Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.Mängel nicht entschädigen. Schon in Delaroche wirkt oft die Darstellung des Was die Darstellungen von Episoden aus welthistorischen Ereignissen und Mängel nicht entschädigen. Schon in Delaroche wirkt oft die Darstellung des Was die Darstellungen von Episoden aus welthistorischen Ereignissen und <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0221" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114001"/> <p xml:id="ID_642" prev="#ID_641"> Mängel nicht entschädigen. Schon in Delaroche wirkt oft die Darstellung des<lb/> tragischen Untergangs wie eine unaufgelöste Dissonanz, da die Schuld wie die<lb/> Versöhnung außerhalb des Bildes fallen, fallen müssen. Was soll uns nun<lb/> hier ein wenig sentimentaler Frömmigkeit, der die Seele fehlt, unter einer<lb/> Menge von anspruchsvollen Nebendingen? — ..Cromwell am Sterbebette sei¬<lb/> ner Tochter Mrs. Claypole" nennt sich ein anderes Bild des Künstlers; wir<lb/> versuchen es nicht zu enträthseln, was die ernährende Geberde der Tochter be¬<lb/> deuten soll, weshalb Cromwell sich abwendet. Schon im Milton, der seinen<lb/> Töchtern das verlorene Paradies dictirt (1855), zeigte Schrader, daß er in der<lb/> Wahl seiner Motive nicht glücklich ist: wenn es ihm auch gelungen sein sollte,<lb/> wie Einige behaupten, dem Kopfe Miltons den Ausdruck zugleich der Blindheit<lb/> und der Begeisterung des innern Schaffens zu geben. Schade um das colo-<lb/> ristische Talent, welches sich auch im Cromwell zeigt, daß es nicht an ein¬<lb/> sanken und malerischen Stoffen sich zu bilden sucht. — Auch ein Cromwell.<lb/> der sich besinnt, ob er die Krone annehmen soll, war wieder auf der Ausstel¬<lb/> lung: daß sich die Künstler aus den großen Bewegungen der Völker so oft die<lb/> Momente suchen, welche so recht eigentlich in das Gebiet des Geschichtsschrei¬<lb/> bers gehören! Lieber noch sterbende Könige, wie sie Hübner vorzuführen ver¬<lb/> sucht hat. obwohl hier in dem physischen Auflösungsproceß der Inhalt und<lb/> Ausgang eines mächtigen und wechselvollen Lebens, statt zu erscheinen, vielmehr<lb/> vergraben werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_643" next="#ID_644"> Was die Darstellungen von Episoden aus welthistorischen Ereignissen und<lb/> von Nebenvorgängen der Geschichte betrifft: so liegt hier dem Maler die Ge¬<lb/> fahr noch näher, in einer äußerlichen Auffassung und in der Ueberfülle des<lb/> Details stecken zu bleiben. Entweder klingt in der Begebenheit die Seele einer<lb/> mächtigen Katastrophe zu entfernt und unbestimmt an?"als daß sich an ihr die<lb/> Phantasie des Künstlers entzünden könnte; oder handelt es sich um einen mehr<lb/> bedeutungsvollen Moment, welcher eine große That einleitet oder ihr nachfolgt,<lb/> so hält auch hier die Breite der culturgeschichtlichen Umgebung den Maler fest.<lb/> Im günstigen Falle gibt dieser ein Bild vom Charakter der Zeit; bei beiderlei<lb/> Motiven bringt er es um so weniger zum erfüllten Ausdruck des die Personen<lb/> bewegenden Inhaltes und zum charakteristischen Leben in der Form und Be¬<lb/> wegung, als es ihm in der gründlichen Kenntniß der Bedingungen seiner Kunst<lb/> fehlt. Hätte er diese, wäre er Herr über die Mittel der Darstellung, so würde<lb/> er doch auch in jene Stoffe mehr Fluß und Seele bringen können. Einige<lb/> Maler, wie Martersteig und Plüddeman n, suchen jene Schwierigkeiten zu<lb/> überwinden, indem sie sich an Vorfälle halten, die mit welthistorischen Wendepunk¬<lb/> ten im Zusammenhange stehen; der eine entnimmt der Reformation, der an¬<lb/> dere gerne dem Leben des Kolumbus seine Stoffe. Martersteig hat sich in<lb/> Delaroche's Atelier ein gewisses Geschick der Individualisirung erworben: aber</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0221]
Mängel nicht entschädigen. Schon in Delaroche wirkt oft die Darstellung des
tragischen Untergangs wie eine unaufgelöste Dissonanz, da die Schuld wie die
Versöhnung außerhalb des Bildes fallen, fallen müssen. Was soll uns nun
hier ein wenig sentimentaler Frömmigkeit, der die Seele fehlt, unter einer
Menge von anspruchsvollen Nebendingen? — ..Cromwell am Sterbebette sei¬
ner Tochter Mrs. Claypole" nennt sich ein anderes Bild des Künstlers; wir
versuchen es nicht zu enträthseln, was die ernährende Geberde der Tochter be¬
deuten soll, weshalb Cromwell sich abwendet. Schon im Milton, der seinen
Töchtern das verlorene Paradies dictirt (1855), zeigte Schrader, daß er in der
Wahl seiner Motive nicht glücklich ist: wenn es ihm auch gelungen sein sollte,
wie Einige behaupten, dem Kopfe Miltons den Ausdruck zugleich der Blindheit
und der Begeisterung des innern Schaffens zu geben. Schade um das colo-
ristische Talent, welches sich auch im Cromwell zeigt, daß es nicht an ein¬
sanken und malerischen Stoffen sich zu bilden sucht. — Auch ein Cromwell.
der sich besinnt, ob er die Krone annehmen soll, war wieder auf der Ausstel¬
lung: daß sich die Künstler aus den großen Bewegungen der Völker so oft die
Momente suchen, welche so recht eigentlich in das Gebiet des Geschichtsschrei¬
bers gehören! Lieber noch sterbende Könige, wie sie Hübner vorzuführen ver¬
sucht hat. obwohl hier in dem physischen Auflösungsproceß der Inhalt und
Ausgang eines mächtigen und wechselvollen Lebens, statt zu erscheinen, vielmehr
vergraben werden.
Was die Darstellungen von Episoden aus welthistorischen Ereignissen und
von Nebenvorgängen der Geschichte betrifft: so liegt hier dem Maler die Ge¬
fahr noch näher, in einer äußerlichen Auffassung und in der Ueberfülle des
Details stecken zu bleiben. Entweder klingt in der Begebenheit die Seele einer
mächtigen Katastrophe zu entfernt und unbestimmt an?"als daß sich an ihr die
Phantasie des Künstlers entzünden könnte; oder handelt es sich um einen mehr
bedeutungsvollen Moment, welcher eine große That einleitet oder ihr nachfolgt,
so hält auch hier die Breite der culturgeschichtlichen Umgebung den Maler fest.
Im günstigen Falle gibt dieser ein Bild vom Charakter der Zeit; bei beiderlei
Motiven bringt er es um so weniger zum erfüllten Ausdruck des die Personen
bewegenden Inhaltes und zum charakteristischen Leben in der Form und Be¬
wegung, als es ihm in der gründlichen Kenntniß der Bedingungen seiner Kunst
fehlt. Hätte er diese, wäre er Herr über die Mittel der Darstellung, so würde
er doch auch in jene Stoffe mehr Fluß und Seele bringen können. Einige
Maler, wie Martersteig und Plüddeman n, suchen jene Schwierigkeiten zu
überwinden, indem sie sich an Vorfälle halten, die mit welthistorischen Wendepunk¬
ten im Zusammenhange stehen; der eine entnimmt der Reformation, der an¬
dere gerne dem Leben des Kolumbus seine Stoffe. Martersteig hat sich in
Delaroche's Atelier ein gewisses Geschick der Individualisirung erworben: aber
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