Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

sammtabgang von 110 Millionen Gulden bei einem Bedarf von 354.586.000
Gulden.

Wenn die offene Darlegung des Standes der Finanzen das Hauptver-
dienst der Vorlagen des Hr. v. Pierer ist. so erscheinen seine Vorschläge zur
Abhilfe allerdings als die schwächere Seite derselben. Der kleinere Theil des
Deficits soll durch Steuern, der größere durch ein Arrangement mit der Bank
gedeckt werden, welches im besten Falle nur vorübergehend, nicht dauernd
helfen könnte. Da aus den Berathungen des Reichsrathes bessere Vorschläge
zu erwarten sind, so unterlassen wir es. auf die des Hrn. v. Pierer einzugehen,
welche überhaupt nur die Bestimmung zu haben scheinen, die sehr begreifliche
Rathlosigkeit zu maskiren.

Um den furchtbaren Ernst der Lage zu erkennen, muß man den Staats¬
haushalt in seiner Entwickelung seit einer Reihe von 10 bis 14 Jahren be¬
obachten. Es ergibt sich, daß die Ausgaben sich verdreifacht haben, und
daß Land- und Seemacht, obgleich (ohne den außerordentlichen Aufwand) von
52 auf 108, und die Lasten der Staats - Schuld, obgleich von 45 auf 120
Millionen angewachsen, doch im Verhältnisse noch mäßiger gestiegen sind als
andere Lasten, welche durch die versuchte Centralisation dem Staate aufge-
bürdet wurden. *) -- Man muß ferner erwägen, daß durch die gefährliche
Ueberspannung der Steuer-Kräfte seit 1859 und durch die äußerste Erschöpfung
des Credits Oestreich an Macht und Einfluß nicht gewonnen, sondern bei ver¬
kehrter Verwendung beträchtlich eingebüßt hat, und daß die Entwickelung seiner
immerhin reichen Hilfsquellen in ihren Ergebnissen für den Staatshaushalt
unmöglich mit den Anforderungen, die an sie gestellt werden, Schritt halten
kann,,,.,, - ,,,,,, s.iji"eine k/i,ii,x,r.'l^ "4 ^"'ikZrcn -/et^<<i.!i<" - .-'' .

Für Frankreich handelt es sich darum, auf dem Wege der Verschwendung
Halt zu machen, und Hr. Fould darf auf die Verlegenheiten Oestreichs als
an^ ein warnendes Beispiel hinweisen. Das französische Budget wird nicht
wie das östreichische mit einem Deficit abschließen, und die schwebende Schuld
kann ohne übermäßige Opfer in eine ständige Schuld umgewandelt werden.
Die Aufgabe des östreichischen Reichstags ist eine unendlich schwierigere als
die der französischen Nationalvertretung. Wie sie gelöst werden soll, ohne
ernstliches Verzichten auf die straffe Centralisation, ohne Heranziehen der todten
Hand zu den Staatslasten, ohne namhafte Verminderung des/Aufwandes für
das Heer, ist nicht abzusehen. Gelingt dies nicht, erlaubt die Politik keine
Einschränkung. so ist die offene Erklärung des Staatsbankerotts
unvermeidlich!

Die Rechnung ist einfach. Vor 1848 belief sich der gesammte Staatsauf-



") Man vergleiche: I.Sö VWan-es as I'^VntrioKs xar.7. L. Horn, 1860.

sammtabgang von 110 Millionen Gulden bei einem Bedarf von 354.586.000
Gulden.

Wenn die offene Darlegung des Standes der Finanzen das Hauptver-
dienst der Vorlagen des Hr. v. Pierer ist. so erscheinen seine Vorschläge zur
Abhilfe allerdings als die schwächere Seite derselben. Der kleinere Theil des
Deficits soll durch Steuern, der größere durch ein Arrangement mit der Bank
gedeckt werden, welches im besten Falle nur vorübergehend, nicht dauernd
helfen könnte. Da aus den Berathungen des Reichsrathes bessere Vorschläge
zu erwarten sind, so unterlassen wir es. auf die des Hrn. v. Pierer einzugehen,
welche überhaupt nur die Bestimmung zu haben scheinen, die sehr begreifliche
Rathlosigkeit zu maskiren.

