Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.ligiöse Malerei zu sagen. Das christliche Mythenbild steht nun einmal vermöge Daß es doch auch die Gegenwart deshalb an religiösen Bildern nicht feh¬ ligiöse Malerei zu sagen. Das christliche Mythenbild steht nun einmal vermöge Daß es doch auch die Gegenwart deshalb an religiösen Bildern nicht feh¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0103" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/113883"/> <p xml:id="ID_263" prev="#ID_262"> ligiöse Malerei zu sagen. Das christliche Mythenbild steht nun einmal vermöge<lb/> seiner geschichtlichen Vergangenheit oben an. und daß es in unserem Jahrhun¬<lb/> dert diese Stelle von Neuem beansprucht hat, haben wir den Nazarenern zu<lb/> verdanken. Indessen ist auch diese Zeit vorübergegangen, der Neubelebungs-<lb/> proceß hat sich als ein künstlicher erwiesen. Es Hai sich gezeigt, daß die ent¬<lb/> leerte Phantasie des Zeitalters sich irrte, als sie einen belebenden Inhalt in<lb/> dem kirchlichen Dogma, eine neue Anregung in der wieder hervorgesuchten ka¬<lb/> tholischen Empfindung zu finden meinte. Die Kunst hat es gebüßt, daß sie<lb/> mit den Doctrinären gemeinschaftliche Sache gemacht. Da sie sich von diesen den<lb/> Weg zeigen ließ, —'„laß Malerei," so läßt sich A. W. Schlegel einmal ver¬<lb/> nehmen, „statt unter den Gedichten der Sinnenwelt sich spielend zu ergehen, die<lb/> schönsten Wunder geistlicher Geschichten von Neuem unter deiner Hand gesche¬<lb/> hen" — konnte es freilich nicht ausbleiben, daß sie eurerseits bei der Heuchelei<lb/> des Gefühls, andrerseits bei der frostigen Leere des Symbols anlangte. Glück¬<lb/> licherweise hat eine spätere Periode der ästhetischen Kritik, was die frühere ver¬<lb/> schuldete, wieder gut gemacht; sie hat, wie auch hier und da noch ein stiller<lb/> Verehrer dagegen eifern mag. mit dem Nazarenerthume gründlich aufgeräumt.<lb/> Ein Beweis, daß sie so unprvductiv nicht ist, als sie gewöhnlich gilt; denn<lb/> auch das ist ein positives Ergebniß, wenn die Kunst und das Zeitalter über<lb/> eine verkehrte Richtung aufgeklärt und dadurch in eine andere gelenkt werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_264" next="#ID_265"> Daß es doch auch die Gegenwart deshalb an religiösen Bildern nicht feh¬<lb/> len laßt, versteht sich von selbst. Der bildnerische Schmuck ist nun einmal<lb/> kirchliches Bedürfniß, und es gibt noch immer Künstler genug, welche die Ar¬<lb/> beit ihres Lebens in derartigen Bestellungen finden. Aber wir sehen in ihnen<lb/> längst nicht mehr den Gipfel der Kunst, noch können sie sich selber für die<lb/> Anführer derselben ausgeben. Ihre Madonnen, Christus und Heiligen sind<lb/> nichts als ausgehöhlte Schemen, an denen der Beschauer kalt und theilnahm¬<lb/> los vorübergeht. Denn auch über den Rest von Empfindung, den die Naza-<lb/> rener noch wie eine künstliche Hitze in sich zu erzeugen vermochten, ist der<lb/> breite Strom des modernen Bewußtseins nun verwischend weggegangen. Die<lb/> Begeisterung des Künstlers, die Lebensfähigkeit der religiösen Kunst besteht eben,<lb/> wie Schleiermacher es ganz richtig bezeichnet, „in der unwillkürlichen Einwir¬<lb/> kung des Gescnnmtlcbens auf sie," diese fehlt nun einmal und läßt sich durch<lb/> die weichherzige Frömmigkeit des einen oder andern Individuums am wenigsten<lb/> ersetzen. Und da sich der Maler im Gegensatze zu einer weltlichen Zeit weiß,<lb/> will er seinem christlichen Stoffe erst recht den Ausdruck unendlicher Innerlich,<lb/> keit geben. Nur um'so mehr sciant aus dem anspruchsvollen Bilde die innere<lb/> Armuth und Lüge. Wohl ist die deutsche Kunst nicht, wie die französische, auf<lb/> den Abweg gerathen, die heiligen Stoffe durch die realistische Treue des Eostüms<lb/> und Locals der modernen Anschauungsweise näher zu rücken und so gleichsam</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0103]
