Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.noch Kaufmann, war ein rücksichtslos heftiger und zäher Charakter, in poli¬ Seine Mutter wünschte, er solle nach Altenburg gehen. Er aber zog es !) Es ist die bekannte Johanna Schopenhauer.
noch Kaufmann, war ein rücksichtslos heftiger und zäher Charakter, in poli¬ Seine Mutter wünschte, er solle nach Altenburg gehen. Er aber zog es !) Es ist die bekannte Johanna Schopenhauer.
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0188" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/113968"/> <p xml:id="ID_511" prev="#ID_510"> noch Kaufmann, war ein rücksichtslos heftiger und zäher Charakter, in poli¬<lb/> tischen Dingen Aristokrat und Preußcnfeind, im Uebrigen Weltmann, Liebhaber<lb/> französischer und englischer Sitten und Freund vom Reisen, Die Mutter des<lb/> Philosophen, eine geborene Trosiener, anmuthig, gesellig, zu allerlei Vergnü¬<lb/> gungen geneigt, nicht ohne gute Talente, später als Schriftstellerin thätig*)/<lb/> wählte den viel älteren Gatten nicht aus Neigung. Als im März 1793 der<lb/> Freistaat Danzig der preußischen Monarchie einverleibt wurde, wanderte die<lb/> Schopenhauersche Familie nach Hamburg aus, wo sie, mit mancherlei Unter¬<lb/> brechungen durch Reisen, zwölf Jahre verblieb. Frühzeitig lernte der Knabe<lb/> auf diesen Reisen die Welt kennen und namentlich Frankreich, wo er vom<lb/> neunten bis zum elften Jahre bei einem Geschäftsfreund seines Vaters lebte<lb/> und sich so sehr zum Franzosen umwandelte, daß er selbst seine Muttersprache<lb/> vergaß. Heimgekehrt sollte er sich zum Kaufmannsstand vorbereiten; zwar ge¬<lb/> lang es seiner früh erwachten Neigung zur Wissenschaft endliche den Vater zu<lb/> bewegen, ihn das Gymnasium beziehen zu lassen, doch wurde er von diesem<lb/> noch vor endgiltiger Beschlußfassung durch das Versprechen einer längeren<lb/> Reise ins Ausland umgestimmt, die ihn in den Jahren 1803 und 1804 nach<lb/> Belgien, England, Frankreich und der Schweiz führte, und nach deren Been¬<lb/> digung er bei Senator Jenisch in die kaufmännische Lehre trat. Kurze Zeit<lb/> nachher erfolgte der plötzliche Tod seines Vaters, wie es scheint — denn er<lb/> litt an krankhaften Beängstigungen — durch Selbstentleibung, und dieser<lb/> Todesfall gab der Wittwe und dem Sohne eine Freiheit, welche beide, ihren<lb/> Charakteren gemäß, nach entgegengesetzten Richtungen führte. Jene siedelte<lb/> mit ihrer Tochter an Weimars Musenhof über, wo sie bald mit allen Be¬<lb/> rühmtheiten der Stadt befreundet wurde. Dieser verfolgte noch eine Zeit lang<lb/> mit Widerstreben die ihm verhaßte kaufmännische Laufbahn, erhielt aber end¬<lb/> lich von der Mutter auf den Rath Fernows die Erlaubniß, sich den gelehrten<lb/> Studien zu widmen, und bezog zu diesem Zweck zunächst das Gymnasium zu<lb/> Gotha, wo er rasche Fortschritte machte, sich aber bald durch hochmüthige<lb/> Verspottung eines Lehrers eine Demüthigung zuzog, die ihn von dort ver¬<lb/> trieb.</p><lb/> <p xml:id="ID_512" next="#ID_513"> Seine Mutter wünschte, er solle nach Altenburg gehen. Er aber zog es<lb/> vor. in Weimar zu bleiben und sich durch Privatstudium unter Passvws Lei¬<lb/> tung auf die Universität vorzubereiten. Doch wohnte er nicht im Hause der<lb/> Mutter, und zwar deshalb nicht, weil dieselbe'sich, durch das melancholische und zu¬<lb/> gleich dünkelhaft absprecherische Wesen des Sohnes unangenehm berührt fand.<lb/> Der junge Philosoph muß in der That schon damals der unleidliche Timon<lb/> gewesen sein, der später in Frankfurt Stadtsigur wurde. „Ich habe dir im-</p><lb/> <note xml:id="FID_13" place="foot"> !) Es ist die bekannte Johanna Schopenhauer.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0188]