Um den furchtbaren Ernst der Lage zu erkennen, muß man den Staats¬
haushalt in seiner Entwickelung seit einer Reihe von 10 bis 14 Jahren be¬
obachten. Es ergibt sich, daß die Ausgaben sich verdreifacht haben, und
daß Land- und Seemacht, obgleich (ohne den außerordentlichen Aufwand) von
52 auf 108, und die Lasten der Staats - Schuld, obgleich von 45 auf 120
Millionen angewachsen, doch im Verhältnisse noch mäßiger gestiegen sind als
andere Lasten, welche durch die versuchte Centralisation dem Staate aufge-
bürdet wurden. *) — Man muß ferner erwägen, daß durch die gefährliche
Ueberspannung der Steuer-Kräfte seit 1859 und durch die äußerste Erschöpfung
des Credits Oestreich an Macht und Einfluß nicht gewonnen, sondern bei ver¬
kehrter Verwendung beträchtlich eingebüßt hat, und daß die Entwickelung seiner
immerhin reichen Hilfsquellen in ihren Ergebnissen für den Staatshaushalt
unmöglich mit den Anforderungen, die an sie gestellt werden, Schritt halten
kann,,,.,, - ,,,,,, s.iji„eine k/i,ii,x,r.'l^ „4 ^„'ikZrcn -/et^<<i.!i<» - .-'' .

Für Frankreich handelt es sich darum, auf dem Wege der Verschwendung
Halt zu machen, und Hr. Fould darf auf die Verlegenheiten Oestreichs als
an^ ein warnendes Beispiel hinweisen. Das französische Budget wird nicht
wie das östreichische mit einem Deficit abschließen, und die schwebende Schuld
kann ohne übermäßige Opfer in eine ständige Schuld umgewandelt werden.
Die Aufgabe des östreichischen Reichstags ist eine unendlich schwierigere als
die der französischen Nationalvertretung. Wie sie gelöst werden soll, ohne
ernstliches Verzichten auf die straffe Centralisation, ohne Heranziehen der todten
Hand zu den Staatslasten, ohne namhafte Verminderung des/Aufwandes für
das Heer, ist nicht abzusehen. Gelingt dies nicht, erlaubt die Politik keine
Einschränkung. so ist die offene Erklärung des Staatsbankerotts
unvermeidlich!

Die Rechnung ist einfach. Vor 1848 belief sich der gesammte Staatsauf-



") Man vergleiche: I.Sö VWan-es as I'^VntrioKs xar.7. L. Horn, 1860.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0055" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/113297"/>
          <p xml:id="ID_162" prev="#ID_161"> sammtabgang von 110 Millionen Gulden bei einem Bedarf von 354.586.000<lb/>
Gulden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_163"> Wenn die offene Darlegung des Standes der Finanzen das Hauptver-<lb/>
dienst der Vorlagen des Hr. v. Pierer ist. so erscheinen seine Vorschläge zur<lb/>
Abhilfe allerdings als die schwächere Seite derselben. Der kleinere Theil des<lb/>
Deficits soll durch Steuern, der größere durch ein Arrangement mit der Bank<lb/>
gedeckt werden, welches im besten Falle nur vorübergehend, nicht dauernd<lb/>
helfen könnte. Da aus den Berathungen des Reichsrathes bessere Vorschläge<lb/>
zu erwarten sind, so unterlassen wir es. auf die des Hrn. v. Pierer einzugehen,<lb/>
welche überhaupt nur die Bestimmung zu haben scheinen, die sehr begreifliche<lb/>
Rathlosigkeit zu maskiren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_164"> Um den furchtbaren Ernst der Lage zu erkennen, muß man den Staats¬<lb/>
haushalt in seiner Entwickelung seit einer Reihe von 10 bis 14 Jahren be¬<lb/>
obachten. Es ergibt sich, daß die Ausgaben sich verdreifacht haben, und<lb/>
daß Land- und Seemacht, obgleich (ohne den außerordentlichen Aufwand) von<lb/>
52 auf 108, und die Lasten der Staats - Schuld, obgleich von 45 auf 120<lb/>
Millionen angewachsen, doch im Verhältnisse noch mäßiger gestiegen sind als<lb/>
andere Lasten, welche durch die versuchte Centralisation dem Staate aufge-<lb/>
bürdet wurden. *) &#x2014; Man muß ferner erwägen, daß durch die gefährliche<lb/>
Ueberspannung der Steuer-Kräfte seit 1859 und durch die äußerste Erschöpfung<lb/>
des Credits Oestreich an Macht und Einfluß nicht gewonnen, sondern bei ver¬<lb/>
kehrter Verwendung beträchtlich eingebüßt hat, und daß die Entwickelung seiner<lb/>
immerhin reichen Hilfsquellen in ihren Ergebnissen für den Staatshaushalt<lb/>
unmöglich mit den Anforderungen, die an sie gestellt werden, Schritt halten<lb/>
kann,,,.,,  - ,,,,,, s.iji&#x201E;eine k/i,ii,x,r.'l^ &#x201E;4 ^&#x201E;'ikZrcn -/et^&lt;&lt;i.!i&lt;» - .-'' .</p><lb/>
          <p xml:id="ID_165"> Für Frankreich handelt es sich darum, auf dem Wege der Verschwendung<lb/>
Halt zu machen, und Hr. Fould darf auf die Verlegenheiten Oestreichs als<lb/>
an^ ein warnendes Beispiel hinweisen. Das französische Budget wird nicht<lb/>
wie das östreichische mit einem Deficit abschließen, und die schwebende Schuld<lb/>
kann ohne übermäßige Opfer in eine ständige Schuld umgewandelt werden.<lb/>
Die Aufgabe des östreichischen Reichstags ist eine unendlich schwierigere als<lb/>
die der französischen Nationalvertretung. Wie sie gelöst werden soll, ohne<lb/>
ernstliches Verzichten auf die straffe Centralisation, ohne Heranziehen der todten<lb/>
Hand zu den Staatslasten, ohne namhafte Verminderung des/Aufwandes für<lb/>
das Heer, ist nicht abzusehen. Gelingt dies nicht, erlaubt die Politik keine<lb/>
Einschränkung. so ist die offene Erklärung des Staatsbankerotts<lb/>
unvermeidlich!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_166" next="#ID_167"> Die Rechnung ist einfach.  Vor 1848 belief sich der gesammte Staatsauf-</p><lb/>
          <note xml:id="FID_4" place="foot"> ") Man vergleiche: I.Sö VWan-es as I'^VntrioKs xar.7. L. Horn, 1860.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0055] sammtabgang von 110 Millionen Gulden bei einem Bedarf von 354.586.000 Gulden. Wenn die offene Darlegung des Standes der Finanzen das Hauptver- dienst der Vorlagen des Hr. v. Pierer ist. so erscheinen seine Vorschläge zur Abhilfe allerdings als die schwächere Seite derselben. Der kleinere Theil des Deficits soll durch Steuern, der größere durch ein Arrangement mit der Bank gedeckt werden, welches im besten Falle nur vorübergehend, nicht dauernd helfen könnte. Da aus den Berathungen des Reichsrathes bessere Vorschläge zu erwarten sind, so unterlassen wir es. auf die des Hrn. v. Pierer einzugehen, welche überhaupt nur die Bestimmung zu haben scheinen, die sehr begreifliche Rathlosigkeit zu maskiren. Um den furchtbaren Ernst der Lage zu erkennen, muß man den Staats¬ haushalt in seiner Entwickelung seit einer Reihe von 10 bis 14 Jahren be¬ obachten. Es ergibt sich, daß die Ausgaben sich verdreifacht haben, und daß Land- und Seemacht, obgleich (ohne den außerordentlichen Aufwand) von 52 auf 108, und die Lasten der Staats - Schuld, obgleich von 45 auf 120 Millionen angewachsen, doch im Verhältnisse noch mäßiger gestiegen sind als andere Lasten, welche durch die versuchte Centralisation dem Staate aufge- bürdet wurden. *) — Man muß ferner erwägen, daß durch die gefährliche Ueberspannung der Steuer-Kräfte seit 1859 und durch die äußerste Erschöpfung des Credits Oestreich an Macht und Einfluß nicht gewonnen, sondern bei ver¬ kehrter Verwendung beträchtlich eingebüßt hat, und daß die Entwickelung seiner immerhin reichen Hilfsquellen in ihren Ergebnissen für den Staatshaushalt unmöglich mit den Anforderungen, die an sie gestellt werden, Schritt halten kann,,,.,, - ,,,,,, s.iji„eine k/i,ii,x,r.'l^ „4 ^„'ikZrcn -/et^<<i.!i<» - .-'' . Für Frankreich handelt es sich darum, auf dem Wege der Verschwendung Halt zu machen, und Hr. Fould darf auf die Verlegenheiten Oestreichs als an^ ein warnendes Beispiel hinweisen. Das französische Budget wird nicht wie das östreichische mit einem Deficit abschließen, und die schwebende Schuld kann ohne übermäßige Opfer in eine ständige Schuld umgewandelt werden. Die Aufgabe des östreichischen Reichstags ist eine unendlich schwierigere als die der französischen Nationalvertretung. Wie sie gelöst werden soll, ohne ernstliches Verzichten auf die straffe Centralisation, ohne Heranziehen der todten Hand zu den Staatslasten, ohne namhafte Verminderung des/Aufwandes für das Heer, ist nicht abzusehen. Gelingt dies nicht, erlaubt die Politik keine Einschränkung. so ist die offene Erklärung des Staatsbankerotts unvermeidlich! Die Rechnung ist einfach. Vor 1848 belief sich der gesammte Staatsauf- ") Man vergleiche: I.Sö VWan-es as I'^VntrioKs xar.7. L. Horn, 1860.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/55
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/55>, abgerufen am 28.12.2024.