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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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sei ganz einfach: ein Büchsenmeister der Hussiten habe Cert (d. i. Teufel) ge¬
heißen und jene drei Syenitsäulenstücke bei der Belagerung des Wysehrad mit
seinen Wurfmaschinen in die Kirche geschleudert. Gläubige Seelen haben die
Teufelslegende nicht nur beibehalten, sondern sogar noch ausgeschmückt, z. B.
durch eine persönliche Intervention des Apostels' Petrus, ja ganz rechtgläubige
Nasen wollen sogar jetzt noch an den Säulenstücken einen Schwefelgeruch spüren!
Der Kurfürst von Sachsen, der auf Wysehrad war, als seine Truppen im Jahre
1632 Prag occupirt hatten, gehörte, als ein Ketzer, zu den Ungläubigen, er
sprach bei der Besichtigung jener Säule: "Es mag wahr sein, mag auch nicht
wahr sein!" Dies sind urkundlich seine Worte, der Wyschrader Domherr Florian
Hainincrschinid bewahrte uns dieselben treulich auf. Hammerschimd glaubte
übrigens allen Ernstes an den Transport der Säule durch den leibhaften Gott¬
seibeiuns, er citirt sogar ein Document des Eapitelarchivs, das eine Aussage
des betheiligten Teufels enthält. Ein Priester aus Glatz schrieb dessen Depo-
sit-lon am 21. Februar 16L3 zu Rom nieder, wo er sich mit Teufelsbcmnerei
beschäftigte. Bei einer solchen Beschwörung erwies sich einer der Teufel als so
hartnäckig, daß der Pater zu einem heroischen Mittel greifen mußte, zu einem
Kästchen mit Reliquien des Ignaz von Lojola. Durch diese wurde der Teufel
weich gemacht, er bellte und brüllte, und gestand, daß er Zardan heiße, zube¬
nannt "der höllische Kuchelhund" und daß er derselbe Teufel sei, der die Säule
aus Rom nach Prag getragen. Der Beschwörer fragte den Teufel Zardan, ehe
er ihn ganz von bannen trieb, genauer über jenen Säulentraneport aus und
schickte darüber durch den Präger Consistorialsccretär Johann Mandera einen
ausführlichen Bericht an das Wyschrader Domcapitel.

Bor zehn Jahren noch sah man in der Kirche des Wysehrad ein Wand¬
gemälde, den Bösen vorstellend, wie er mit der Säule geflogen kommt und die¬
selbe zornig herabschleudert, weil sein Partner unten die Messe schon vollendet
und die gefährliche Wette gewonnen hat; es war ganz das nordische Phantom,
mit Hörnern, Schweif und Klauen. Jetzt ist diese Darstellung überstrichen und
an deren Stelle eine Abbildung des Wysehrad im Jahre 1420 gemalt; allein
ganz konnte man sich von dem gehörnten Säulenträger doch nicht trennen, der
Teufel ist verschwunden, ein Teufelchen erschienen, ein kleines, zottiges Teufel¬
chen, das sich in ein Wolkengewand hüllt, es ist grade im Spitzbogen angebracht.
Die alte Führerin vergißt nicht/ uns darauf redlich aufmerksam zu machen. Sie
Zeigt uns auch 'ein Marienbild, das der Evangelist Lucas gemalt haben soll und
unter einem Altar den "wunderlichen Sarg des heiligen Longinus." der strom¬
aufwärts schwamm, als ihn im Jahre 1420 die Hussiten in die Moldau warfen!
Es ist ein schwerer Steinsarg aus den Katakomben. Longinus soll bekanntlich
jener römische Hauptmann geheißen haben, der den Leib des Herrn aus Golgatha
mit seinem Speer in die Seite stieß und das Ehristenthum annahm. --


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sei ganz einfach: ein Büchsenmeister der Hussiten habe Cert (d. i. Teufel) ge¬
heißen und jene drei Syenitsäulenstücke bei der Belagerung des Wysehrad mit
seinen Wurfmaschinen in die Kirche geschleudert. Gläubige Seelen haben die
Teufelslegende nicht nur beibehalten, sondern sogar noch ausgeschmückt, z. B.
durch eine persönliche Intervention des Apostels' Petrus, ja ganz rechtgläubige
Nasen wollen sogar jetzt noch an den Säulenstücken einen Schwefelgeruch spüren!
Der Kurfürst von Sachsen, der auf Wysehrad war, als seine Truppen im Jahre
1632 Prag occupirt hatten, gehörte, als ein Ketzer, zu den Ungläubigen, er
sprach bei der Besichtigung jener Säule: „Es mag wahr sein, mag auch nicht
wahr sein!" Dies sind urkundlich seine Worte, der Wyschrader Domherr Florian
Hainincrschinid bewahrte uns dieselben treulich auf. Hammerschimd glaubte
übrigens allen Ernstes an den Transport der Säule durch den leibhaften Gott¬
seibeiuns, er citirt sogar ein Document des Eapitelarchivs, das eine Aussage
des betheiligten Teufels enthält. Ein Priester aus Glatz schrieb dessen Depo-
sit-lon am 21. Februar 16L3 zu Rom nieder, wo er sich mit Teufelsbcmnerei
beschäftigte. Bei einer solchen Beschwörung erwies sich einer der Teufel als so
hartnäckig, daß der Pater zu einem heroischen Mittel greifen mußte, zu einem
Kästchen mit Reliquien des Ignaz von Lojola. Durch diese wurde der Teufel
weich gemacht, er bellte und brüllte, und gestand, daß er Zardan heiße, zube¬
nannt „der höllische Kuchelhund" und daß er derselbe Teufel sei, der die Säule
aus Rom nach Prag getragen. Der Beschwörer fragte den Teufel Zardan, ehe
er ihn ganz von bannen trieb, genauer über jenen Säulentraneport aus und
schickte darüber durch den Präger Consistorialsccretär Johann Mandera einen
ausführlichen Bericht an das Wyschrader Domcapitel.

Bor zehn Jahren noch sah man in der Kirche des Wysehrad ein Wand¬
gemälde, den Bösen vorstellend, wie er mit der Säule geflogen kommt und die¬
selbe zornig herabschleudert, weil sein Partner unten die Messe schon vollendet
und die gefährliche Wette gewonnen hat; es war ganz das nordische Phantom,
mit Hörnern, Schweif und Klauen. Jetzt ist diese Darstellung überstrichen und
an deren Stelle eine Abbildung des Wysehrad im Jahre 1420 gemalt; allein
ganz konnte man sich von dem gehörnten Säulenträger doch nicht trennen, der
Teufel ist verschwunden, ein Teufelchen erschienen, ein kleines, zottiges Teufel¬
chen, das sich in ein Wolkengewand hüllt, es ist grade im Spitzbogen angebracht.
Die alte Führerin vergißt nicht/ uns darauf redlich aufmerksam zu machen. Sie
Zeigt uns auch 'ein Marienbild, das der Evangelist Lucas gemalt haben soll und
unter einem Altar den „wunderlichen Sarg des heiligen Longinus." der strom¬
aufwärts schwamm, als ihn im Jahre 1420 die Hussiten in die Moldau warfen!
Es ist ein schwerer Steinsarg aus den Katakomben. Longinus soll bekanntlich
jener römische Hauptmann geheißen haben, der den Leib des Herrn aus Golgatha
mit seinem Speer in die Seite stieß und das Ehristenthum annahm. —


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/115>, abgerufen am 08.01.2025.