Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.Handlung, um die Lösung eines großen Conflictes handelt!, dem Sittenbild¬ Unter denen, welche vorzugsweise historische Personen in der Zurückgezogenheit So hatten seine Menschen, indem sie in ihrer äußern Erscheinung ganz Handlung, um die Lösung eines großen Conflictes handelt!, dem Sittenbild¬ Unter denen, welche vorzugsweise historische Personen in der Zurückgezogenheit So hatten seine Menschen, indem sie in ihrer äußern Erscheinung ganz <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0220" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114000"/> <p xml:id="ID_639" prev="#ID_638"> Handlung, um die Lösung eines großen Conflictes handelt!, dem Sittenbild¬<lb/> lichen, dem allgemeinen Boden der äußern Lebensformen, der Gewohnheit des<lb/> Daseins, dem Local. Cosiüm, Geräthe, mehr Raum gegeben; der Beschauer soll<lb/> zugleich sehen/wie es sich damals im Hause, auf dem Markte lebte, wie die<lb/> Menschen verkehrten und sich geberdeten. Hier insbesondere liegt die Gefahr<lb/> nahe, daß unter dem malerischen Reiz des Beiwerks die Seele und der Charak¬<lb/> ter der Personen verloren gehen, die Form unter dem Costüm erstarrt. Denn<lb/> auch die BeHandlungsweise drängt sich nun mehr hervor als die Auffassung;<lb/> vornehmlich in der neuesten Zeit, da man zum Bewußtsein gekommen ist. das<lb/> eigentliche Handwerk des Malers vernachlässigt zu haben und nun in der un¬<lb/> gestümen Hast des Nachholens, in der Freude des Probirens die Grenze über¬<lb/> springt.</p><lb/> <p xml:id="ID_640"> Unter denen, welche vorzugsweise historische Personen in der Zurückgezogenheit<lb/> mehr innerlichen Lebens darstellen, hat sich Julius Schrader hervorgethan.<lb/> Seine Bilder bestehen immer in einfachen Situationen weniger Hauptfiguren.<lb/> In der Maria Stuart, welche sich am Hausaltar knieend vor ihrer Hinrichtung<lb/> die Hostie reicht, während ihr zur Seite auf dem mittleren Plan eine Beglei¬<lb/> terin, wohl ihre Amme Kennedy/ betet, hat der Maler die innige Sammlung<lb/> der jugendlich reizenden Frau in diesem schweren Augenblicke, die Ergebenheit<lb/> in ihr Schicksal darzustellen versucht. Offenbar war ihm Delaroche Vorbild;<lb/> auch dieser behandelte große Individuen, die dem Verhängniß eines in den<lb/> Kampf mit der Well verwickelten Lebens verfallen sind, sei es in dem bangen,<lb/> ahnungsvollen Momente vor der hereinbrechenden Katastrophe, sei es in dem<lb/> gefaßten Leiden des erfüllten Geschicks, in der Erwartung des letzten vernich¬<lb/> tenden Schlages. Aber er verstand es, die Gestalten mit ihrem Pathos bis<lb/> zur Fußspitze zu durchdringen» ihnen eine selbständige, charaktervoll in sich ru¬<lb/> hende Existenz zu geben, die Empfindung als bewegte Seele aus ihnen sprechen<lb/> zu lassen und doch wieder als den geheimen Grund des Lebens fest in sie<lb/> niederzulegen. Dazu kam der Adel der vollendeten Form und Bewegung.</p><lb/> <p xml:id="ID_641" next="#ID_642"> So hatten seine Menschen, indem sie in ihrer äußern Erscheinung ganz<lb/> das Gewand ihrer Zeit trugen, den Wurf und die Tiefe eines erfüllten Le¬<lb/> bens; alles Beiwerk erschien nur als Mittel. Schrader's Maria Stuart hat<lb/> nichts von diesem innerlichen Zug des Gefühls und der voll in sich abgeschlos¬<lb/> senen Existenz, sie ist keine Maria Stuart, trotz aller auf das Costüm verwen¬<lb/> deten Sorgfall, der Ausdruck ist ohne Seele; die Bildung des Gesichts ist nicht<lb/> einmal reizend, denn es fehlt an der richtigen Form. Dazu ist die Anordnung<lb/> des Ganzen ohne Schwung, es führt kein Fluß, keine Linie von der Maria zu<lb/> Kennedy, sie stoßen in einem Winkel an einander, ebenso sind die Gestalten<lb/> selber ohne die Anmuth der in sich abgerundeten körperlichen Bildung. Auch<lb/> der Ansatz zu einer gewissen Gluth und Tiefe des Colorits kann für diese</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0220]
Handlung, um die Lösung eines großen Conflictes handelt!, dem Sittenbild¬
lichen, dem allgemeinen Boden der äußern Lebensformen, der Gewohnheit des
Daseins, dem Local. Cosiüm, Geräthe, mehr Raum gegeben; der Beschauer soll
zugleich sehen/wie es sich damals im Hause, auf dem Markte lebte, wie die
Menschen verkehrten und sich geberdeten. Hier insbesondere liegt die Gefahr
nahe, daß unter dem malerischen Reiz des Beiwerks die Seele und der Charak¬
ter der Personen verloren gehen, die Form unter dem Costüm erstarrt. Denn
auch die BeHandlungsweise drängt sich nun mehr hervor als die Auffassung;
vornehmlich in der neuesten Zeit, da man zum Bewußtsein gekommen ist. das
eigentliche Handwerk des Malers vernachlässigt zu haben und nun in der un¬
gestümen Hast des Nachholens, in der Freude des Probirens die Grenze über¬
springt.
Unter denen, welche vorzugsweise historische Personen in der Zurückgezogenheit
mehr innerlichen Lebens darstellen, hat sich Julius Schrader hervorgethan.
Seine Bilder bestehen immer in einfachen Situationen weniger Hauptfiguren.
In der Maria Stuart, welche sich am Hausaltar knieend vor ihrer Hinrichtung
die Hostie reicht, während ihr zur Seite auf dem mittleren Plan eine Beglei¬
terin, wohl ihre Amme Kennedy/ betet, hat der Maler die innige Sammlung
der jugendlich reizenden Frau in diesem schweren Augenblicke, die Ergebenheit
in ihr Schicksal darzustellen versucht. Offenbar war ihm Delaroche Vorbild;
auch dieser behandelte große Individuen, die dem Verhängniß eines in den
Kampf mit der Well verwickelten Lebens verfallen sind, sei es in dem bangen,
ahnungsvollen Momente vor der hereinbrechenden Katastrophe, sei es in dem
gefaßten Leiden des erfüllten Geschicks, in der Erwartung des letzten vernich¬
tenden Schlages. Aber er verstand es, die Gestalten mit ihrem Pathos bis
zur Fußspitze zu durchdringen» ihnen eine selbständige, charaktervoll in sich ru¬
hende Existenz zu geben, die Empfindung als bewegte Seele aus ihnen sprechen
zu lassen und doch wieder als den geheimen Grund des Lebens fest in sie
niederzulegen. Dazu kam der Adel der vollendeten Form und Bewegung.
So hatten seine Menschen, indem sie in ihrer äußern Erscheinung ganz
das Gewand ihrer Zeit trugen, den Wurf und die Tiefe eines erfüllten Le¬
bens; alles Beiwerk erschien nur als Mittel. Schrader's Maria Stuart hat
nichts von diesem innerlichen Zug des Gefühls und der voll in sich abgeschlos¬
senen Existenz, sie ist keine Maria Stuart, trotz aller auf das Costüm verwen¬
deten Sorgfall, der Ausdruck ist ohne Seele; die Bildung des Gesichts ist nicht
einmal reizend, denn es fehlt an der richtigen Form. Dazu ist die Anordnung
des Ganzen ohne Schwung, es führt kein Fluß, keine Linie von der Maria zu
Kennedy, sie stoßen in einem Winkel an einander, ebenso sind die Gestalten
selber ohne die Anmuth der in sich abgerundeten körperlichen Bildung. Auch
der Ansatz zu einer gewissen Gluth und Tiefe des Colorits kann für diese
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