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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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der zu verstärken. Wird aber dieser Zweck erreicht werden, wenn die Minister
der Volksvertretung nicht verantwortlich, wenn die Wahlen und die Presse nicht
frei sind? Diese Fragen wurden zwar nicht im Senate aufgeworfen. Dort
zeigten sich, und zwar zunächst schon in dem nllzulangen Berichte des Herrn
Troplong, Bedenken ganz anderer Art. Die Verfassung von 1852 ward als
das Meisterwerk menschlicher Staatsweisheit gepriesen, jede Abweichung als
ein gefährliches Zugeständnis; an das verderbliche System der parlamentarischen
Regierung gefürchtet. Solche Besorgnisse zu beschwichtigen, die Aenderungen
nicht als nützlich, sondern als unschädlich zu empfehlen, bemühte sich der Be¬
richt. Herr Fould trat dieser Auffassung entgegen und suchte, nicht sowohl dem
Senate als vielmehr der öffentlichen Meinung darzuthun, daß die Aenderungen
nicht bedeutungslos, sondern für den angegebenen Zweck wirksam und aus¬
reichend sein würden. Die unbeschränkte Befugniß des Kaisers, über Staats,
gelber zu verfügen, äußerte er, hat Besorgnisse erregt, welche der Kaiser durch
Selbstbeschränkung heben will. "Er hielt es nicht für staatsklug, sich auf einen
Weg zu begeben, welcher gewisse Staaten in die finanziellen Verlegenheiten
hineingeführt hat, in denen wir sie gegenwärtig erblicken." Solchen Ansichten,
wie sie hier im Senate gegen die Beschränkung der Befugnisse des Staats¬
oberhaupts geäußert worden, meinte Herr Fould, haben Oestreich und Ru߬
land es vielleicht zu verdanken, daß sie sich jetzt in einer Lage befinden,
welche sie schwächt und später möglicher Weise in ernste Verlegenheit stürzen
wird. In Frankreich habe Großes geschehen müssen, und es sei Großes ge¬
schehen; aber nun sei es Zeit, auf den Weg der Sparsamkeit ein¬
zulenken. Man sieht, Hr. Fould kennt die Lage und will zunächst sorgen
daß sie nicht schlimmer werde. Werden aber seine Mittel helfen? Werden die
Minister, welche dem gesetzgebenden Körper nicht verantwortlich sind, mit den
Uevertragungen nicht eben solchen Mißbrauch treiben, wie es bisher mit
den außerordentlichen Credner geschehen ist? Hierauf bemerkt Hr. Fould: die
Übertragungen seien in dem System von 1852 einhalten; sie seien nichts
Neues, aber nicht so gefährlich wie die außerordentlichen Credite. Es gebe
zweierlei Arten. Einfache Übertragung ejncr Ausgabe von einem Kapitel
des Budgets auf ein anderes, eine Nechnungs-Manipulation, von welcher hier
nicht die Rede sei. Die andere Art entziehe die Mittel dem Zwecke, für den
sie bewilligt, und verwende sie für einen andern Zweck, für den sie nicht
bestimmt seien. Dies seien allerdings wirkliche außerordentliche Credite, sie
würden aber nur in Nothfällen gebraucht werden. Man könne die Noth¬
fälle nicht abschaffen, folglich auch nicht die Mittel, um sich zu helfen. So
habe man die Rüstungen für den italienischen Krieg in aller Eile gemacht,
aber außer den Pferden nichts bezahlt, bis die Anleihen das Geld geliefert.
So rüste gegenwärtig England gegen Amerika, ohne Credite, ohne Uebertra-


der zu verstärken. Wird aber dieser Zweck erreicht werden, wenn die Minister
der Volksvertretung nicht verantwortlich, wenn die Wahlen und die Presse nicht
frei sind? Diese Fragen wurden zwar nicht im Senate aufgeworfen. Dort
zeigten sich, und zwar zunächst schon in dem nllzulangen Berichte des Herrn
Troplong, Bedenken ganz anderer Art. Die Verfassung von 1852 ward als
das Meisterwerk menschlicher Staatsweisheit gepriesen, jede Abweichung als
ein gefährliches Zugeständnis; an das verderbliche System der parlamentarischen
Regierung gefürchtet. Solche Besorgnisse zu beschwichtigen, die Aenderungen
nicht als nützlich, sondern als unschädlich zu empfehlen, bemühte sich der Be¬
richt. Herr Fould trat dieser Auffassung entgegen und suchte, nicht sowohl dem
Senate als vielmehr der öffentlichen Meinung darzuthun, daß die Aenderungen
nicht bedeutungslos, sondern für den angegebenen Zweck wirksam und aus¬
reichend sein würden. Die unbeschränkte Befugniß des Kaisers, über Staats,
gelber zu verfügen, äußerte er, hat Besorgnisse erregt, welche der Kaiser durch
Selbstbeschränkung heben will. „Er hielt es nicht für staatsklug, sich auf einen
Weg zu begeben, welcher gewisse Staaten in die finanziellen Verlegenheiten
hineingeführt hat, in denen wir sie gegenwärtig erblicken." Solchen Ansichten,
wie sie hier im Senate gegen die Beschränkung der Befugnisse des Staats¬
oberhaupts geäußert worden, meinte Herr Fould, haben Oestreich und Ru߬
land es vielleicht zu verdanken, daß sie sich jetzt in einer Lage befinden,
welche sie schwächt und später möglicher Weise in ernste Verlegenheit stürzen
wird. In Frankreich habe Großes geschehen müssen, und es sei Großes ge¬
schehen; aber nun sei es Zeit, auf den Weg der Sparsamkeit ein¬
zulenken. Man sieht, Hr. Fould kennt die Lage und will zunächst sorgen
daß sie nicht schlimmer werde. Werden aber seine Mittel helfen? Werden die
Minister, welche dem gesetzgebenden Körper nicht verantwortlich sind, mit den
Uevertragungen nicht eben solchen Mißbrauch treiben, wie es bisher mit
den außerordentlichen Credner geschehen ist? Hierauf bemerkt Hr. Fould: die
Übertragungen seien in dem System von 1852 einhalten; sie seien nichts
Neues, aber nicht so gefährlich wie die außerordentlichen Credite. Es gebe
zweierlei Arten. Einfache Übertragung ejncr Ausgabe von einem Kapitel
des Budgets auf ein anderes, eine Nechnungs-Manipulation, von welcher hier
nicht die Rede sei. Die andere Art entziehe die Mittel dem Zwecke, für den
sie bewilligt, und verwende sie für einen andern Zweck, für den sie nicht
bestimmt seien. Dies seien allerdings wirkliche außerordentliche Credite, sie
würden aber nur in Nothfällen gebraucht werden. Man könne die Noth¬
fälle nicht abschaffen, folglich auch nicht die Mittel, um sich zu helfen. So
habe man die Rüstungen für den italienischen Krieg in aller Eile gemacht,
aber außer den Pferden nichts bezahlt, bis die Anleihen das Geld geliefert.
So rüste gegenwärtig England gegen Amerika, ohne Credite, ohne Uebertra-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/50>, abgerufen am 28.12.2024.