Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

christliche Ine. und schmiert seinen drek an die kröne meines künigs der erer,
nemlich Christi, des lere ich habe, darumb fois in nicht wundern, ob ich den
drek von meines Herrn kröne uf seine kröne schaler, und sage vor aller wett
daß der künig von Engeland ein iüguer ist und ein unbildder Mann." Von
dein Papst Leo dein Zehnten aber wurde Heinrich für seine Schriftsiellerei mit
dem Titel eines Defensor fidei belohnt,. Einige Jahre später, am 23. März
1531, sprach Papst Clemens der Siebente den Bann über König Heinrich
aus; dieser unterhandelte mit den protestantischen Fürsten Deutschlands über
ein Bündniß und schicke Gesandte aus den Bundestag nach Schmalkalden;
er arbeitete selbst an einem Buche gegen die päpstlichen Rechte und hatte
nichts dagegen einzuwenden, daß an seinem Hofe Possen zur Verspottung des
Papstes und der Cardlnöle aufgeführt wurde".

So hatten sich die Zeiten geändert. Die Frage, an welcher sich die
Umwandlung in der Stellung Heinrich's zum päpstlichen Stuhl allmälig voll¬
zog, war die Scheidung des Königs von seiner ersten Gemahlin. Fronde hat
die Fäden, welche sich in diesem langen und verwickelte" Proceß mannigfach
verschlingen, mit großer Sorgfalt entwirrt. Weit entfernt, daß nur persönliche
Leidenschaft und Interessen das treibende Motiv in dieser Angelegenheit ge¬
wesen wären, handelte es sich vielmehr zu gleicher Zeit um die wichtigsten
Fragen der innern und äußere" Politik. Nur so e>kia>t es sich, daß in allen
Stadien dieser langwierigen Verhandlung das Parlament und die öffentliche
Meinung Englands consequent das Vorgehen des Königs unterstützte.

In erster Linie stand die Unsicherheit der Erbfolge. Als dem König im
Jahr 1515 eine Tochter, die "aehherige Königin Marie Tudor geboren wurde,
machte ihm Jemand die Andeutung, die Geburt eines Sohnes mochte noch
wünschenswürdiger gewesen sein. Heinrich gab rasch zur Antwort, sie seien
noch beide jung, er und seine Gemahlin; warum sollten sie nicht noch einen
Sohn bekomme"? Aber diese Hoffnung war allmälig geschwunden. Die
Königin war i" ein Älter getreten, welches die Hoffnung weiterer Nachkom¬
menschaft ausschloß, und die muthmnßliche Thronerbin war eine Prinzessin,
deren Gesundheit vo" ihrer Kindheit an schwach gewesen war.

Man muß sich hier des Zustandes erinnern, in welchem England sich
damals desund. Etwa vierzig Jahre waren seit der Schlacht von Bosworth
verflossen, durch welche Heinrich der Siebente den, langen und blutigen Kampf
der rothen und weißen Nose ein Ende gemacht hatte. Aber mir wegen all¬
gemeiner Erschöpfung hatte der Krieg aufgehört, nicht weil nicht der Wille
vorhanden gewesen wäre ihn wieder aufzunehmen. Heinrich der Siebente
lebte fortwährend in der Atmosphäre einer nur suspendirten Empörung. Auf
festeren Grundlagen beruhte schon der Thron seines Sohnes Heinrich des
Achten. Das Land hatte sich erholt. Der wachsende Wohlstand ließ die


christliche Ine. und schmiert seinen drek an die kröne meines künigs der erer,
nemlich Christi, des lere ich habe, darumb fois in nicht wundern, ob ich den
drek von meines Herrn kröne uf seine kröne schaler, und sage vor aller wett
daß der künig von Engeland ein iüguer ist und ein unbildder Mann." Von
dein Papst Leo dein Zehnten aber wurde Heinrich für seine Schriftsiellerei mit
dem Titel eines Defensor fidei belohnt,. Einige Jahre später, am 23. März
1531, sprach Papst Clemens der Siebente den Bann über König Heinrich
aus; dieser unterhandelte mit den protestantischen Fürsten Deutschlands über
ein Bündniß und schicke Gesandte aus den Bundestag nach Schmalkalden;
er arbeitete selbst an einem Buche gegen die päpstlichen Rechte und hatte
nichts dagegen einzuwenden, daß an seinem Hofe Possen zur Verspottung des
Papstes und der Cardlnöle aufgeführt wurde».

So hatten sich die Zeiten geändert. Die Frage, an welcher sich die
Umwandlung in der Stellung Heinrich's zum päpstlichen Stuhl allmälig voll¬
zog, war die Scheidung des Königs von seiner ersten Gemahlin. Fronde hat
die Fäden, welche sich in diesem langen und verwickelte» Proceß mannigfach
verschlingen, mit großer Sorgfalt entwirrt. Weit entfernt, daß nur persönliche
Leidenschaft und Interessen das treibende Motiv in dieser Angelegenheit ge¬
wesen wären, handelte es sich vielmehr zu gleicher Zeit um die wichtigsten
Fragen der innern und äußere» Politik. Nur so e>kia>t es sich, daß in allen
Stadien dieser langwierigen Verhandlung das Parlament und die öffentliche
Meinung Englands consequent das Vorgehen des Königs unterstützte.

In erster Linie stand die Unsicherheit der Erbfolge. Als dem König im
Jahr 1515 eine Tochter, die »aehherige Königin Marie Tudor geboren wurde,
machte ihm Jemand die Andeutung, die Geburt eines Sohnes mochte noch
wünschenswürdiger gewesen sein. Heinrich gab rasch zur Antwort, sie seien
noch beide jung, er und seine Gemahlin; warum sollten sie nicht noch einen
Sohn bekomme»? Aber diese Hoffnung war allmälig geschwunden. Die
Königin war i» ein Älter getreten, welches die Hoffnung weiterer Nachkom¬
menschaft ausschloß, und die muthmnßliche Thronerbin war eine Prinzessin,
deren Gesundheit vo» ihrer Kindheit an schwach gewesen war.

Man muß sich hier des Zustandes erinnern, in welchem England sich
damals desund. Etwa vierzig Jahre waren seit der Schlacht von Bosworth
verflossen, durch welche Heinrich der Siebente den, langen und blutigen Kampf
der rothen und weißen Nose ein Ende gemacht hatte. Aber mir wegen all¬
gemeiner Erschöpfung hatte der Krieg aufgehört, nicht weil nicht der Wille
vorhanden gewesen wäre ihn wieder aufzunehmen. Heinrich der Siebente
lebte fortwährend in der Atmosphäre einer nur suspendirten Empörung. Auf
festeren Grundlagen beruhte schon der Thron seines Sohnes Heinrich des
Achten. Das Land hatte sich erholt. Der wachsende Wohlstand ließ die


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0452" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/113694"/>
          <p xml:id="ID_1437" prev="#ID_1436"> christliche Ine. und schmiert seinen drek an die kröne meines künigs der erer,<lb/>
nemlich Christi, des lere ich habe, darumb fois in nicht wundern, ob ich den<lb/>
drek von meines Herrn kröne uf seine kröne schaler, und sage vor aller wett<lb/>
daß der künig von Engeland ein iüguer ist und ein unbildder Mann." Von<lb/>
dein Papst Leo dein Zehnten aber wurde Heinrich für seine Schriftsiellerei mit<lb/>
dem Titel eines Defensor fidei belohnt,. Einige Jahre später, am 23. März<lb/>
1531, sprach Papst Clemens der Siebente den Bann über König Heinrich<lb/>
aus; dieser unterhandelte mit den protestantischen Fürsten Deutschlands über<lb/>
ein Bündniß und schicke Gesandte aus den Bundestag nach Schmalkalden;<lb/>
er arbeitete selbst an einem Buche gegen die päpstlichen Rechte und hatte<lb/>
nichts dagegen einzuwenden, daß an seinem Hofe Possen zur Verspottung des<lb/>
Papstes und der Cardlnöle aufgeführt wurde».</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1438"> So hatten sich die Zeiten geändert. Die Frage, an welcher sich die<lb/>
Umwandlung in der Stellung Heinrich's zum päpstlichen Stuhl allmälig voll¬<lb/>
zog, war die Scheidung des Königs von seiner ersten Gemahlin. Fronde hat<lb/>
die Fäden, welche sich in diesem langen und verwickelte» Proceß mannigfach<lb/>
verschlingen, mit großer Sorgfalt entwirrt. Weit entfernt, daß nur persönliche<lb/>
Leidenschaft und Interessen das treibende Motiv in dieser Angelegenheit ge¬<lb/>
wesen wären, handelte es sich vielmehr zu gleicher Zeit um die wichtigsten<lb/>
Fragen der innern und äußere» Politik. Nur so e&gt;kia&gt;t es sich, daß in allen<lb/>
Stadien dieser langwierigen Verhandlung das Parlament und die öffentliche<lb/>
Meinung Englands consequent das Vorgehen des Königs unterstützte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1439"> In erster Linie stand die Unsicherheit der Erbfolge. Als dem König im<lb/>
Jahr 1515 eine Tochter, die »aehherige Königin Marie Tudor geboren wurde,<lb/>
machte ihm Jemand die Andeutung, die Geburt eines Sohnes mochte noch<lb/>
wünschenswürdiger gewesen sein. Heinrich gab rasch zur Antwort, sie seien<lb/>
noch beide jung, er und seine Gemahlin; warum sollten sie nicht noch einen<lb/>
Sohn bekomme»? Aber diese Hoffnung war allmälig geschwunden. Die<lb/>
Königin war i» ein Älter getreten, welches die Hoffnung weiterer Nachkom¬<lb/>
menschaft ausschloß, und die muthmnßliche Thronerbin war eine Prinzessin,<lb/>
deren Gesundheit vo» ihrer Kindheit an schwach gewesen war.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1440" next="#ID_1441"> Man muß sich hier des Zustandes erinnern, in welchem England sich<lb/>
damals desund. Etwa vierzig Jahre waren seit der Schlacht von Bosworth<lb/>
verflossen, durch welche Heinrich der Siebente den, langen und blutigen Kampf<lb/>
der rothen und weißen Nose ein Ende gemacht hatte. Aber mir wegen all¬<lb/>
gemeiner Erschöpfung hatte der Krieg aufgehört, nicht weil nicht der Wille<lb/>
vorhanden gewesen wäre ihn wieder aufzunehmen. Heinrich der Siebente<lb/>
lebte fortwährend in der Atmosphäre einer nur suspendirten Empörung. Auf<lb/>
festeren Grundlagen beruhte schon der Thron seines Sohnes Heinrich des<lb/>
Achten.  Das Land hatte sich erholt.  Der wachsende Wohlstand ließ die</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0452] christliche Ine. und schmiert seinen drek an die kröne meines künigs der erer, nemlich Christi, des lere ich habe, darumb fois in nicht wundern, ob ich den drek von meines Herrn kröne uf seine kröne schaler, und sage vor aller wett daß der künig von Engeland ein iüguer ist und ein unbildder Mann." Von dein Papst Leo dein Zehnten aber wurde Heinrich für seine Schriftsiellerei mit dem Titel eines Defensor fidei belohnt,. Einige Jahre später, am 23. März 1531, sprach Papst Clemens der Siebente den Bann über König Heinrich aus; dieser unterhandelte mit den protestantischen Fürsten Deutschlands über ein Bündniß und schicke Gesandte aus den Bundestag nach Schmalkalden; er arbeitete selbst an einem Buche gegen die päpstlichen Rechte und hatte nichts dagegen einzuwenden, daß an seinem Hofe Possen zur Verspottung des Papstes und der Cardlnöle aufgeführt wurde». So hatten sich die Zeiten geändert. Die Frage, an welcher sich die Umwandlung in der Stellung Heinrich's zum päpstlichen Stuhl allmälig voll¬ zog, war die Scheidung des Königs von seiner ersten Gemahlin. Fronde hat die Fäden, welche sich in diesem langen und verwickelte» Proceß mannigfach verschlingen, mit großer Sorgfalt entwirrt. Weit entfernt, daß nur persönliche Leidenschaft und Interessen das treibende Motiv in dieser Angelegenheit ge¬ wesen wären, handelte es sich vielmehr zu gleicher Zeit um die wichtigsten Fragen der innern und äußere» Politik. Nur so e>kia>t es sich, daß in allen Stadien dieser langwierigen Verhandlung das Parlament und die öffentliche Meinung Englands consequent das Vorgehen des Königs unterstützte. In erster Linie stand die Unsicherheit der Erbfolge. Als dem König im Jahr 1515 eine Tochter, die »aehherige Königin Marie Tudor geboren wurde, machte ihm Jemand die Andeutung, die Geburt eines Sohnes mochte noch wünschenswürdiger gewesen sein. Heinrich gab rasch zur Antwort, sie seien noch beide jung, er und seine Gemahlin; warum sollten sie nicht noch einen Sohn bekomme»? Aber diese Hoffnung war allmälig geschwunden. Die Königin war i» ein Älter getreten, welches die Hoffnung weiterer Nachkom¬ menschaft ausschloß, und die muthmnßliche Thronerbin war eine Prinzessin, deren Gesundheit vo» ihrer Kindheit an schwach gewesen war. Man muß sich hier des Zustandes erinnern, in welchem England sich damals desund. Etwa vierzig Jahre waren seit der Schlacht von Bosworth verflossen, durch welche Heinrich der Siebente den, langen und blutigen Kampf der rothen und weißen Nose ein Ende gemacht hatte. Aber mir wegen all¬ gemeiner Erschöpfung hatte der Krieg aufgehört, nicht weil nicht der Wille vorhanden gewesen wäre ihn wieder aufzunehmen. Heinrich der Siebente lebte fortwährend in der Atmosphäre einer nur suspendirten Empörung. Auf festeren Grundlagen beruhte schon der Thron seines Sohnes Heinrich des Achten. Das Land hatte sich erholt. Der wachsende Wohlstand ließ die

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/452
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/452>, abgerufen am 29.12.2024.