noch Kaufmann, war ein rücksichtslos heftiger und zäher Charakter, in poli¬
tischen Dingen Aristokrat und Preußcnfeind, im Uebrigen Weltmann, Liebhaber
französischer und englischer Sitten und Freund vom Reisen, Die Mutter des
Philosophen, eine geborene Trosiener, anmuthig, gesellig, zu allerlei Vergnü¬
gungen geneigt, nicht ohne gute Talente, später als Schriftstellerin thätig*)/
wählte den viel älteren Gatten nicht aus Neigung. Als im März 1793 der
Freistaat Danzig der preußischen Monarchie einverleibt wurde, wanderte die
Schopenhauersche Familie nach Hamburg aus, wo sie, mit mancherlei Unter¬
brechungen durch Reisen, zwölf Jahre verblieb. Frühzeitig lernte der Knabe
auf diesen Reisen die Welt kennen und namentlich Frankreich, wo er vom
neunten bis zum elften Jahre bei einem Geschäftsfreund seines Vaters lebte
und sich so sehr zum Franzosen umwandelte, daß er selbst seine Muttersprache
vergaß. Heimgekehrt sollte er sich zum Kaufmannsstand vorbereiten; zwar ge¬
lang es seiner früh erwachten Neigung zur Wissenschaft endliche den Vater zu
bewegen, ihn das Gymnasium beziehen zu lassen, doch wurde er von diesem
noch vor endgiltiger Beschlußfassung durch das Versprechen einer längeren
Reise ins Ausland umgestimmt, die ihn in den Jahren 1803 und 1804 nach
Belgien, England, Frankreich und der Schweiz führte, und nach deren Been¬
digung er bei Senator Jenisch in die kaufmännische Lehre trat. Kurze Zeit
nachher erfolgte der plötzliche Tod seines Vaters, wie es scheint — denn er
litt an krankhaften Beängstigungen — durch Selbstentleibung, und dieser
Todesfall gab der Wittwe und dem Sohne eine Freiheit, welche beide, ihren
Charakteren gemäß, nach entgegengesetzten Richtungen führte. Jene siedelte
mit ihrer Tochter an Weimars Musenhof über, wo sie bald mit allen Be¬
rühmtheiten der Stadt befreundet wurde. Dieser verfolgte noch eine Zeit lang
mit Widerstreben die ihm verhaßte kaufmännische Laufbahn, erhielt aber end¬
lich von der Mutter auf den Rath Fernows die Erlaubniß, sich den gelehrten
Studien zu widmen, und bezog zu diesem Zweck zunächst das Gymnasium zu
Gotha, wo er rasche Fortschritte machte, sich aber bald durch hochmüthige
Verspottung eines Lehrers eine Demüthigung zuzog, die ihn von dort ver¬
trieb.
Seine Mutter wünschte, er solle nach Altenburg gehen. Er aber zog es
vor. in Weimar zu bleiben und sich durch Privatstudium unter Passvws Lei¬
tung auf die Universität vorzubereiten. Doch wohnte er nicht im Hause der
Mutter, und zwar deshalb nicht, weil dieselbe'sich, durch das melancholische und zu¬
gleich dünkelhaft absprecherische Wesen des Sohnes unangenehm berührt fand.
Der junge Philosoph muß in der That schon damals der unleidliche Timon
gewesen sein, der später in Frankfurt Stadtsigur wurde. „Ich habe dir im-
!) Es ist die bekannte Johanna Schopenhauer.
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