Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.sein neues Bild, der Einzug Luthers in Worms. bringt es nur zu einer schwe¬ Was sonst noch von neuesten Bildern der hier besprochenen Gattungen in Indessen überläßt man die Durchbildung der Form dem Idealismus. sein neues Bild, der Einzug Luthers in Worms. bringt es nur zu einer schwe¬ Was sonst noch von neuesten Bildern der hier besprochenen Gattungen in Indessen überläßt man die Durchbildung der Form dem Idealismus. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0222" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114002"/> <p xml:id="ID_644" prev="#ID_643"> sein neues Bild, der Einzug Luthers in Worms. bringt es nur zu einer schwe¬<lb/> ren und äußerlichen Charakteristik, dazu drängen sich die Nebendinge hervor,<lb/> ohne daß sie durch eine malerische Behandlung Reiz erhielten. Plüddemanns<lb/> Barbarossa auf dem Reichstage zu Besanyon ist ein Eostümbild: der Ausdruck<lb/> beschränkt sich auf übertriebene Bewegungen und große Augen, und hier zeigen<lb/> sich alle Nachtheile einer ungeschickten Stoffwahl.</p><lb/> <p xml:id="ID_645"> Was sonst noch von neuesten Bildern der hier besprochenen Gattungen in<lb/> Köln zu sehen war. zeigt nur zu deutlich, daß die Künstler an jener gefährlichen<lb/> Klippe gescheitert sind. Sie haben die geschichtlichen Motive nur äußerlich auf¬<lb/> genommen, den Inhalt in conventionellen Ausdruck und theatralischen Bewe¬<lb/> gungen angedeutet; an der bunten sich vordrängenden Pracht der Stoffe und<lb/> Geräthe mag sich das Auge nicht erfreuen. Aber noch schlimmer ist, daß Goethe<lb/> hier Recke erhält, indem er sagte, daß es den deutschen Künstlern schwer sei,<lb/> vom Formlosen zur Gestalt überzugehen; es fehlt, um auf den früher berührten<lb/> Punkt zurückzukommen, an dem Grundelemente der Kunst, an dem Verständniß,<lb/> an der Durchbildung der Form. Die Blöße der deutschen Kunst kommt hier,<lb/> wo die Frage nach dem Inhalt zurücktritt, unverhüllt an den Tag. ß Man scheint<lb/> vergessen zu haben, daß „das Kunstwerk, nur indem es das sinnliche Anschauen<lb/> befriedigt, den Geist in seine höchsten Regionen erhebt." Denn hiezu genügt es<lb/> nicht, mit einer gewissen koloristischen Bravour, welche sich neuerdings Einige,<lb/> z. B. I. Czermak, aus der Fremde geholt haben, den warmen und blendenden<lb/> Schein des blos sinnlichen Lebens anzustreben: vor Allem ist die Herrschaft über<lb/> die Form und Bewegung erforderlich, um die Wirklichkeit als durchdrungen von<lb/> ihrer Seele darzustellen, um die Erscheinung von ihren zufälligen Härten und<lb/> Trübungen zu befreien und den Körper als das feste, lebendige und edel ge¬<lb/> bildete, freie Organ des Geistes zu behandeln. Denn auch in der durch Kampf<lb/> und Noth gebrochenen Gestalt, welche in der Malerei wohl Platz hat, muß die<lb/> Form richtig verstanden und künstlerisch vollkommen wiedergegeben sein. Zu¬<lb/> gegeben, daß die moderne Kunst die reale Welt der Geschichte, soweit sie ma¬<lb/> lerisch werden kann, in ihren Kreis zu ziehen und andrerseits die Nachbildung<lb/> der realen Erscheinung in ihrer Fülle und Bestimmtheit zu lernen hat: so muß<lb/> sie, um beides zu erreichen, vorab der Form Meister werden. Noch bei allen<lb/> realistischen Durchgängen, welche die Kunst während ihrer großen Epochen ge¬<lb/> macht hat. z. B. in Masaccio, Ghirlandajo. Mantegna. ist sie auf diesem Wege<lb/> zur Vollendung gelangt, nicht indem sie zuerst das Colorit ausbildete. Und die<lb/> deutsche Malerei glaubt ihr Ziel zu erreichen, indem sie das Verhältniß um¬<lb/> kehrt, jenes Element vernachlässigt und dieses entwickelt? Also in dem einen<lb/> unreif und unfertig meint sie im andern es zur Meisterschaft bringen zu<lb/> können?</p><lb/> <p xml:id="ID_646" next="#ID_647"> Indessen überläßt man die Durchbildung der Form dem Idealismus.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0222]
sein neues Bild, der Einzug Luthers in Worms. bringt es nur zu einer schwe¬
ren und äußerlichen Charakteristik, dazu drängen sich die Nebendinge hervor,
ohne daß sie durch eine malerische Behandlung Reiz erhielten. Plüddemanns
Barbarossa auf dem Reichstage zu Besanyon ist ein Eostümbild: der Ausdruck
beschränkt sich auf übertriebene Bewegungen und große Augen, und hier zeigen
sich alle Nachtheile einer ungeschickten Stoffwahl.
