Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.faßlichen Form die Hippvkratische Medicin der großen Masse zugänglich faßlichen Form die Hippvkratische Medicin der großen Masse zugänglich <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0418" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114198"/> <p xml:id="ID_1347" prev="#ID_1346" next="#ID_1348"> faßlichen Form die Hippvkratische Medicin der großen Masse zugänglich<lb/> machte. Wie die Hippokratit'er suchte Galen in einer Verderbniß der Säfte<lb/> die vorzüglichste Ursache der Krankheiten. Wie Hippokrates lehrte Galen,<lb/> die Körperwelt entstehe aus den vier Grundstoffen Feuer, Luft, Wasser<lb/> und Erde, denen im thierischen Leibe das Blut, der Schleim, die schwarze<lb/> und die gelbe Galle entspreche, aus welchen sich der Körper zusammenfege<lb/> und deren Mißverhältniß die Krankheiten erzeuge. Eine so grundlose Theorie,<lb/> welche Aussonderungsproducte von so verschiedenem Werthe zu Grundstoffen<lb/> erhebt, und sie mit ebenso schlecht bestimmten Elementen identificirt. welche<lb/> noch dazu untergeordnete Zustände eines dieser vermeintlichen Grundstoffe (wie<lb/> die schwarze und gelbe Farbe der Galle> eine Rolle spielen läßt, die ihnen<lb/> nie zukommen kann, bedarf heutzutage keiner Widerlegung-. Wenn dieselbe<lb/> aber in den Hippokratischen Schriften neben den vorzüglichen und für alle<lb/> Zeiten musterhaften Schilderungen der einzelnen Krankheiten herlief und die¬<lb/> selben unter allgemeinere Rücksichten verband, so übte sie doch auf die prak¬<lb/> tisch therapeutische Richtung keinen wesentlichen Einfluß. Die Hippokratiker<lb/> betrachteten die Medicin als eine Kunst. Zur Wissenschaft wurde sie erst nach<lb/> der Einführung der Anatomie durch die Alexandriner. Wenn daher später<lb/> Galen trotz der ungeheuren Fortschritte, welche die Medicin an der Hand der<lb/> Anatomie gemacht hatte, auf das humoralpathvlogische System des Hippokrates<lb/> zurückging, so war der Rückschritt um so verderblicher, als er die Anatomie<lb/> wieder zur Nebensache herunterdrückte. Das Galenische System hat, trotzdem<lb/> Galen als der vorzüglichste Lehrer der Anatomie das Mittelalter hindurch galt,<lb/> doch die Anatomie in eine untergeordnete Stellung hinabgedrängt, sie als eine<lb/> Nebensache behandelt, und so die Möglichkeit des Fortschritts aufgehoben, weil<lb/> es die Krankheiten in den Säften suchte und auf die Organe selbst keine Rück¬<lb/> sicht nahm. Für ein solches System ist die Anatomie nur dazu da, dre Kennt¬<lb/> niß des'Körpers und seiner Theile zu erleichtern, nicht aber die Krankheiten<lb/> in ihrer Quelle auszusuchen und die krankhaften Veränderungen der Organe zu<lb/> studiren. Von einer pathologischen Anatomie ist daher bei Galen so wenig<lb/> wie bei den Hippvkratitern die Rede. Dazu kommt, daß Galen bei seinen<lb/> anatomischen Untersuchungen, die für mehr als ein Jahrtausend maßgebend<lb/> blieben, sich vorzugsweise mit Affen begnügte, indem er selbst erklärte, die<lb/> Alexandriner hätten die Uebereinstimmung der Menschen in ihrem anatomischen<lb/> Baue mit den Affen hinreichend dargethan; man könne sich deshalb füglich auf<lb/> die Untersuchung von Affen beschränken. Auf diese Weise wurden eigne For¬<lb/> schungen zuletzt ganz unnöthig; Galen hatte ja den anatomischen Bau so gut<lb/> und klar beschrieben, er hatte die Ergebnisse der Alexandriner, wie man glaubte,<lb/> so trefflich benutzt, daß scheinbar nichts hinzuzufügen blieb. Daß die Affen<lb/> in ihrem Baue sehr wesentliche Verschiedenheiten vom Menschen zeigen, ahnte</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0418]
faßlichen Form die Hippvkratische Medicin der großen Masse zugänglich
machte. Wie die Hippokratit'er suchte Galen in einer Verderbniß der Säfte
die vorzüglichste Ursache der Krankheiten. Wie Hippokrates lehrte Galen,
die Körperwelt entstehe aus den vier Grundstoffen Feuer, Luft, Wasser
und Erde, denen im thierischen Leibe das Blut, der Schleim, die schwarze
und die gelbe Galle entspreche, aus welchen sich der Körper zusammenfege
und deren Mißverhältniß die Krankheiten erzeuge. Eine so grundlose Theorie,
welche Aussonderungsproducte von so verschiedenem Werthe zu Grundstoffen
erhebt, und sie mit ebenso schlecht bestimmten Elementen identificirt. welche
noch dazu untergeordnete Zustände eines dieser vermeintlichen Grundstoffe (wie
die schwarze und gelbe Farbe der Galle> eine Rolle spielen läßt, die ihnen
nie zukommen kann, bedarf heutzutage keiner Widerlegung-. Wenn dieselbe
aber in den Hippokratischen Schriften neben den vorzüglichen und für alle
Zeiten musterhaften Schilderungen der einzelnen Krankheiten herlief und die¬
selben unter allgemeinere Rücksichten verband, so übte sie doch auf die prak¬
tisch therapeutische Richtung keinen wesentlichen Einfluß. Die Hippokratiker
betrachteten die Medicin als eine Kunst. Zur Wissenschaft wurde sie erst nach
der Einführung der Anatomie durch die Alexandriner. Wenn daher später
Galen trotz der ungeheuren Fortschritte, welche die Medicin an der Hand der
Anatomie gemacht hatte, auf das humoralpathvlogische System des Hippokrates
zurückging, so war der Rückschritt um so verderblicher, als er die Anatomie
wieder zur Nebensache herunterdrückte. Das Galenische System hat, trotzdem
Galen als der vorzüglichste Lehrer der Anatomie das Mittelalter hindurch galt,
doch die Anatomie in eine untergeordnete Stellung hinabgedrängt, sie als eine
Nebensache behandelt, und so die Möglichkeit des Fortschritts aufgehoben, weil
es die Krankheiten in den Säften suchte und auf die Organe selbst keine Rück¬
sicht nahm. Für ein solches System ist die Anatomie nur dazu da, dre Kennt¬
niß des'Körpers und seiner Theile zu erleichtern, nicht aber die Krankheiten
in ihrer Quelle auszusuchen und die krankhaften Veränderungen der Organe zu
studiren. Von einer pathologischen Anatomie ist daher bei Galen so wenig
wie bei den Hippvkratitern die Rede. Dazu kommt, daß Galen bei seinen
anatomischen Untersuchungen, die für mehr als ein Jahrtausend maßgebend
blieben, sich vorzugsweise mit Affen begnügte, indem er selbst erklärte, die
Alexandriner hätten die Uebereinstimmung der Menschen in ihrem anatomischen
Baue mit den Affen hinreichend dargethan; man könne sich deshalb füglich auf
die Untersuchung von Affen beschränken. Auf diese Weise wurden eigne For¬
schungen zuletzt ganz unnöthig; Galen hatte ja den anatomischen Bau so gut
und klar beschrieben, er hatte die Ergebnisse der Alexandriner, wie man glaubte,
so trefflich benutzt, daß scheinbar nichts hinzuzufügen blieb. Daß die Affen
in ihrem Baue sehr wesentliche Verschiedenheiten vom Menschen zeigen, ahnte
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