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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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gefaßt werden müssen. Keine gemeinsame Verwaltung und Vertretung des
Zollvereins ist vorhanden, um seine Einrichtungen nach den wechselnden Be¬
dürfnissen fortzubilden, und um den Widerstand des Einzelnen gegen nützliche,
ja nothwendige handelspolitische Maßnahmen zu brechen. - Keine Verfassung
überhebt das deutsche Handelsgebiet der Gefahr, mit Ablauf von je zwölf
Jahren in Stücke zu zerfallen, und sichert den Verkehr vor den Stockungen,
welche mit dem Fieber der Unsicherheit jeweiliger Vertragserneuerung ein oder
zwei Jahre anzudauern pflegen. Die Mängel einer Verfassung, Verwaltung
und Vertretung des deutschen Handelsbundes sind nicht etwa Fehler oder Ueber-
sehen derjenigen, die an der Gründung desselben und an dem Abschlüsse der
Verträge Theil genommen haben, sondern sie wurzeln in der deutschen Eigen¬
thümlichkeit, die es uns viel schwerer macht als es anderen Nationen geworden
ist, aus sich heraus die zu ihrer Sicherheit und ihrem Gedeihen erforderlichen
Einrichtungen zu gestalten. Aber mit dem erkannten Bedürfnisse wachsen die
Anstrengungen und bereiten Erfolge. Wenn der politische wie der Handels-
bund nur so, wie sie sind, oder gar nicht, zu Stande kommen konnten, so ist
doch die Nothwendigkeit von Reformen gegenwärtig allgemein anerkannt, und
für den Zollverein wird die Erkenntniß gerade durch den Umstand gefordert,
daß der Handelsvertrag mit Frankreich und der Fortbestand des Vereins fast
gleichzeitig in Frage kommen.

Die Uebereinkunft mit Frankreich enthält vier Verträge. Einen Handels-,
einen Schifffalntsvertrag, eine Uebereinkunft wegen der Zollabfertigung des
internationalen Verkehrs aus der Eisenbahn und eine Uebereinkunft wegen ge¬
genseitigen Schutzes der Rechte an Erzeugnissen der Literatur und der Künste.
Neben diesem Schutze gegen Nachdruck und Nachbildung, zu welche"! in
dem ersten Vertrag noch der Schutz der Muster und Fabrikzeichen kommt, ist
der Zweck des Ganzen die Erleichterung des Austausches der Erzeugnisse beider
Handelsgebiele durch Ermäßigung der Eingangszölle, Aufhebung der Durch-
und Ausgangsabgabcn (nur für Lumpen bleibt ein Ausfuhrzoll von l'V-> Thaler
pr. Centner), durch Erleichterung des Transports und durch freien Geschäfts¬
betrieb der Angehörigen des einen Landes in dem Gebiete des andern. --
Diese umfangreichen Dokumente sind nun von Preußen an seine Zollvcrbünde-
ten abgesendet, um ihre Zustimmung einzuholen. Besondere Eommissärc werden
sich für diesen Zweck bei den Regierungen in München, Stuttgart und Han¬
nover, wo vielleicht mehr als gewöhnliche Anstände besorgt werden, bemühen.
Der französische Bevollmächtigte, Herr de Clercq nimmt auf der Heimreise
von Berlin nach Paris seinen Weg durch Süddeutschland, wahrscheinlich in der
Absicht, dort einige Gründe gegen allzu lange Verschiebung der Entschließung
über "Annehmen oder Ablehnen" vorzutragen. In dem Schlußprotvtollc hat
Preußen seine eifrige Verwendung für den Beitritt der übrigen Zollvereins-


gefaßt werden müssen. Keine gemeinsame Verwaltung und Vertretung des
Zollvereins ist vorhanden, um seine Einrichtungen nach den wechselnden Be¬
dürfnissen fortzubilden, und um den Widerstand des Einzelnen gegen nützliche,
ja nothwendige handelspolitische Maßnahmen zu brechen. - Keine Verfassung
überhebt das deutsche Handelsgebiet der Gefahr, mit Ablauf von je zwölf
Jahren in Stücke zu zerfallen, und sichert den Verkehr vor den Stockungen,
welche mit dem Fieber der Unsicherheit jeweiliger Vertragserneuerung ein oder
zwei Jahre anzudauern pflegen. Die Mängel einer Verfassung, Verwaltung
und Vertretung des deutschen Handelsbundes sind nicht etwa Fehler oder Ueber-
sehen derjenigen, die an der Gründung desselben und an dem Abschlüsse der
Verträge Theil genommen haben, sondern sie wurzeln in der deutschen Eigen¬
thümlichkeit, die es uns viel schwerer macht als es anderen Nationen geworden
ist, aus sich heraus die zu ihrer Sicherheit und ihrem Gedeihen erforderlichen
Einrichtungen zu gestalten. Aber mit dem erkannten Bedürfnisse wachsen die
Anstrengungen und bereiten Erfolge. Wenn der politische wie der Handels-
bund nur so, wie sie sind, oder gar nicht, zu Stande kommen konnten, so ist
doch die Nothwendigkeit von Reformen gegenwärtig allgemein anerkannt, und
für den Zollverein wird die Erkenntniß gerade durch den Umstand gefordert,
daß der Handelsvertrag mit Frankreich und der Fortbestand des Vereins fast
gleichzeitig in Frage kommen.

Die Uebereinkunft mit Frankreich enthält vier Verträge. Einen Handels-,
einen Schifffalntsvertrag, eine Uebereinkunft wegen der Zollabfertigung des
internationalen Verkehrs aus der Eisenbahn und eine Uebereinkunft wegen ge¬
genseitigen Schutzes der Rechte an Erzeugnissen der Literatur und der Künste.
Neben diesem Schutze gegen Nachdruck und Nachbildung, zu welche»! in
dem ersten Vertrag noch der Schutz der Muster und Fabrikzeichen kommt, ist
der Zweck des Ganzen die Erleichterung des Austausches der Erzeugnisse beider
Handelsgebiele durch Ermäßigung der Eingangszölle, Aufhebung der Durch-
und Ausgangsabgabcn (nur für Lumpen bleibt ein Ausfuhrzoll von l'V-> Thaler
pr. Centner), durch Erleichterung des Transports und durch freien Geschäfts¬
betrieb der Angehörigen des einen Landes in dem Gebiete des andern. —
Diese umfangreichen Dokumente sind nun von Preußen an seine Zollvcrbünde-
ten abgesendet, um ihre Zustimmung einzuholen. Besondere Eommissärc werden
sich für diesen Zweck bei den Regierungen in München, Stuttgart und Han¬
nover, wo vielleicht mehr als gewöhnliche Anstände besorgt werden, bemühen.
Der französische Bevollmächtigte, Herr de Clercq nimmt auf der Heimreise
von Berlin nach Paris seinen Weg durch Süddeutschland, wahrscheinlich in der
Absicht, dort einige Gründe gegen allzu lange Verschiebung der Entschließung
über „Annehmen oder Ablehnen" vorzutragen. In dem Schlußprotvtollc hat
Preußen seine eifrige Verwendung für den Beitritt der übrigen Zollvereins-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/157>, abgerufen am 08.01.2025.