ligiöse Malerei zu sagen. Das christliche Mythenbild steht nun einmal vermöge
seiner geschichtlichen Vergangenheit oben an. und daß es in unserem Jahrhun¬
dert diese Stelle von Neuem beansprucht hat, haben wir den Nazarenern zu
verdanken. Indessen ist auch diese Zeit vorübergegangen, der Neubelebungs-
proceß hat sich als ein künstlicher erwiesen. Es Hai sich gezeigt, daß die ent¬
leerte Phantasie des Zeitalters sich irrte, als sie einen belebenden Inhalt in
dem kirchlichen Dogma, eine neue Anregung in der wieder hervorgesuchten ka¬
tholischen Empfindung zu finden meinte. Die Kunst hat es gebüßt, daß sie
mit den Doctrinären gemeinschaftliche Sache gemacht. Da sie sich von diesen den
Weg zeigen ließ, —'„laß Malerei," so läßt sich A. W. Schlegel einmal ver¬
nehmen, „statt unter den Gedichten der Sinnenwelt sich spielend zu ergehen, die
schönsten Wunder geistlicher Geschichten von Neuem unter deiner Hand gesche¬
hen" — konnte es freilich nicht ausbleiben, daß sie eurerseits bei der Heuchelei
des Gefühls, andrerseits bei der frostigen Leere des Symbols anlangte. Glück¬
licherweise hat eine spätere Periode der ästhetischen Kritik, was die frühere ver¬
schuldete, wieder gut gemacht; sie hat, wie auch hier und da noch ein stiller
Verehrer dagegen eifern mag. mit dem Nazarenerthume gründlich aufgeräumt.
Ein Beweis, daß sie so unprvductiv nicht ist, als sie gewöhnlich gilt; denn
auch das ist ein positives Ergebniß, wenn die Kunst und das Zeitalter über
eine verkehrte Richtung aufgeklärt und dadurch in eine andere gelenkt werden.
Daß es doch auch die Gegenwart deshalb an religiösen Bildern nicht feh¬
len laßt, versteht sich von selbst. Der bildnerische Schmuck ist nun einmal
kirchliches Bedürfniß, und es gibt noch immer Künstler genug, welche die Ar¬
beit ihres Lebens in derartigen Bestellungen finden. Aber wir sehen in ihnen
längst nicht mehr den Gipfel der Kunst, noch können sie sich selber für die
Anführer derselben ausgeben. Ihre Madonnen, Christus und Heiligen sind
nichts als ausgehöhlte Schemen, an denen der Beschauer kalt und theilnahm¬
los vorübergeht. Denn auch über den Rest von Empfindung, den die Naza-
rener noch wie eine künstliche Hitze in sich zu erzeugen vermochten, ist der
breite Strom des modernen Bewußtseins nun verwischend weggegangen. Die
Begeisterung des Künstlers, die Lebensfähigkeit der religiösen Kunst besteht eben,
wie Schleiermacher es ganz richtig bezeichnet, „in der unwillkürlichen Einwir¬
kung des Gescnnmtlcbens auf sie," diese fehlt nun einmal und läßt sich durch
die weichherzige Frömmigkeit des einen oder andern Individuums am wenigsten
ersetzen. Und da sich der Maler im Gegensatze zu einer weltlichen Zeit weiß,
will er seinem christlichen Stoffe erst recht den Ausdruck unendlicher Innerlich,
keit geben. Nur um'so mehr sciant aus dem anspruchsvollen Bilde die innere
Armuth und Lüge. Wohl ist die deutsche Kunst nicht, wie die französische, auf
den Abweg gerathen, die heiligen Stoffe durch die realistische Treue des Eostüms
und Locals der modernen Anschauungsweise näher zu rücken und so gleichsam
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