Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.Pflege der vernachlässigten öffentlichen Interessen, endlich, Vorlagen des Staats- Dem Kriegsminister, Hrn. v. Roon, ist sehr viel daran gelegen, eine Ma¬ Grenzboten II. 1862. 1ö
Pflege der vernachlässigten öffentlichen Interessen, endlich, Vorlagen des Staats- Dem Kriegsminister, Hrn. v. Roon, ist sehr viel daran gelegen, eine Ma¬ Grenzboten II. 1862. 1ö
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Pflege der vernachlässigten öffentlichen Interessen, endlich, Vorlagen des Staats-
Haushaits-Etats in einer Specialisirung, wie das Haus der Abgeordneten sie
begehrt hatte. Daß an der Specialisirung im Finanzministerium eifrig gear¬
beitet wird, haben Berliner-Blätter berichtet, und es ist nicht widersprochen worden.
Daß aber Hr. v. d. Heydt die Wähler mit der Ankündigung von Ersparnissen zu
überraschen gedachte, dies ist aus seinem Briefe an den Kriegsminister vom 21. März
^ wenige Tage nach der Ernennung des neuen Ministeriums — bekannt geworden.
Dieser Brief ist durch die Vossische Zeitung, welcher Niemand eine so boshafte
Handlung zugetraut hätte, veröffentlicht, und seine Echtheit ist durch die, zur
Ermittelung des strafbaren Einsenders eingeleitete strenge Untersuchung bestä¬
tigt worden.
Dem Kriegsminister, Hrn. v. Roon, ist sehr viel daran gelegen, eine Ma¬
jorität für seine Anforderungen an die Staatskasse zu erlangen. Wenn man
überhaupt mit Abgeordneten verhandeln muß, so ist diese sür den Kriegsmini¬
ster besonders traurige Nothwendigkeit durch energisches Einwirken für „gute"
Wahlen möglichst erträglich zu machen. Es scheint, daß Hrn. v. Roon die Wahl-
circulare und die von den Landräthen entwickelte Thätigkeit noch viel zu wün¬
schen übrig ließen, und daß ihm jedes nach seiner Auffassung zulässige Mittel
zur Verstärkung jener Thätigkeit angenehm erscheine. Von dieser Seite nähert
sich Hr. v. d. Heydt seinem Collegen mit der Darlegung des Satzes: daß kein
Mittel helfen werde, wenn nicht der Militäraufwand um 2V- Millionen Tha¬
ler ermäßigt und der Steuerzuschlag von 25 Procent aufgehoben werde. Mit
der Sachkenntniß eines Grabowiten, und mit dem scharfen Tone eines Fort¬
schrittsmannes sucht Hr. v. d. Heydt seinen Collegen zu überzeugen und er schlägt
die Saite des engsten Vertrauens an, indem er ihn daran erinnert: „daß in allen
übrigen Verwaltungszweigen schon seit Jahren die größtmöglichste Beschränkung
der Ausgaben stattgefunden hat, um nur einige Mittel zur Verminderung des
durch die Mehrbedürfnisse der Militärverwaltung entstandenen Deficits im Staats¬
haushalte zu gewinnen, und wenigstens den Schein zu retten, daß die Re¬
gierung bestrebt sei die desfalls wiederholt gemachten Zusagen zu erfüllen. Die
Folge davon ist gewesen, daß die wegen Mangel an Deckungsmitteln zurückge¬
stellten Bedürfnisse von Jahr zu Jahr stiegen, und je länger je mehr fühlbar
geworden sind, so daß es ohne Nachtheil für die Wohlfahrt des Landes nicht
länger thunlich sein wird, dieselben noch weiterhin unberücksichtigt
6" lassen, und die vielfachen Anträge, welche bei Gelegenheit der Budget¬
berathung im Landtage auf Erhöhung der Ausgabefvnds gestellt werden, durch
Hinweisung auf den Mangel an Deckungsmitteln zu beseitigen." Zum Schlüsse
wird dann für den so eindringlich begründeten Vorschlag, die Anforderungen
für das Heer um 2'/- Millionen Thaler zu ermäßigen, nochmals der „Ausfall der
bevorstehenden Wahlen" angeführt, und dem Kriegsminister überlassen, die Ge-
Grenzboten II. 1862. 1ö
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