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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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Noch weniger als hinsichtlich des Zieles, dürfen wir hinsichtlich der Mit¬
tel auf einige Entschiedenheit hoffen. Herr v. Carlowitz hat über diese Seite
der Sache mit genügender Deutlichkeit gesprochen. Wenn Preußen einen Er¬
folg erreichen will, gibt es nur zwei Wege, Entweder man muß erklären,
daß. wenn in Hessen Unruhe" ausbrechen sollten. Preußen der hessischen Negie¬
rung nicht helfen und auch nickt dulden werde, daß dies von Seiten anderer
Regierungen geschehe. Oder Preußen schickt eine bestimmte Forderung als
Ultimatum noch Kassel und wenn hierauf nickt die nöthige Remedur
erfolgt, stellt es durch bewaffnetes Einschreiten das gebeugte Recht wieder
her. Nur der letztere Weg scheint einer großen Macht würdig. Auf dein ersteren
Weg würde man eine Flamme anschüren, während man den Funken noch
leicht ersticken kann. Aber Gras Bernstorff, so weit wir sehen, wird keinen
von diesen beiden Wegen einschlagen. Er sprach von Verhandlungen, die um
Bundestag schweben; wahrscheinlich die über den bekannten badischen Antrag.
Dieser ist -- am 4. Juli v. I. gestellt. Seitdem, "ach mehr als sieben Mona¬
ten, ist noch nicht einmal ein Bericht erstattet. Wer den Gang der Dinge am
Bundestag kennt, kann sich darüber nicht wundern. Die Majorität ist gegen
Preuße"; also wird der badische Antrag verschleppt, und wenn das nicht länger
geht, wird er verstümmelt oder verworfen. Darauf sollen wir nnn warten,
und inzwischen wird Herr v. Baumbach. der Genosse Hassenpflugs, mit einem
preußischen Orden decorirt, und in Kassel vertritt uns Herr von Sydow, der
imnierhin ein rechtschaffener Mann sei" mag. aber dein wir doch lieber unsere
Interessen i" Lissabon, als die i" Kassel anvertrauen mochten-

Und dock ist gerade jetzt der Augenblick, wo Preuße" mit festem Entschluß
sich seine Stellung in Deutschland erkämpfen muß, wen" es nicht weit, sehr
weit zurückweichen will. Der Schlag, welche" Oestreich und die Würzburger
Coalirten durch die identischen Noten vom 2. Febr. gegen Preußen gerichtet
habe", muß durch einen Gegenschlag erwiedert werden, durch den Preußen aus
der Defensive >" die Offensive kommt. Wir sind nicht mehr in der ersten Auf
regung, welche sich natürlich an die Nachricht von diesem östreichisch-würzbur-
gischen Coniplott knüpfte. Seitdem die identischen Noten veröffentlicht sind,
wisse" wir, daß ihr Inhalt nicht so gefährlich ist, wie es anfangs schien. In
der Negation sehr statt, sind sie in der Position sehr schwach. Sie protestiren
entschiede" gegen den schwächliche" Unionsgedanken Bernstorff's, und propo-
niren dagegen Cvnferenze" auf einer Basis, welche ebenso unmöglich wie für
Preuße" uneinnehmbar ist. Daß es zu diesen Conferenzen nicht kommen wird,
versteht sich von selbst. Wer möchte die Dresdener Farce von 185t noch ein¬
mal aufiühren? Die Acten aus jener Zeit können also unausgestäubt liegen
bleibe".

Auch hat Preußen bereits erklärt, daß es die Berathungen auf der von


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Noch weniger als hinsichtlich des Zieles, dürfen wir hinsichtlich der Mit¬
tel auf einige Entschiedenheit hoffen. Herr v. Carlowitz hat über diese Seite
der Sache mit genügender Deutlichkeit gesprochen. Wenn Preußen einen Er¬
folg erreichen will, gibt es nur zwei Wege, Entweder man muß erklären,
daß. wenn in Hessen Unruhe» ausbrechen sollten. Preußen der hessischen Negie¬
rung nicht helfen und auch nickt dulden werde, daß dies von Seiten anderer
Regierungen geschehe. Oder Preußen schickt eine bestimmte Forderung als
Ultimatum noch Kassel und wenn hierauf nickt die nöthige Remedur
erfolgt, stellt es durch bewaffnetes Einschreiten das gebeugte Recht wieder
her. Nur der letztere Weg scheint einer großen Macht würdig. Auf dein ersteren
Weg würde man eine Flamme anschüren, während man den Funken noch
leicht ersticken kann. Aber Gras Bernstorff, so weit wir sehen, wird keinen
von diesen beiden Wegen einschlagen. Er sprach von Verhandlungen, die um
Bundestag schweben; wahrscheinlich die über den bekannten badischen Antrag.
Dieser ist — am 4. Juli v. I. gestellt. Seitdem, »ach mehr als sieben Mona¬
ten, ist noch nicht einmal ein Bericht erstattet. Wer den Gang der Dinge am
Bundestag kennt, kann sich darüber nicht wundern. Die Majorität ist gegen
Preuße»; also wird der badische Antrag verschleppt, und wenn das nicht länger
geht, wird er verstümmelt oder verworfen. Darauf sollen wir nnn warten,
und inzwischen wird Herr v. Baumbach. der Genosse Hassenpflugs, mit einem
preußischen Orden decorirt, und in Kassel vertritt uns Herr von Sydow, der
imnierhin ein rechtschaffener Mann sei» mag. aber dein wir doch lieber unsere
Interessen i» Lissabon, als die i» Kassel anvertrauen mochten-

