Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.Boris Alexesewitsch fand, als er die Erbschaft antrat, nicht ganz was er er¬ Sein Nachfolger Borisowitsch erbte noch dreitausend "Seelen". Er machte Die Tochter dieses interessanten Daniel, Prinzessin Natalia Daniclowna, "O Gcdemin und Minnegul!"*) ruft Pechcrski aus. "wie werdet Ihr -) Die Urahnen der alten russischen Adelsgeschlechter.
Boris Alexesewitsch fand, als er die Erbschaft antrat, nicht ganz was er er¬ Sein Nachfolger Borisowitsch erbte noch dreitausend „Seelen". Er machte Die Tochter dieses interessanten Daniel, Prinzessin Natalia Daniclowna, „O Gcdemin und Minnegul!"*) ruft Pechcrski aus. „wie werdet Ihr -) Die Urahnen der alten russischen Adelsgeschlechter.
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0479" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/113721"/> <p xml:id="ID_1518" prev="#ID_1517"> Boris Alexesewitsch fand, als er die Erbschaft antrat, nicht ganz was er er¬<lb/> wartet hatte. Indeß war das Vermögen so ungeheuer, daß es nicht wohl<lb/> zu ermöglichen war, mit demselben in zwei Generationen fertig zu werden.<lb/> Boris that nun allerdings Alles was in seinen Kräften stand, jene Unmög¬<lb/> lichkeit zu überwinden, und „lebte, als ob er gemiethet worden wäre, die<lb/> Güter der Familie zu ruiniren", aber die Aufgabe war doch zu groß für ihn.<lb/> Er lebte wie ein gerechter und vollkommner altrussischer Herr, nicht so roh<lb/> wie sein Vater, aber ebenso ausschweifend, und verstarb endlich an einer<lb/> Störung der Verdauung, die er sich bei einem großen Festessen in seinem<lb/> Club geholt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1519"> Sein Nachfolger Borisowitsch erbte noch dreitausend „Seelen". Er machte<lb/> zuerst den Versuch, das Besitzthum der Familie wieder emporzubringen, fand<lb/> dies aber unmöglich, besonders da auch er kostspielige Neigungen oder, wie<lb/> er's nannte. Ideen hatte. Er lebte lange Jahre mit Fürst Woronzoff's Ge-<lb/> sandtschaft in Frankreich, verfiel in dieselbe mystisch-pietistische Spielerei, für<lb/> die sich der Kaiser Alexander von Frau von Krüdener begeistern ließ, unter¬<lb/> schrieb große Geldsummen für die Errichtung von Freimaurerlogen und für<lb/> die russische Bibelgesellschaft, und wurde auf diesen und ähnlichen Wegen gegen<lb/> achthundert „Seelen" los.</p><lb/> <p xml:id="ID_1520"> Die Tochter dieses interessanten Daniel, Prinzessin Natalia Daniclowna,<lb/> verreiste sofort nach Ableben ihres Erzeugers in die Bäder Deutschlands und<lb/> von dort nach Italien, wo sie fünfundzwanzig Jahre lebte. Als eines Tags<lb/> ein Kasten mit den sterblichen Resten der Prinzessin von Rom in Zaboria<lb/> anlangte, enthielten die Geldkvffer der Familie gerade noch die Summe von<lb/> zwölf Rubeln, fünfzig Kopeken, wahrend man die auf den Gütern lastenden<lb/> Schulden aus eine Million veranschlagte. Die Verblichne hatte keine nahen<lb/> Verwandten, und unter den entfernten befand sich Niemand, der sie genügend<lb/> geliebt hätte, um Zaboria und mit diesem ihre italienischen Schulden anzu¬<lb/> nehmen. Das Ende der Geschichte war folgendes: das Gut wurde unter den<lb/> Hammer gebracht, der Sohn eines frühern Kellners im Gasthof der Stadt<lb/> erstand Schloß und Land der erlauchten Fürsten von Zaboria, und die Gläu¬<lb/> biger der seligen Prinzessin bekamen fünfundsechzig Kopeken vom Rubel, das<lb/> heißt fünfundsechzig Procent vom Hundert.</p><lb/> <p xml:id="ID_1521"> „O Gcdemin und Minnegul!"*) ruft Pechcrski aus. „wie werdet Ihr<lb/> diesen letzten Sprößlnig Eures edeln und fruchtbaren Geschlechts empfangen<lb/> haben, die Prinzessin Natalia Daniclowna? Dann Du, o Fürst Alexis Juriwitsch,<lb/> wie magst Du sie willkommen geheißen haben, mein Väterchen? Wie betrübt<lb/> mußt Du gewesen sein. Deiner Urenkelin nicht in dieser Welt hienieden zu be¬<lb/> gegnen, wo Du mit ihr nach Deiner Weise verfahren sein würdest."</p><lb/> <note xml:id="FID_22" place="foot"> -) Die Urahnen der alten russischen Adelsgeschlechter.</note><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0479]
Boris Alexesewitsch fand, als er die Erbschaft antrat, nicht ganz was er er¬
wartet hatte. Indeß war das Vermögen so ungeheuer, daß es nicht wohl
zu ermöglichen war, mit demselben in zwei Generationen fertig zu werden.
Boris that nun allerdings Alles was in seinen Kräften stand, jene Unmög¬
lichkeit zu überwinden, und „lebte, als ob er gemiethet worden wäre, die
Güter der Familie zu ruiniren", aber die Aufgabe war doch zu groß für ihn.
Er lebte wie ein gerechter und vollkommner altrussischer Herr, nicht so roh
wie sein Vater, aber ebenso ausschweifend, und verstarb endlich an einer
Störung der Verdauung, die er sich bei einem großen Festessen in seinem
Club geholt.
Sein Nachfolger Borisowitsch erbte noch dreitausend „Seelen". Er machte
zuerst den Versuch, das Besitzthum der Familie wieder emporzubringen, fand
dies aber unmöglich, besonders da auch er kostspielige Neigungen oder, wie
er's nannte. Ideen hatte. Er lebte lange Jahre mit Fürst Woronzoff's Ge-
sandtschaft in Frankreich, verfiel in dieselbe mystisch-pietistische Spielerei, für
die sich der Kaiser Alexander von Frau von Krüdener begeistern ließ, unter¬
schrieb große Geldsummen für die Errichtung von Freimaurerlogen und für
die russische Bibelgesellschaft, und wurde auf diesen und ähnlichen Wegen gegen
achthundert „Seelen" los.
Die Tochter dieses interessanten Daniel, Prinzessin Natalia Daniclowna,
verreiste sofort nach Ableben ihres Erzeugers in die Bäder Deutschlands und
von dort nach Italien, wo sie fünfundzwanzig Jahre lebte. Als eines Tags
ein Kasten mit den sterblichen Resten der Prinzessin von Rom in Zaboria
anlangte, enthielten die Geldkvffer der Familie gerade noch die Summe von
zwölf Rubeln, fünfzig Kopeken, wahrend man die auf den Gütern lastenden
Schulden aus eine Million veranschlagte. Die Verblichne hatte keine nahen
Verwandten, und unter den entfernten befand sich Niemand, der sie genügend
geliebt hätte, um Zaboria und mit diesem ihre italienischen Schulden anzu¬
nehmen. Das Ende der Geschichte war folgendes: das Gut wurde unter den
Hammer gebracht, der Sohn eines frühern Kellners im Gasthof der Stadt
erstand Schloß und Land der erlauchten Fürsten von Zaboria, und die Gläu¬
biger der seligen Prinzessin bekamen fünfundsechzig Kopeken vom Rubel, das
heißt fünfundsechzig Procent vom Hundert.
„O Gcdemin und Minnegul!"*) ruft Pechcrski aus. „wie werdet Ihr
diesen letzten Sprößlnig Eures edeln und fruchtbaren Geschlechts empfangen
haben, die Prinzessin Natalia Daniclowna? Dann Du, o Fürst Alexis Juriwitsch,
wie magst Du sie willkommen geheißen haben, mein Väterchen? Wie betrübt
mußt Du gewesen sein. Deiner Urenkelin nicht in dieser Welt hienieden zu be¬
gegnen, wo Du mit ihr nach Deiner Weise verfahren sein würdest."
-) Die Urahnen der alten russischen Adelsgeschlechter.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |