Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.Daß die große, stylvolle Auffassung die Fülle und Wärme des sinnlichen Daß vornehmlich der Idealismus, wenn er, wie bei Rahl, mit kräftigem Daß die große, stylvolle Auffassung die Fülle und Wärme des sinnlichen Daß vornehmlich der Idealismus, wenn er, wie bei Rahl, mit kräftigem <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0226" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114006"/> <p xml:id="ID_652"> Daß die große, stylvolle Auffassung die Fülle und Wärme des sinnlichen<lb/> Lebens, die Energie des wirklichen Daseins wohl in sich aufzunehmen vermag,<lb/> das hat noch neuerdings Karl Na si in seinen Cartons für das Hochschulge¬<lb/> bäude in Athen und das Wiener Arsenal bewiesen. Bekanntlich weiß Rahl<lb/> mit der idealen Anschauung der Form ein tiefes und Sattes Colorit zu verei¬<lb/> nigen und uns so die Schönheit der alten Welt lebendig nahe zu bringen; läßt<lb/> ihn bisweilen seine bewegte, auf das volle Le,ben gerichtete Phantasie zur fei¬<lb/> neren Durchbildung der Form nicht die Rast, so entschädigt er dafür durch den<lb/> Schwung der Gestalten und die Gluth der Farbe. Aber auch für die sinnvolle,<lb/> beziebungsreiche Durchführung einer monumentalen Idee in einer Reihe von<lb/> Bildern hat sich nun sein Talent in jenen Cartons bewährt. In den sür Athen<lb/> bestimmten Kalte er den Gang der geistigen Bildung des alten Griechenlands<lb/> darzustellen, und hier zeigt sich, daß der Künstler im malerischen Fluß und Bau<lb/> der Anordnung das innere Verhältniß der hohen Gestalten, in denen sich die<lb/> griechische Cultur verkörpert hat, zur Erscheinung herauszubilden gewußt hat.<lb/> Zugleich hat die stille Milde und Reinheit des Stoffs aus die körperliche Bil¬<lb/> dung klärend und mäßigend zurückgewirkt. Die Figuren sind mit einem feine¬<lb/> ren Gefühl für Form geschaffen, sie athmen die sanfte, reine Luft eines Daseins,<lb/> das von dem Mangel wie der überflüssigen Fülle der Wirklichkeit gleich frei ist,<lb/> ohne darum weniger lebendig, zu sein, — In den Entwürfen für das Wiener<lb/> Arsenal hat Rahl den Beweis geliefert, daß sich ein mannigfaltiges Ganze, das<lb/> einen Reichthum zusammenhängender Motive enthält, ganz wohl in bildlichen<lb/> Darstellungen auseinanderlegen, daß sich in der monumentalen Kunst die Be¬<lb/> ziehung der Gedanken vollkommen ausdrücken läßt, ohne der künstlerischen<lb/> Selbständigkeit der einzelnen Gemälde Abbruch zu thun. Der geistvolle Plan<lb/> ist schon östers mitgetheilt. Das Allegorische hat Rahl glücklich vermieden,<lb/> indem er an seine Stelle bestimmte, malerische Typen setzte, die der Anschauung<lb/> geläufig sind; in den Schlachten zeigte sich durch die glückliche, die Hauptge¬<lb/> stalten hervorhebende Anordnung, daß auch der geschichtliche Borgang sich im<lb/> Sinne der Kunst verbildlichen läßt: wie denn in den monumentalen Werken<lb/> schon durch den Raum und das Verhältniß der einzelnen Bilder das Historische<lb/> leichter und faßlicher in die Anschauung eingeht. Vornehmlich aber hat der<lb/> Künstler in dem Fries, der die epische Urgeschichte des Landes in die ersten<lb/> historischen Kämpfe überleitet, sein Stylgefühl und seinen phantasievoll gestal¬<lb/> tenden Sinn auf'S Neue bewährt. Eine allzurciche Häufung der Figuren, ein<lb/> bisweilen zu gewaltsamer Schwung der Bewegung und eine gewisse Wucht der<lb/> Form in einigen Compositionen wären wohl bei der Ausführung auf das rich¬<lb/> tige Maß der Schönheit zurückgeführt worden.</p><lb/> <p xml:id="ID_653" next="#ID_654"> Daß vornehmlich der Idealismus, wenn er, wie bei Rahl, mit kräftigem<lb/> Lebenssinn die Fülle und Energie des wirklichen Daseins läuternd in sich herein-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0226]
Daß die große, stylvolle Auffassung die Fülle und Wärme des sinnlichen
Lebens, die Energie des wirklichen Daseins wohl in sich aufzunehmen vermag,
das hat noch neuerdings Karl Na si in seinen Cartons für das Hochschulge¬
bäude in Athen und das Wiener Arsenal bewiesen. Bekanntlich weiß Rahl
mit der idealen Anschauung der Form ein tiefes und Sattes Colorit zu verei¬
nigen und uns so die Schönheit der alten Welt lebendig nahe zu bringen; läßt
ihn bisweilen seine bewegte, auf das volle Le,ben gerichtete Phantasie zur fei¬
neren Durchbildung der Form nicht die Rast, so entschädigt er dafür durch den
Schwung der Gestalten und die Gluth der Farbe. Aber auch für die sinnvolle,
beziebungsreiche Durchführung einer monumentalen Idee in einer Reihe von
Bildern hat sich nun sein Talent in jenen Cartons bewährt. In den sür Athen
bestimmten Kalte er den Gang der geistigen Bildung des alten Griechenlands
darzustellen, und hier zeigt sich, daß der Künstler im malerischen Fluß und Bau
der Anordnung das innere Verhältniß der hohen Gestalten, in denen sich die
griechische Cultur verkörpert hat, zur Erscheinung herauszubilden gewußt hat.
Zugleich hat die stille Milde und Reinheit des Stoffs aus die körperliche Bil¬
dung klärend und mäßigend zurückgewirkt. Die Figuren sind mit einem feine¬
ren Gefühl für Form geschaffen, sie athmen die sanfte, reine Luft eines Daseins,
das von dem Mangel wie der überflüssigen Fülle der Wirklichkeit gleich frei ist,
ohne darum weniger lebendig, zu sein, — In den Entwürfen für das Wiener
Arsenal hat Rahl den Beweis geliefert, daß sich ein mannigfaltiges Ganze, das
einen Reichthum zusammenhängender Motive enthält, ganz wohl in bildlichen
Darstellungen auseinanderlegen, daß sich in der monumentalen Kunst die Be¬
ziehung der Gedanken vollkommen ausdrücken läßt, ohne der künstlerischen
Selbständigkeit der einzelnen Gemälde Abbruch zu thun. Der geistvolle Plan
ist schon östers mitgetheilt. Das Allegorische hat Rahl glücklich vermieden,
indem er an seine Stelle bestimmte, malerische Typen setzte, die der Anschauung
geläufig sind; in den Schlachten zeigte sich durch die glückliche, die Hauptge¬
stalten hervorhebende Anordnung, daß auch der geschichtliche Borgang sich im
Sinne der Kunst verbildlichen läßt: wie denn in den monumentalen Werken
schon durch den Raum und das Verhältniß der einzelnen Bilder das Historische
leichter und faßlicher in die Anschauung eingeht. Vornehmlich aber hat der
Künstler in dem Fries, der die epische Urgeschichte des Landes in die ersten
historischen Kämpfe überleitet, sein Stylgefühl und seinen phantasievoll gestal¬
tenden Sinn auf'S Neue bewährt. Eine allzurciche Häufung der Figuren, ein
bisweilen zu gewaltsamer Schwung der Bewegung und eine gewisse Wucht der
Form in einigen Compositionen wären wohl bei der Ausführung auf das rich¬
tige Maß der Schönheit zurückgeführt worden.
Daß vornehmlich der Idealismus, wenn er, wie bei Rahl, mit kräftigem
Lebenssinn die Fülle und Energie des wirklichen Daseins läuternd in sich herein-
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