Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.Geschrei, und mit gutem Willen konnte man sich in eine einigermaßen feier¬ .MutrÄn-M-nul'!" (der Bischof des Lichts) flüsterte es überall in der Wer je den Meletios bei einer kirchlichen Function gesehn, wird ihr nicht Geschrei, und mit gutem Willen konnte man sich in eine einigermaßen feier¬ .MutrÄn-M-nul'!" (der Bischof des Lichts) flüsterte es überall in der Wer je den Meletios bei einer kirchlichen Function gesehn, wird ihr nicht <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0141" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/113921"/> <p xml:id="ID_380" prev="#ID_379"> Geschrei, und mit gutem Willen konnte man sich in eine einigermaßen feier¬<lb/> liche Stimmung versetzen. Zwei weitere Standartenbilder folgten den sechs<lb/> schon vorangetragenen, dann kam ein zahlreiches Chor geistlicher Sänger, der<lb/> Urheber jener längst vernommenen näselnder Laute nach Melodien, zu denen<lb/> man das Accompagnement eines bulgarischen Dudelsacks vermißte. Hinter den<lb/> Sängern schritten je zu zweien sechs Archimandriten in goldbrokatnen Meßge¬<lb/> wändern mit zeisiggrünen Grunde, diesen schloß sich eine lange Reihe von ein¬<lb/> heimischen Priestern, orthodoxen Arabern, in schwarzer Kleidung an. Dann<lb/> kamen zwei Bischöfe griechischer Nation, wie alle höheren Chargen ihrer Kirche,<lb/> in prachtvollen goldig bunten Kleidern, und nun folgte der Löwe des Tages.<lb/> Mclctios. der Erzbischof von Petra, durch dessen Hände die göttliche Allmacht<lb/> ihr Mirakel wirken sollte. Doch nicht unmittelbar hinter den Bischöfen, vor<lb/> ihm befanden sich zunächst zwei Kawassen. imposante Graubärte in blankem<lb/> Waffenschmuck, als ^Ehrenwache, und dann zwei jugendliche Diakonen, welche<lb/> rückwärts schreitend, mit schlanker Armbewegung ihre großen silbernen Rauch¬<lb/> pfannen gegen den Prälaten schwangen. Es waren diese Jünglinge wohl die<lb/> schönsten in der langen Reihe erlesener Männer, die an uns vorüberzogen, und<lb/> die antike Regelmäßigkeit der Züge, der sich in ihnen aussprechende, gleichsam<lb/> auf theosophische Meditation deutende melancholische Ernst, die blasse Hautfarbe,<lb/> die man als Folge strenger Ascese ansehn möchte, in ihrem Gegensatze zu den<lb/> rabenschwarzen, aus die Schultern herabwallenden Locken und dem wohlge¬<lb/> pflegten, noch nicht zu ganzer Fülle gediehenen dunkeln Bart würden jedes<lb/> Auge gefesselt haben, wenn nicht schon die ganze Aufmerksamkeit der Versamm¬<lb/> lung in der Betrachtung des Kirchenfürsten aufgegangen wäre.</p><lb/> <p xml:id="ID_381"> .MutrÄn-M-nul'!" (der Bischof des Lichts) flüsterte es überall in der<lb/> staunend verstummten Menge — es ist das der Titel, den der Erzbischof von<lb/> Petra i. p. nach dieser seiner Hauptfunction bei den arabischen Christen führt.<lb/> Niemand zweifelte an der Wunderkraft dieses Gottesmannes, und jede Hand,<lb/> die sich frei machen konnte, war eifrigst mit Kreuzschlagen bcschäfugt. Selbst<lb/> die puritanische Genossin meines Hahnenbalkens meinte, von dem Anblick hin¬<lb/> gerissen, nie so viel Würde und Anstand bei einem Sterblichen vereint gefunden<lb/> M haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_382" next="#ID_383"> Wer je den Meletios bei einer kirchlichen Function gesehn, wird ihr nicht<lb/> widersprechen. Man denke sich einen fast 80jährigen Greis, etwas mehr als<lb/> mittelgroß und gleichweit von Magerkeit, wie von lästiger Fülle des Körpers<lb/> entfernt, durch aufrechte Gestalt und sichern Schritt eine große Rüstigkeit bekun¬<lb/> dend, mit langem weißen Bart, in dessen Silberschimmer auch nicht ein einziges<lb/> dunkles Härlein seinen Schatten wirft, mit unter der reichen, von Edelsteinen<lb/> funkelnden Bischofsmütze hervorquellenden, nicht minder silberhellen Locken, ge¬<lb/> rade dünn genug, um von Niemandem als der natürliche Schmuck dieses Hauy-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0141]
