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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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Schritt von uns einen Dragoner vom Regiment? Prittwitz. welcher ein Beute¬
pferd an der Hand hatte. Ich strengte meine Stimme, so sehr ich konnte, an
und rief ihn herbei. Zu meiner Freude, hörte er mich und kam heran; als
er nur noch ein paar Schritt von mir war, sprang ich auf und sagte zu ihm:
"Lieber Dragoner, nehm' Er mich mit." Da erhob sich auch der Herr Lieu¬
tenant und befahl: "Dragoner, nehm' Er mich mit!" "Nein." sagte der Reiter,
"ich werde lieber das Kind mitnehmen, Sie haben lange Beine, Herr Lieute¬
nant, und kommen schon noch fort." damit faßte er mich hinten beim Kragen
und hob mich in die Hohe, weil ich die Bügel nicht erreichen konnte. Kaum
saß ich im Sattel und hatte meine Füße in die Steigriemen gestellt, weil die
Bügel für mich viel zu lang waren, so ging es fort im Galopp eine ganze
Strecke lang. Der Dragoner führte das Pferd an der Kandare, mir die
Trense überlassend. Dann singen wir an zu traben; das incommodirte mich
sehr, ich trieb mein Pferd Galopp zu gehen; aber der Dragoner litt das nicht,
mich belehrend, das hielten die Pferde nicht lange aus. Es wurde also ge¬
kräht. Davon aber bekam ich Milzstechen, so daß ich um Gottes willen bat,
ein wenig Schritt zu reiten. Mein Führer hielt aber Eile für nöthig, und
das unglückselige Traben sing wieder an und damit auch das fürchterlichste
Seitenstechen.

So jagten wir geraume Zeit fort. Wenn die Schmerzen bei mir gar zu
arg wurden, ging es wieder ein Stückchen im Schritt, dann wieder scharfer
Trab, bis wir auf diese Weise Weimar glücklich erreichten. Am ri. hatten
wir noch Tractament empfangen. 14 Groschen auf fünf Tage, davon hatte
,es noch 8; ich kaufte mir eine Semmel und ein paar Aepfel und fand die
Bagage unseres Bataillons, welche "n vollen Rückzüge war. Der Lapitain
et'g.renes der Compagnie nahm mich auf den Wagen und gab mir em Com-
misbrot, von dem ich gemüthlich zehrte. Eine Stimme rief plötzlich-. "Ach
Herr Junker, geben Sie mir doch etwas Brot." Ich blickte auf und sah in
dem Bittenden einen hübschen jungen Unteroffizier vom Regiment Gettkand-
Husaren. Ich gab, ihm das halbe Brot, und da ich bemerkte, daß er ein
schönes französisches Ofsizierspferd. das er erbeutet, bei sich führte, bat ich
ihn, mich auf demselben mitzunehmen. Er zeigte sich sogleich bereit dazu,
stieg ab, schnallte mir die Bügel kurz, half mir hinauf und bewies in allen
Stücken, daß er ein junger Mann von Erziehung war; rund überließ er mir
das Pferd allein. So war ich denn wieder im Sattel trotz der früher aus-
gestandenen Höllcnschmcrzen. Dazu hatte mich eine kurze Reflexion bestimmt,
als ich so auf dem Compagnicwngen saß und mein Commisbrot verzehrte,
und die Unmasse von Fuhrwerken aller Art sah. welche die Chaussee anfüllte.
Mein Gott! hatte ich gedacht, wie wird das werden? wenn diese Wagen
mit einem Male anfangen schnell zu fahren und jeder suchen wird vor dem


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Schritt von uns einen Dragoner vom Regiment? Prittwitz. welcher ein Beute¬
pferd an der Hand hatte. Ich strengte meine Stimme, so sehr ich konnte, an
und rief ihn herbei. Zu meiner Freude, hörte er mich und kam heran; als
er nur noch ein paar Schritt von mir war, sprang ich auf und sagte zu ihm:
„Lieber Dragoner, nehm' Er mich mit." Da erhob sich auch der Herr Lieu¬
tenant und befahl: „Dragoner, nehm' Er mich mit!" „Nein." sagte der Reiter,
„ich werde lieber das Kind mitnehmen, Sie haben lange Beine, Herr Lieute¬
nant, und kommen schon noch fort." damit faßte er mich hinten beim Kragen
und hob mich in die Hohe, weil ich die Bügel nicht erreichen konnte. Kaum
saß ich im Sattel und hatte meine Füße in die Steigriemen gestellt, weil die
Bügel für mich viel zu lang waren, so ging es fort im Galopp eine ganze
Strecke lang. Der Dragoner führte das Pferd an der Kandare, mir die
Trense überlassend. Dann singen wir an zu traben; das incommodirte mich
sehr, ich trieb mein Pferd Galopp zu gehen; aber der Dragoner litt das nicht,
mich belehrend, das hielten die Pferde nicht lange aus. Es wurde also ge¬
kräht. Davon aber bekam ich Milzstechen, so daß ich um Gottes willen bat,
ein wenig Schritt zu reiten. Mein Führer hielt aber Eile für nöthig, und
das unglückselige Traben sing wieder an und damit auch das fürchterlichste
Seitenstechen.

So jagten wir geraume Zeit fort. Wenn die Schmerzen bei mir gar zu
arg wurden, ging es wieder ein Stückchen im Schritt, dann wieder scharfer
Trab, bis wir auf diese Weise Weimar glücklich erreichten. Am ri. hatten
wir noch Tractament empfangen. 14 Groschen auf fünf Tage, davon hatte
,es noch 8; ich kaufte mir eine Semmel und ein paar Aepfel und fand die
Bagage unseres Bataillons, welche »n vollen Rückzüge war. Der Lapitain
et'g.renes der Compagnie nahm mich auf den Wagen und gab mir em Com-
misbrot, von dem ich gemüthlich zehrte. Eine Stimme rief plötzlich-. „Ach
Herr Junker, geben Sie mir doch etwas Brot." Ich blickte auf und sah in
dem Bittenden einen hübschen jungen Unteroffizier vom Regiment Gettkand-
Husaren. Ich gab, ihm das halbe Brot, und da ich bemerkte, daß er ein
schönes französisches Ofsizierspferd. das er erbeutet, bei sich führte, bat ich
ihn, mich auf demselben mitzunehmen. Er zeigte sich sogleich bereit dazu,
stieg ab, schnallte mir die Bügel kurz, half mir hinauf und bewies in allen
Stücken, daß er ein junger Mann von Erziehung war; rund überließ er mir
das Pferd allein. So war ich denn wieder im Sattel trotz der früher aus-
gestandenen Höllcnschmcrzen. Dazu hatte mich eine kurze Reflexion bestimmt,
als ich so auf dem Compagnicwngen saß und mein Commisbrot verzehrte,
und die Unmasse von Fuhrwerken aller Art sah. welche die Chaussee anfüllte.
Mein Gott! hatte ich gedacht, wie wird das werden? wenn diese Wagen
mit einem Male anfangen schnell zu fahren und jeder suchen wird vor dem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/36>, abgerufen am 23.07.2024.