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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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mung des Limbergs von der Festung beträgt 3500 Schritte. Dies war mehr
als genug zur Zeit der alten Kanonen und Mörser, aber es genügt nicht
mehr für die gezogenen Geschütze, welche bekanntlich bis auf 4000 Schritt
Entfernung noch ganz sicher schießen -- obgleich die Erfahrung über ihre
Wirkung aus solcher Entfernung aus Festungswerke eigentlich noch wenig
festgestellt ist. Jedenfalls aber war es für Preußen die nächste Pflicht nach
der theilweisen Armirung der Festung mit gezogenen Kanonen, sie vöriMr
Wirkung der feindlichen zu schützen durch Befestigung des Limbergs. Diese
ist denn auch in Angriff genommen worden, es genügen dazu Erdwerke, und
deren Auswerfung erleichtern die dort oben befindlichen Neste von" Schwedcn-
schanzen aus dem dreißigjährigen Krieg. Außerdem vertheidigen noch ver¬
verschiedene Außenwerke den Kern der Festung. Die Besatzung derselben be¬
steht gegenwärtig außer Artillerie, Pionieren und Genie, wenn wir! nicht
irren, aus 2 Bataillonen Infanterie und 2 Schwadronen Uhlanen; sie wird
aber natürlich im Kriegsfall bedeutend verstärkt.

Kommt der Krieg einst, wie voraussichtlich, von Westen nach Deutsch¬
land, so kann man wohl sagen, daß alsdann Saarlouis der gefährdetste
Platz des letzteren sein wird. Es ist die, der französischen Grenze zu¬
nächst gelegene deutsche Feste, binnen einer Stunde von jener aus zu er¬
reichen . zugleich nach Landau das begehrenswertheste Object deutscher
Besitzungen, ja, in den Sympathieen der Franzosen sogar jedem anderen
voranstehend. Vermittelst der Eisenbahn kann ein französisches Heer gleich¬
zeitig mit dem Eintreffen der Kriegserklärung in Berlin die Stadt Saarlouis
cerniren. Dies hat man bei dem Bau der Bahn vorausgesehn; nur aus
diesem Grunde ist die Station der Stadt so weit entlegen, und sticht der nur
aus Fachwerk errichtete Bahnhof so sehr ab von den anderen Prachtbauten
aus Sandstein auf dieser ganzen Linie; er soll eben so rasch, wie möglich,
und ohne großen Verlust, demolirt werden können; sein Niederbrennen würde
eine der ersten Thaten bei hereinbrechenden Franzosenknege sein. Früher ist
häufig, sogar in den preußischen Kammern, von der Schleifung dieser kleinen
Festung die Rede gewesen, deren Nutzen man für sehr problematisch zu halten
geneigt war. Allein sie vertheidigt jedenfalls eine der frequentesten Heerwege
aus Frankreich nach Deutschland. Daher denkt man denn auch heutzutage
an nichts Weiteres mehr, wie an ihre mögliche Verstärkung. Ueberall erblickt
man neue Werke vollendet oder im Bau. Sämmtliche Schanzen wurden oder
werden erhöht, ein neues, vollkommen bombenfestes Kriegslazareth ist am
französischen Thore auferbaut worden, hier auch ist eine Reihe neuer Kase¬
matten eingerichtet. Steigt man auf einen der Cavaliere, so überschaut der
Rundblick eine Tiefebene, welche in dem nächsten Umkreis nirgends coupirt
erscheint; auffallend ist nur der junge üppige Baumwuchs weit und breite


mung des Limbergs von der Festung beträgt 3500 Schritte. Dies war mehr
als genug zur Zeit der alten Kanonen und Mörser, aber es genügt nicht
mehr für die gezogenen Geschütze, welche bekanntlich bis auf 4000 Schritt
Entfernung noch ganz sicher schießen — obgleich die Erfahrung über ihre
Wirkung aus solcher Entfernung aus Festungswerke eigentlich noch wenig
festgestellt ist. Jedenfalls aber war es für Preußen die nächste Pflicht nach
der theilweisen Armirung der Festung mit gezogenen Kanonen, sie vöriMr
Wirkung der feindlichen zu schützen durch Befestigung des Limbergs. Diese
ist denn auch in Angriff genommen worden, es genügen dazu Erdwerke, und
deren Auswerfung erleichtern die dort oben befindlichen Neste von« Schwedcn-
schanzen aus dem dreißigjährigen Krieg. Außerdem vertheidigen noch ver¬
verschiedene Außenwerke den Kern der Festung. Die Besatzung derselben be¬
steht gegenwärtig außer Artillerie, Pionieren und Genie, wenn wir! nicht
irren, aus 2 Bataillonen Infanterie und 2 Schwadronen Uhlanen; sie wird
aber natürlich im Kriegsfall bedeutend verstärkt.

Kommt der Krieg einst, wie voraussichtlich, von Westen nach Deutsch¬
land, so kann man wohl sagen, daß alsdann Saarlouis der gefährdetste
Platz des letzteren sein wird. Es ist die, der französischen Grenze zu¬
nächst gelegene deutsche Feste, binnen einer Stunde von jener aus zu er¬
reichen . zugleich nach Landau das begehrenswertheste Object deutscher
Besitzungen, ja, in den Sympathieen der Franzosen sogar jedem anderen
voranstehend. Vermittelst der Eisenbahn kann ein französisches Heer gleich¬
zeitig mit dem Eintreffen der Kriegserklärung in Berlin die Stadt Saarlouis
cerniren. Dies hat man bei dem Bau der Bahn vorausgesehn; nur aus
diesem Grunde ist die Station der Stadt so weit entlegen, und sticht der nur
aus Fachwerk errichtete Bahnhof so sehr ab von den anderen Prachtbauten
aus Sandstein auf dieser ganzen Linie; er soll eben so rasch, wie möglich,
und ohne großen Verlust, demolirt werden können; sein Niederbrennen würde
eine der ersten Thaten bei hereinbrechenden Franzosenknege sein. Früher ist
häufig, sogar in den preußischen Kammern, von der Schleifung dieser kleinen
Festung die Rede gewesen, deren Nutzen man für sehr problematisch zu halten
geneigt war. Allein sie vertheidigt jedenfalls eine der frequentesten Heerwege
aus Frankreich nach Deutschland. Daher denkt man denn auch heutzutage
an nichts Weiteres mehr, wie an ihre mögliche Verstärkung. Ueberall erblickt
man neue Werke vollendet oder im Bau. Sämmtliche Schanzen wurden oder
werden erhöht, ein neues, vollkommen bombenfestes Kriegslazareth ist am
französischen Thore auferbaut worden, hier auch ist eine Reihe neuer Kase¬
matten eingerichtet. Steigt man auf einen der Cavaliere, so überschaut der
Rundblick eine Tiefebene, welche in dem nächsten Umkreis nirgends coupirt
erscheint; auffallend ist nur der junge üppige Baumwuchs weit und breite


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[0072] mung des Limbergs von der Festung beträgt 3500 Schritte. Dies war mehr als genug zur Zeit der alten Kanonen und Mörser, aber es genügt nicht mehr für die gezogenen Geschütze, welche bekanntlich bis auf 4000 Schritt Entfernung noch ganz sicher schießen — obgleich die Erfahrung über ihre Wirkung aus solcher Entfernung aus Festungswerke eigentlich noch wenig festgestellt ist. Jedenfalls aber war es für Preußen die nächste Pflicht nach der theilweisen Armirung der Festung mit gezogenen Kanonen, sie vöriMr Wirkung der feindlichen zu schützen durch Befestigung des Limbergs. Diese ist denn auch in Angriff genommen worden, es genügen dazu Erdwerke, und deren Auswerfung erleichtern die dort oben befindlichen Neste von« Schwedcn- schanzen aus dem dreißigjährigen Krieg. Außerdem vertheidigen noch ver¬ verschiedene Außenwerke den Kern der Festung. Die Besatzung derselben be¬ steht gegenwärtig außer Artillerie, Pionieren und Genie, wenn wir! nicht irren, aus 2 Bataillonen Infanterie und 2 Schwadronen Uhlanen; sie wird aber natürlich im Kriegsfall bedeutend verstärkt. Kommt der Krieg einst, wie voraussichtlich, von Westen nach Deutsch¬ land, so kann man wohl sagen, daß alsdann Saarlouis der gefährdetste Platz des letzteren sein wird. Es ist die, der französischen Grenze zu¬ nächst gelegene deutsche Feste, binnen einer Stunde von jener aus zu er¬ reichen . zugleich nach Landau das begehrenswertheste Object deutscher Besitzungen, ja, in den Sympathieen der Franzosen sogar jedem anderen voranstehend. Vermittelst der Eisenbahn kann ein französisches Heer gleich¬ zeitig mit dem Eintreffen der Kriegserklärung in Berlin die Stadt Saarlouis cerniren. Dies hat man bei dem Bau der Bahn vorausgesehn; nur aus diesem Grunde ist die Station der Stadt so weit entlegen, und sticht der nur aus Fachwerk errichtete Bahnhof so sehr ab von den anderen Prachtbauten aus Sandstein auf dieser ganzen Linie; er soll eben so rasch, wie möglich, und ohne großen Verlust, demolirt werden können; sein Niederbrennen würde eine der ersten Thaten bei hereinbrechenden Franzosenknege sein. Früher ist häufig, sogar in den preußischen Kammern, von der Schleifung dieser kleinen Festung die Rede gewesen, deren Nutzen man für sehr problematisch zu halten geneigt war. Allein sie vertheidigt jedenfalls eine der frequentesten Heerwege aus Frankreich nach Deutschland. Daher denkt man denn auch heutzutage an nichts Weiteres mehr, wie an ihre mögliche Verstärkung. Ueberall erblickt man neue Werke vollendet oder im Bau. Sämmtliche Schanzen wurden oder werden erhöht, ein neues, vollkommen bombenfestes Kriegslazareth ist am französischen Thore auferbaut worden, hier auch ist eine Reihe neuer Kase¬ matten eingerichtet. Steigt man auf einen der Cavaliere, so überschaut der Rundblick eine Tiefebene, welche in dem nächsten Umkreis nirgends coupirt erscheint; auffallend ist nur der junge üppige Baumwuchs weit und breite

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/72>, abgerufen am 23.07.2024.