein Werk mit einem Pulver aus Bimstein. Hat der Künstler in Noth sein Stück Arbeit vollbracht, so übergibt er das Gemälde dem Künstler in Gelb, der es seinerseits, wenn er sein Theil gethan, dem Künstler in Blau zustellt. Dann heftet der Metallar¬ beiter den Heiligenschein an, und das „Ikon" ist reif für den Rahmenmachcr, wofern überhaupt ein Rahmen für nöthig gehalten wird.*) Es gibt in jeder größern Stadt Läden mit solchen „Ikons", und ein Ikon ist in Rußland die einzige Waare, um die nicht gefeilscht wird; denn der Versuch, den Preis eines Heiligenbildes, auch nur im commerziellen Sinn des Wortes, herab zu setzen, würde für mehr als unanständig angesehen wer¬ den, während ebenso der Versuch, den Käufer zu übertheuern als Sünde be¬ trachtet werden würde. Die Größe der Heiligenbilder steht gewöhnlich im umgekehrten Verhältniß zu dem socialen Rang der Personen, deren Wohnung sie schmücken und heiligen. So nehmen sie in den Buden des Gastinnvi Door. jenes permanenten Jahr¬ markts in Moskau, die Dimensionen historischer Gemälde an. denn der russische Kleinkrämer ist ebenso fromm, als er pfiffig ist^ In den Privathäusern der .?>M^clShili6et 'n^l 'Mulli ir^it^liimull /l^l^i juo 'ni!'» 6nu ?Mi>.>.' '' .,., *) Eine ähnliche Methode setzte bekanntlich auch die,altitnlienischen Frcskenmnlcr in den, D. Red. Stand, rasch ju arbeiten. ' Grenjbotcn II. 1S62. 54

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/433>, abgerufen am 08.01.2025.