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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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stehend anerkennt; endlich die Fortschrittspartei erwartet einen Erfolg der Re-
formbesirebungen nur dann, wenn auch die Volksvertretungen in den Einzel¬
staaten ihr politisches und moralisches Gewicht dafür in die Wagschaale
werfen; dies aber dürfe nur dann erwartet werden, wenn die preußische
Regierung "durch rückhaltloses Eingehen auf jedes berechtigte Verlangen des
deutschen Volkes, sowie durch kräftiges Hinwirken auf den freisinnigen Ausbau
der preußischen Verfassung, sich die Sympathieen Deutschlands zu erwerben
versteht." -- Endlich der dritte Antrag der rheinischen Abgeordneten (Bresgen
und Genossen) verlangt "die volle Verwirklichung des unveräußerlichen Rechts
der deutschen Nation, welches in der durch eine monarchische Centralgewalt
und ein gemeinsames Parlament dargestellten staatlichen Einigung besteht",
und fordert die Regierung auf, "daß sie, um sich die zur Erreichung dieses
Zieles nöthige Sympathie der deutschen Volksstämme zu erwerben und zu
sichern, vor Allem den freisinnigen Ausbau der preußischen Verfassung in ihrem
ursprünglichen Geiste, und die Umgestaltung aller Einrichtungen im Staate,
welche mit derselben nicht vollständig im Einklang sind, ernst und kräftig in
die Hand nehme." Dieser letztere Gedanke, welchen die Fortschrittspartei
nur als eine motivirende Erwägung ausgesprochen hatte, ist hier in den Re¬
solutionsantrag selbst aufgenommen worden.

Die Commission, welche diese Anträge zu begutachten und einen Einigungs¬
versuch zu machen hatte, hielt ihre erste Sitzung am Montag den 24. Febr.
Auch der Minister des Auswärtigen war in dieser Sitzung erschiene" und
sprach sich über die Stellung der Regierung zur deutschen Frage und insbe¬
sondere zu den vorliegenden drei Anträgen aus. Das deutsche Programm der
Regierung formulirte Graf Bernstorff in folgender Weise: "Von dem bestehen¬
den Vundcsrccht ausgehend hält die Regierung die Bildung eines engeren
Vereines deutscher Staaten innerhalb des Bundes in der Weise für wünschens¬
wert!) und für das Ganze ersprießlich, daß in dem Vorstande dieses Vereins
das militärische Oder-Commando und die Vertretung nach Außen vereinigt
werde; zur Mitwirkung an der gemeinsamen Lösung von Fragen des inneren
Staatsrechts aber eine parlamentarische Vertretung aus den theilnehmenden
Staaten dem Vorstande zur Seite trete. Wie die Bildung des Vereins selbst,
müßte auch die nähere Präcisirung seiner Grundlagen und Modalitüten der
freien Vereinbarung vorbehalten bleiben, und es haben deshalb folgerichtig
für denselben keine bestimmten Grenzen in Bezug auf seinen äußeren Umfang
gezogen werden können." Indem der Minister anerkennt, daß die preußische
Landesvertretung vorzugsweise berechtigt ist, ihre Ansicht' über die Bundes-
reform auszusprechen, präcisirt er zugleich sein Verhältniß zu den gestellten
drei Anträgen. In dem Antrag der Fraction Grabow erkennt er das Bestre-
ben. die von der Regierung vertretene Richtung in der Reformfrage zu unter-


stehend anerkennt; endlich die Fortschrittspartei erwartet einen Erfolg der Re-
formbesirebungen nur dann, wenn auch die Volksvertretungen in den Einzel¬
staaten ihr politisches und moralisches Gewicht dafür in die Wagschaale
werfen; dies aber dürfe nur dann erwartet werden, wenn die preußische
Regierung „durch rückhaltloses Eingehen auf jedes berechtigte Verlangen des
deutschen Volkes, sowie durch kräftiges Hinwirken auf den freisinnigen Ausbau
der preußischen Verfassung, sich die Sympathieen Deutschlands zu erwerben
versteht." — Endlich der dritte Antrag der rheinischen Abgeordneten (Bresgen
und Genossen) verlangt „die volle Verwirklichung des unveräußerlichen Rechts
der deutschen Nation, welches in der durch eine monarchische Centralgewalt
und ein gemeinsames Parlament dargestellten staatlichen Einigung besteht",
und fordert die Regierung auf, „daß sie, um sich die zur Erreichung dieses
Zieles nöthige Sympathie der deutschen Volksstämme zu erwerben und zu
sichern, vor Allem den freisinnigen Ausbau der preußischen Verfassung in ihrem
ursprünglichen Geiste, und die Umgestaltung aller Einrichtungen im Staate,
welche mit derselben nicht vollständig im Einklang sind, ernst und kräftig in
die Hand nehme." Dieser letztere Gedanke, welchen die Fortschrittspartei
nur als eine motivirende Erwägung ausgesprochen hatte, ist hier in den Re¬
solutionsantrag selbst aufgenommen worden.

Die Commission, welche diese Anträge zu begutachten und einen Einigungs¬
versuch zu machen hatte, hielt ihre erste Sitzung am Montag den 24. Febr.
Auch der Minister des Auswärtigen war in dieser Sitzung erschiene» und
sprach sich über die Stellung der Regierung zur deutschen Frage und insbe¬
sondere zu den vorliegenden drei Anträgen aus. Das deutsche Programm der
Regierung formulirte Graf Bernstorff in folgender Weise: „Von dem bestehen¬
den Vundcsrccht ausgehend hält die Regierung die Bildung eines engeren
Vereines deutscher Staaten innerhalb des Bundes in der Weise für wünschens¬
wert!) und für das Ganze ersprießlich, daß in dem Vorstande dieses Vereins
das militärische Oder-Commando und die Vertretung nach Außen vereinigt
werde; zur Mitwirkung an der gemeinsamen Lösung von Fragen des inneren
Staatsrechts aber eine parlamentarische Vertretung aus den theilnehmenden
Staaten dem Vorstande zur Seite trete. Wie die Bildung des Vereins selbst,
müßte auch die nähere Präcisirung seiner Grundlagen und Modalitüten der
freien Vereinbarung vorbehalten bleiben, und es haben deshalb folgerichtig
für denselben keine bestimmten Grenzen in Bezug auf seinen äußeren Umfang
gezogen werden können." Indem der Minister anerkennt, daß die preußische
Landesvertretung vorzugsweise berechtigt ist, ihre Ansicht' über die Bundes-
reform auszusprechen, präcisirt er zugleich sein Verhältniß zu den gestellten
drei Anträgen. In dem Antrag der Fraction Grabow erkennt er das Bestre-
ben. die von der Regierung vertretene Richtung in der Reformfrage zu unter-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/410>, abgerufen am 23.07.2024.