Und dock ist gerade jetzt der Augenblick, wo Preuße» mit festem Entschluß
sich seine Stellung in Deutschland erkämpfen muß, wen» es nicht weit, sehr
weit zurückweichen will. Der Schlag, welche» Oestreich und die Würzburger
Coalirten durch die identischen Noten vom 2. Febr. gegen Preußen gerichtet
habe», muß durch einen Gegenschlag erwiedert werden, durch den Preußen aus
der Defensive >» die Offensive kommt. Wir sind nicht mehr in der ersten Auf
regung, welche sich natürlich an die Nachricht von diesem östreichisch-würzbur-
gischen Coniplott knüpfte. Seitdem die identischen Noten veröffentlicht sind,
wisse» wir, daß ihr Inhalt nicht so gefährlich ist, wie es anfangs schien. In
der Negation sehr statt, sind sie in der Position sehr schwach. Sie protestiren
entschiede» gegen den schwächliche» Unionsgedanken Bernstorff's, und propo-
niren dagegen Cvnferenze» auf einer Basis, welche ebenso unmöglich wie für
Preuße» uneinnehmbar ist. Daß es zu diesen Conferenzen nicht kommen wird,
versteht sich von selbst. Wer möchte die Dresdener Farce von 185t noch ein¬
mal aufiühren? Die Acten aus jener Zeit können also unausgestäubt liegen
bleibe».

Auch hat Preußen bereits erklärt, daß es die Berathungen auf der von


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[0363] Noch weniger als hinsichtlich des Zieles, dürfen wir hinsichtlich der Mit¬ tel auf einige Entschiedenheit hoffen. Herr v. Carlowitz hat über diese Seite der Sache mit genügender Deutlichkeit gesprochen. Wenn Preußen einen Er¬ folg erreichen will, gibt es nur zwei Wege, Entweder man muß erklären, daß. wenn in Hessen Unruhe» ausbrechen sollten. Preußen der hessischen Negie¬ rung nicht helfen und auch nickt dulden werde, daß dies von Seiten anderer Regierungen geschehe. Oder Preußen schickt eine bestimmte Forderung als Ultimatum noch Kassel und wenn hierauf nickt die nöthige Remedur erfolgt, stellt es durch bewaffnetes Einschreiten das gebeugte Recht wieder her. Nur der letztere Weg scheint einer großen Macht würdig. Auf dein ersteren Weg würde man eine Flamme anschüren, während man den Funken noch leicht ersticken kann. Aber Gras Bernstorff, so weit wir sehen, wird keinen von diesen beiden Wegen einschlagen. Er sprach von Verhandlungen, die um Bundestag schweben; wahrscheinlich die über den bekannten badischen Antrag. Dieser ist — am 4. Juli v. I. gestellt. Seitdem, »ach mehr als sieben Mona¬ ten, ist noch nicht einmal ein Bericht erstattet. Wer den Gang der Dinge am Bundestag kennt, kann sich darüber nicht wundern. Die Majorität ist gegen Preuße»; also wird der badische Antrag verschleppt, und wenn das nicht länger geht, wird er verstümmelt oder verworfen. Darauf sollen wir nnn warten, und inzwischen wird Herr v. Baumbach. der Genosse Hassenpflugs, mit einem preußischen Orden decorirt, und in Kassel vertritt uns Herr von Sydow, der imnierhin ein rechtschaffener Mann sei» mag. aber dein wir doch lieber unsere Interessen i» Lissabon, als die i» Kassel anvertrauen mochten- Und dock ist gerade jetzt der Augenblick, wo Preuße» mit festem Entschluß sich seine Stellung in Deutschland erkämpfen muß, wen» es nicht weit, sehr weit zurückweichen will. Der Schlag, welche» Oestreich und die Würzburger Coalirten durch die identischen Noten vom 2. Febr. gegen Preußen gerichtet habe», muß durch einen Gegenschlag erwiedert werden, durch den Preußen aus der Defensive >» die Offensive kommt. Wir sind nicht mehr in der ersten Auf regung, welche sich natürlich an die Nachricht von diesem östreichisch-würzbur- gischen Coniplott knüpfte. Seitdem die identischen Noten veröffentlicht sind, wisse» wir, daß ihr Inhalt nicht so gefährlich ist, wie es anfangs schien. In der Negation sehr statt, sind sie in der Position sehr schwach. Sie protestiren entschiede» gegen den schwächliche» Unionsgedanken Bernstorff's, und propo- niren dagegen Cvnferenze» auf einer Basis, welche ebenso unmöglich wie für Preuße» uneinnehmbar ist. Daß es zu diesen Conferenzen nicht kommen wird, versteht sich von selbst. Wer möchte die Dresdener Farce von 185t noch ein¬ mal aufiühren? Die Acten aus jener Zeit können also unausgestäubt liegen bleibe». Auch hat Preußen bereits erklärt, daß es die Berathungen auf der von 45*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/363>, abgerufen am 23.07.2024.