Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.in das geschichtliche Diesseits einzureihen, aber sie versteht es ebenso wenig, die Unzweifelhaft hat auf dem Gebiete der Heiligengeschichte und des alten in das geschichtliche Diesseits einzureihen, aber sie versteht es ebenso wenig, die Unzweifelhaft hat auf dem Gebiete der Heiligengeschichte und des alten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0104" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/113884"/> <p xml:id="ID_265" prev="#ID_264"> in das geschichtliche Diesseits einzureihen, aber sie versteht es ebenso wenig, die<lb/> religiösen Vorgängers allgemein menschliche Motive zu behandeln. Da sie<lb/> nun merkt, daß ihrer Empfindung das Gemüth des Beschauers nicht entgegen¬<lb/> kommt, sucht sie ihn einerseits durch eine seine, zierliche Ausführung zu gewin¬<lb/> nen, durch eine Glätte und Eleganz der Behandlung, die als ein Abschein des<lb/> überschwänglichen Gefühles die Wärme und Kraft des wirklichen Lebens ängst¬<lb/> lich vermeidet. So sind die heilige Familie von C. Müller (Düsseldorf), die<lb/> Madonna von E. Steinbrück (Berlin) saubere, glänzende Porzellanmalereien.<lb/> Andererseits sucht Wohl der Künstler, indem er sich an italienische Vorbilder<lb/> anlehnt, seinen Gestalten Ansehen und Würde, eine tüchtige Erscheinung zu ge¬<lb/> ben, so F. Itterbach «Düsseldorf) in seinem Aitarlnlde; aber da es ihm darauf<lb/> ankommt, die vermeinte Tiefe einer religiösen Empfindung in ihnen wiederklin-<lb/> gen zu lassen, so hängt die kräftigere Bildung der Figuren wie ein fremdes<lb/> Gewand um diese hohle Sentimentalität. Oder endlich der Maler gibt, wie<lb/> in seinen neuesten Bildern F. Schubert (Berlin), den Ausdruck so ziemlich dran<lb/> und sucht seinen Stoff durch eine farbenwärmere Darstellung von guten Act¬<lb/> figuren interessant zu machen. Die bequemste Art sich aus der Kollision des<lb/> Gefühls mit der modernen Weiblichkeit zu ziehen, aber auch die sicherste, die<lb/> Eharatterlosigkeit der heutigen religiösen Kunst an den Tag zu legen.</p><lb/> <p xml:id="ID_266" next="#ID_267"> Unzweifelhaft hat auf dem Gebiete der Heiligengeschichte und des alten<lb/> Testaments der Künstler leichteres Spiel. Hier braucht er sich nicht in die<lb/> Anschauung zurückzuversetzen, welche den idealen Gehalt des wirklichen Lebens<lb/> in den Gestalten einer jenseitigen Welt fand; wenigstens so lange nicht, als der<lb/> Heilige in dies übersinnliche Reich noch nicht entrückt ist, der biblische Stoff<lb/> nicht mit demselben durch die Transcendenz des Wunders in directe Berührung<lb/> kommt. Der Maler hat Menschen und Dinge darzustellen, die schon mit festem<lb/> Fuß auf den Boden der Wirklichkeit und Geschichte treten; und wenn sie auch<lb/> mit dem andern noch in der Mythe stehen, so ist das für die freie Bewegung<lb/> der bildenden Phantasie nur um so günstiger. Allein unsere Künstler halten<lb/> es für unerläßlich, aus ihren Heiligen die unendliche Bedeutung eines gottseliger<lb/> Lebens leuchten zu lassen, den frommen Mann von der verderblichen Fülle und<lb/> Bewegtheit der sinnlichen Welt möglichst fern zu halten und aus einer religiö¬<lb/> sen Verzückung in die andere zu versenken. Auch mit dem Ausdruck der<lb/> Frömmigkeit als Gemüthszustandes einer bestimmten Person hat es sein Mi߬<lb/> liches, denn derartige Zustände haben sich vor der Tageshelle des Jahrhunderts<lb/> in dunkle Winkel geflüchtet und lassen 'sich selten mehr blicken. Der Maler<lb/> muß also die Empfindung seines eigenen Herzens zum Vorbild nehmen, und<lb/> so kommt auch in das Heiligenbild das geschraubte Gefühl, das dem christlichen<lb/> eigen ist. Und mit ihm die charakterlose Glätte, die form- und farblose Ele¬<lb/> ganz, in welcher sich die Ausläufer des Nazarenerthums nun hervorthun. In</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0104]
in das geschichtliche Diesseits einzureihen, aber sie versteht es ebenso wenig, die
religiösen Vorgängers allgemein menschliche Motive zu behandeln. Da sie
nun merkt, daß ihrer Empfindung das Gemüth des Beschauers nicht entgegen¬
kommt, sucht sie ihn einerseits durch eine seine, zierliche Ausführung zu gewin¬
nen, durch eine Glätte und Eleganz der Behandlung, die als ein Abschein des
überschwänglichen Gefühles die Wärme und Kraft des wirklichen Lebens ängst¬
lich vermeidet. So sind die heilige Familie von C. Müller (Düsseldorf), die
Madonna von E. Steinbrück (Berlin) saubere, glänzende Porzellanmalereien.
Andererseits sucht Wohl der Künstler, indem er sich an italienische Vorbilder
anlehnt, seinen Gestalten Ansehen und Würde, eine tüchtige Erscheinung zu ge¬
ben, so F. Itterbach «Düsseldorf) in seinem Aitarlnlde; aber da es ihm darauf
ankommt, die vermeinte Tiefe einer religiösen Empfindung in ihnen wiederklin-
gen zu lassen, so hängt die kräftigere Bildung der Figuren wie ein fremdes
Gewand um diese hohle Sentimentalität. Oder endlich der Maler gibt, wie
in seinen neuesten Bildern F. Schubert (Berlin), den Ausdruck so ziemlich dran
und sucht seinen Stoff durch eine farbenwärmere Darstellung von guten Act¬
figuren interessant zu machen. Die bequemste Art sich aus der Kollision des
Gefühls mit der modernen Weiblichkeit zu ziehen, aber auch die sicherste, die
Eharatterlosigkeit der heutigen religiösen Kunst an den Tag zu legen.
Unzweifelhaft hat auf dem Gebiete der Heiligengeschichte und des alten
Testaments der Künstler leichteres Spiel. Hier braucht er sich nicht in die
Anschauung zurückzuversetzen, welche den idealen Gehalt des wirklichen Lebens
in den Gestalten einer jenseitigen Welt fand; wenigstens so lange nicht, als der
Heilige in dies übersinnliche Reich noch nicht entrückt ist, der biblische Stoff
nicht mit demselben durch die Transcendenz des Wunders in directe Berührung
kommt. Der Maler hat Menschen und Dinge darzustellen, die schon mit festem
Fuß auf den Boden der Wirklichkeit und Geschichte treten; und wenn sie auch
mit dem andern noch in der Mythe stehen, so ist das für die freie Bewegung
der bildenden Phantasie nur um so günstiger. Allein unsere Künstler halten
es für unerläßlich, aus ihren Heiligen die unendliche Bedeutung eines gottseliger
Lebens leuchten zu lassen, den frommen Mann von der verderblichen Fülle und
Bewegtheit der sinnlichen Welt möglichst fern zu halten und aus einer religiö¬
sen Verzückung in die andere zu versenken. Auch mit dem Ausdruck der
Frömmigkeit als Gemüthszustandes einer bestimmten Person hat es sein Mi߬
liches, denn derartige Zustände haben sich vor der Tageshelle des Jahrhunderts
in dunkle Winkel geflüchtet und lassen 'sich selten mehr blicken. Der Maler
muß also die Empfindung seines eigenen Herzens zum Vorbild nehmen, und
so kommt auch in das Heiligenbild das geschraubte Gefühl, das dem christlichen
eigen ist. Und mit ihm die charakterlose Glätte, die form- und farblose Ele¬
ganz, in welcher sich die Ausläufer des Nazarenerthums nun hervorthun. In
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |