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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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Burgbaues gelegt, so erhielt er auch die Aufgabe, bei einer Belagerung die
bewaffneten Vertheidiger aufzunehmen. Wurfgeschosse und Bogenschützen wurden
an seine Fenster gestellt, und wie er selbst die niedrigern Werke und den Hofraum
beherrschte, so wurde wieder er von dem großen Hauptthurme überragt. Die
Wartburg, soweit der alte Bau aus der Restauration erkennbar ist. gewährt
kein übles Bild von der Zusammenschachtelung der altdeutschen Wohnräume
in einem Burgbau des romanischen Styles. Im 12. Jahrhundert waren diese
neuen Hofburgen bereits der gewöhnliche Aufenthalt größerer Territorialherren,
sie werden auch in den ritterlichen Dichtungen als Wohnsitz der Könige,
schöner Frauen und Zank'erer dargestellt. Daß sich aber in dem großen Volks¬
gedicht der Deutschen so lebhafte Erinnerung an Haus und Hos früherer Zeit
erhalten hat, das ist eben so lehrreich, wie der Umstand, daß die Helden der
Nibelungen zwar einige Mal modernen Ritterbrauch üben und zu Roß mit dem
Speer tjostiren, daß aber ihre ernsten Kämpfe zu Fuß ausgefochten werden,
und daß sie dann den Ger, den altheimischen Wurfspieß, schleudern.

Altdeutsches Lesebuch. Gothisch. Altsächsisch Alt- und Mittel¬
hochdeutsch. Mit literarischem Nachweis und einem Wörterbuche von Oskar
Schade I. Theil Lesebuch. Halle. Buchhandlung des Waisenhauses. 1862.
Zunächst durch die eigenen Vorlesungen des Herausgebers veranlaßt, dem Lesebuch
W. Wackernagels gegenüber durch billigern Preis und stärkere Berücksichtigung
des neunten bis zwölften Jahrhunderts motivirt. Die Einrichtung ist praktisch,
jedem Stück ist ein literarischer Nachweis der Quellen, Handschriften, Drucke
beigefügt, die Auswahl ist verständig, möglichst Interessantes und weniger Be¬
kanntes hervorgehoben. Das Ganze eine nützliche und empfehlungswertbe Arbeit.

A ltdeutsches Ha ndwörterbuch von Wilhelm Wackernagel. Basel,
Schweighäuser'sche Verlagsbuchhandlung. 1861. Die neue Auflage dieses Wörter¬
buches, welches zunächst für die neue Ausgabe des altdeutschen Lesebuchs von
Wilhelm Wackernagel bestimmt ist, umfaßt zwar nicht das ganze Gebiet der alt
und mitteldeutschen Sprache, aber sie ist gegen die frühere Ausgabe des
Wörterbuchs von 1842 fast um die Hälfte vermehrt, ist durchaus selbständig gear¬
beitet, in streng alphabetischer Ordnung, knapp und sorgfältig in den Erklärungen,
mit reichlicher Berücksichtigung der Eigennamen und der alten Dialekte. Es
wird auch, was den Reichthum an Wörtern betrifft, durch das große Wörter¬
buch von Zarncke und Müller keineswegs entbehrlich gemacht, und der gelehrte
Herausgeber ist völlig berechtigt, anzunehmen, daß es bei jeder Lectüre mittel¬
alterlicher deutscher Schriftwerke mit Nutzen und Freude gebraucht werden kann.

Das Nibelungenlied aus dem Mittelhochdeutschen neu übersetzt von
Eduard Bürger. Leipzig. Brockhaus. 1861. -- Wir vermögen nicht die An¬
sicht des Uebersetzers zu theilen, daß seine Arbeit die rechte Mitte halte zwi¬
schen unpassender Modernisierung und einer harten Diction, die sich zu unfrei


Burgbaues gelegt, so erhielt er auch die Aufgabe, bei einer Belagerung die
bewaffneten Vertheidiger aufzunehmen. Wurfgeschosse und Bogenschützen wurden
an seine Fenster gestellt, und wie er selbst die niedrigern Werke und den Hofraum
beherrschte, so wurde wieder er von dem großen Hauptthurme überragt. Die
Wartburg, soweit der alte Bau aus der Restauration erkennbar ist. gewährt
kein übles Bild von der Zusammenschachtelung der altdeutschen Wohnräume
in einem Burgbau des romanischen Styles. Im 12. Jahrhundert waren diese
neuen Hofburgen bereits der gewöhnliche Aufenthalt größerer Territorialherren,
sie werden auch in den ritterlichen Dichtungen als Wohnsitz der Könige,
schöner Frauen und Zank'erer dargestellt. Daß sich aber in dem großen Volks¬
gedicht der Deutschen so lebhafte Erinnerung an Haus und Hos früherer Zeit
erhalten hat, das ist eben so lehrreich, wie der Umstand, daß die Helden der
Nibelungen zwar einige Mal modernen Ritterbrauch üben und zu Roß mit dem
Speer tjostiren, daß aber ihre ernsten Kämpfe zu Fuß ausgefochten werden,
und daß sie dann den Ger, den altheimischen Wurfspieß, schleudern.

Altdeutsches Lesebuch. Gothisch. Altsächsisch Alt- und Mittel¬
hochdeutsch. Mit literarischem Nachweis und einem Wörterbuche von Oskar
Schade I. Theil Lesebuch. Halle. Buchhandlung des Waisenhauses. 1862.
Zunächst durch die eigenen Vorlesungen des Herausgebers veranlaßt, dem Lesebuch
W. Wackernagels gegenüber durch billigern Preis und stärkere Berücksichtigung
des neunten bis zwölften Jahrhunderts motivirt. Die Einrichtung ist praktisch,
jedem Stück ist ein literarischer Nachweis der Quellen, Handschriften, Drucke
beigefügt, die Auswahl ist verständig, möglichst Interessantes und weniger Be¬
kanntes hervorgehoben. Das Ganze eine nützliche und empfehlungswertbe Arbeit.

A ltdeutsches Ha ndwörterbuch von Wilhelm Wackernagel. Basel,
Schweighäuser'sche Verlagsbuchhandlung. 1861. Die neue Auflage dieses Wörter¬
buches, welches zunächst für die neue Ausgabe des altdeutschen Lesebuchs von
Wilhelm Wackernagel bestimmt ist, umfaßt zwar nicht das ganze Gebiet der alt
und mitteldeutschen Sprache, aber sie ist gegen die frühere Ausgabe des
Wörterbuchs von 1842 fast um die Hälfte vermehrt, ist durchaus selbständig gear¬
beitet, in streng alphabetischer Ordnung, knapp und sorgfältig in den Erklärungen,
mit reichlicher Berücksichtigung der Eigennamen und der alten Dialekte. Es
wird auch, was den Reichthum an Wörtern betrifft, durch das große Wörter¬
buch von Zarncke und Müller keineswegs entbehrlich gemacht, und der gelehrte
Herausgeber ist völlig berechtigt, anzunehmen, daß es bei jeder Lectüre mittel¬
alterlicher deutscher Schriftwerke mit Nutzen und Freude gebraucht werden kann.

Das Nibelungenlied aus dem Mittelhochdeutschen neu übersetzt von
Eduard Bürger. Leipzig. Brockhaus. 1861. — Wir vermögen nicht die An¬
sicht des Uebersetzers zu theilen, daß seine Arbeit die rechte Mitte halte zwi¬
schen unpassender Modernisierung und einer harten Diction, die sich zu unfrei


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[0238] Burgbaues gelegt, so erhielt er auch die Aufgabe, bei einer Belagerung die bewaffneten Vertheidiger aufzunehmen. Wurfgeschosse und Bogenschützen wurden an seine Fenster gestellt, und wie er selbst die niedrigern Werke und den Hofraum beherrschte, so wurde wieder er von dem großen Hauptthurme überragt. Die Wartburg, soweit der alte Bau aus der Restauration erkennbar ist. gewährt kein übles Bild von der Zusammenschachtelung der altdeutschen Wohnräume in einem Burgbau des romanischen Styles. Im 12. Jahrhundert waren diese neuen Hofburgen bereits der gewöhnliche Aufenthalt größerer Territorialherren, sie werden auch in den ritterlichen Dichtungen als Wohnsitz der Könige, schöner Frauen und Zank'erer dargestellt. Daß sich aber in dem großen Volks¬ gedicht der Deutschen so lebhafte Erinnerung an Haus und Hos früherer Zeit erhalten hat, das ist eben so lehrreich, wie der Umstand, daß die Helden der Nibelungen zwar einige Mal modernen Ritterbrauch üben und zu Roß mit dem Speer tjostiren, daß aber ihre ernsten Kämpfe zu Fuß ausgefochten werden, und daß sie dann den Ger, den altheimischen Wurfspieß, schleudern. Altdeutsches Lesebuch. Gothisch. Altsächsisch Alt- und Mittel¬ hochdeutsch. Mit literarischem Nachweis und einem Wörterbuche von Oskar Schade I. Theil Lesebuch. Halle. Buchhandlung des Waisenhauses. 1862. Zunächst durch die eigenen Vorlesungen des Herausgebers veranlaßt, dem Lesebuch W. Wackernagels gegenüber durch billigern Preis und stärkere Berücksichtigung des neunten bis zwölften Jahrhunderts motivirt. Die Einrichtung ist praktisch, jedem Stück ist ein literarischer Nachweis der Quellen, Handschriften, Drucke beigefügt, die Auswahl ist verständig, möglichst Interessantes und weniger Be¬ kanntes hervorgehoben. Das Ganze eine nützliche und empfehlungswertbe Arbeit. A ltdeutsches Ha ndwörterbuch von Wilhelm Wackernagel. Basel, Schweighäuser'sche Verlagsbuchhandlung. 1861. Die neue Auflage dieses Wörter¬ buches, welches zunächst für die neue Ausgabe des altdeutschen Lesebuchs von Wilhelm Wackernagel bestimmt ist, umfaßt zwar nicht das ganze Gebiet der alt und mitteldeutschen Sprache, aber sie ist gegen die frühere Ausgabe des Wörterbuchs von 1842 fast um die Hälfte vermehrt, ist durchaus selbständig gear¬ beitet, in streng alphabetischer Ordnung, knapp und sorgfältig in den Erklärungen, mit reichlicher Berücksichtigung der Eigennamen und der alten Dialekte. Es wird auch, was den Reichthum an Wörtern betrifft, durch das große Wörter¬ buch von Zarncke und Müller keineswegs entbehrlich gemacht, und der gelehrte Herausgeber ist völlig berechtigt, anzunehmen, daß es bei jeder Lectüre mittel¬ alterlicher deutscher Schriftwerke mit Nutzen und Freude gebraucht werden kann. Das Nibelungenlied aus dem Mittelhochdeutschen neu übersetzt von Eduard Bürger. Leipzig. Brockhaus. 1861. — Wir vermögen nicht die An¬ sicht des Uebersetzers zu theilen, daß seine Arbeit die rechte Mitte halte zwi¬ schen unpassender Modernisierung und einer harten Diction, die sich zu unfrei

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/238>, abgerufen am 08.01.2025.