Was sonst noch von neuesten Bildern der hier besprochenen Gattungen in
Köln zu sehen war. zeigt nur zu deutlich, daß die Künstler an jener gefährlichen
Klippe gescheitert sind. Sie haben die geschichtlichen Motive nur äußerlich auf¬
genommen, den Inhalt in conventionellen Ausdruck und theatralischen Bewe¬
gungen angedeutet; an der bunten sich vordrängenden Pracht der Stoffe und
Geräthe mag sich das Auge nicht erfreuen. Aber noch schlimmer ist, daß Goethe
hier Recke erhält, indem er sagte, daß es den deutschen Künstlern schwer sei,
vom Formlosen zur Gestalt überzugehen; es fehlt, um auf den früher berührten
Punkt zurückzukommen, an dem Grundelemente der Kunst, an dem Verständniß,
an der Durchbildung der Form. Die Blöße der deutschen Kunst kommt hier,
wo die Frage nach dem Inhalt zurücktritt, unverhüllt an den Tag. ß Man scheint
vergessen zu haben, daß „das Kunstwerk, nur indem es das sinnliche Anschauen
befriedigt, den Geist in seine höchsten Regionen erhebt." Denn hiezu genügt es
nicht, mit einer gewissen koloristischen Bravour, welche sich neuerdings Einige,
z. B. I. Czermak, aus der Fremde geholt haben, den warmen und blendenden
Schein des blos sinnlichen Lebens anzustreben: vor Allem ist die Herrschaft über
die Form und Bewegung erforderlich, um die Wirklichkeit als durchdrungen von
ihrer Seele darzustellen, um die Erscheinung von ihren zufälligen Härten und
Trübungen zu befreien und den Körper als das feste, lebendige und edel ge¬
bildete, freie Organ des Geistes zu behandeln. Denn auch in der durch Kampf
und Noth gebrochenen Gestalt, welche in der Malerei wohl Platz hat, muß die
Form richtig verstanden und künstlerisch vollkommen wiedergegeben sein. Zu¬
gegeben, daß die moderne Kunst die reale Welt der Geschichte, soweit sie ma¬
lerisch werden kann, in ihren Kreis zu ziehen und andrerseits die Nachbildung
der realen Erscheinung in ihrer Fülle und Bestimmtheit zu lernen hat: so muß
sie, um beides zu erreichen, vorab der Form Meister werden. Noch bei allen
realistischen Durchgängen, welche die Kunst während ihrer großen Epochen ge¬
macht hat. z. B. in Masaccio, Ghirlandajo. Mantegna. ist sie auf diesem Wege
zur Vollendung gelangt, nicht indem sie zuerst das Colorit ausbildete. Und die
deutsche Malerei glaubt ihr Ziel zu erreichen, indem sie das Verhältniß um¬
kehrt, jenes Element vernachlässigt und dieses entwickelt? Also in dem einen
unreif und unfertig meint sie im andern es zur Meisterschaft bringen zu
können?
Indessen überläßt man die Durchbildung der Form dem Idealismus.
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