Geschrei, und mit gutem Willen konnte man sich in eine einigermaßen feier¬
liche Stimmung versetzen. Zwei weitere Standartenbilder folgten den sechs
schon vorangetragenen, dann kam ein zahlreiches Chor geistlicher Sänger, der
Urheber jener längst vernommenen näselnder Laute nach Melodien, zu denen
man das Accompagnement eines bulgarischen Dudelsacks vermißte. Hinter den
Sängern schritten je zu zweien sechs Archimandriten in goldbrokatnen Meßge¬
wändern mit zeisiggrünen Grunde, diesen schloß sich eine lange Reihe von ein¬
heimischen Priestern, orthodoxen Arabern, in schwarzer Kleidung an. Dann
kamen zwei Bischöfe griechischer Nation, wie alle höheren Chargen ihrer Kirche,
in prachtvollen goldig bunten Kleidern, und nun folgte der Löwe des Tages.
Mclctios. der Erzbischof von Petra, durch dessen Hände die göttliche Allmacht
ihr Mirakel wirken sollte. Doch nicht unmittelbar hinter den Bischöfen, vor
ihm befanden sich zunächst zwei Kawassen. imposante Graubärte in blankem
Waffenschmuck, als ^Ehrenwache, und dann zwei jugendliche Diakonen, welche
rückwärts schreitend, mit schlanker Armbewegung ihre großen silbernen Rauch¬
pfannen gegen den Prälaten schwangen. Es waren diese Jünglinge wohl die
schönsten in der langen Reihe erlesener Männer, die an uns vorüberzogen, und
die antike Regelmäßigkeit der Züge, der sich in ihnen aussprechende, gleichsam
auf theosophische Meditation deutende melancholische Ernst, die blasse Hautfarbe,
die man als Folge strenger Ascese ansehn möchte, in ihrem Gegensatze zu den
rabenschwarzen, aus die Schultern herabwallenden Locken und dem wohlge¬
pflegten, noch nicht zu ganzer Fülle gediehenen dunkeln Bart würden jedes
Auge gefesselt haben, wenn nicht schon die ganze Aufmerksamkeit der Versamm¬
lung in der Betrachtung des Kirchenfürsten aufgegangen wäre.
.MutrÄn-M-nul'!" (der Bischof des Lichts) flüsterte es überall in der
staunend verstummten Menge — es ist das der Titel, den der Erzbischof von
Petra i. p. nach dieser seiner Hauptfunction bei den arabischen Christen führt.
Niemand zweifelte an der Wunderkraft dieses Gottesmannes, und jede Hand,
die sich frei machen konnte, war eifrigst mit Kreuzschlagen bcschäfugt. Selbst
die puritanische Genossin meines Hahnenbalkens meinte, von dem Anblick hin¬
gerissen, nie so viel Würde und Anstand bei einem Sterblichen vereint gefunden
M haben.
Wer je den Meletios bei einer kirchlichen Function gesehn, wird ihr nicht
widersprechen. Man denke sich einen fast 80jährigen Greis, etwas mehr als
mittelgroß und gleichweit von Magerkeit, wie von lästiger Fülle des Körpers
entfernt, durch aufrechte Gestalt und sichern Schritt eine große Rüstigkeit bekun¬
dend, mit langem weißen Bart, in dessen Silberschimmer auch nicht ein einziges
dunkles Härlein seinen Schatten wirft, mit unter der reichen, von Edelsteinen
funkelnden Bischofsmütze hervorquellenden, nicht minder silberhellen Locken, ge¬
rade dünn genug, um von Niemandem als der natürliche Schmuck dieses Hauy-
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