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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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n arti entworfen, den man wegen Betrugs einsperren mußte, und von dem
früheren Finanzminister Guill unterzeichnet, den der Papst wegzujagen ge-
nöthigt wurde, weil der Biedermann Miene machte, das Institut ohne Rück¬
sicht auf Antonclll's Interessen auszubeuten. Der Name des heiligen Vaters
steht neben dem eines Galli, eines Giovanardi. "Die schändlichsten Schurken!"
ruft Liverani's Erbitterung aus. Man emittirt auf einmal Noten im Betrag von
fünf Millionen Scudi. eine Summe, die durch das Bedürfniß nicht entfernt
gerechtfertigt ist. Die Folge ist, daß die Preise aller Waaren sofort in er¬
schreckendem Grade steigen, und daß die Kirchengüter bei Erneuerung der
Pachtverträge ein schönes Geschäft machen, nur die Löhne bleiben dieselben.
Dann werfen sich die Antonelli auf die Waaren selbst und vorzüglich auf die
wichtigsten derselben, auf die Lebensmittel. Bruder Filippo. der Bankgouverneur,
öffnet und schließt, je nach dem Interesse der Firma, den Sack mit dem Tausch¬
mittel, Bruder Luigi, der Conservator, wirkt emsig für das Geschäft als Leiter
der Getreidepolizei. Jener operirt auf die Schaar der Müller, Bäcker, Fleischer
und Obsthändler, dieser versammelt die Höker und Zwischenhändler unter
seine Flügel. So ist das Volk, soweit es aus essenden und trinkenden In¬
dividuen besteht, vollständig in den Händen der Finanziers von Sonnino.
und es muß hungern, wenn es den Zoll des Cardinal - Staatssecretärs nicht
bezahlen kann. "Zehn Pfund Brot 25 bis 30 Bajocchi!" seufzt Liverani's.
betrübte Seele. Vergleicht man die Brotpreise mit den Getreidepreisen auf
dem großen Markt, so hört aller Zusammenhang auf, so stehen Sinn und
Verstand still.

Die Antonelli nahmen ferner den Torlonia die Regie des Salzes und
die des Tabaks ab, sie vertheuerteu Oel und Wein, sie speculirten in den
Verschiedensten andern Lebensbedürfnissen und sicher meist mit Glück für ihre
Kasse. Dennoch wollen sie arm sein, und da sie sich sorgfältig hüten, ihren
Reichthum durchblicken zu lassen, so glauben ihnen die. welche glauben wollen.
Aber die Römer haben gute Augen und Ohren, und sie wissen, daß die Brü¬
der täglich Geld .in Häusern und Actien anlegen, ja es geht das Gerücht,
die Firma habe bereits ein paar Millionen ihrer Ersparnisse in der englischen
Bank deponirt. was wir bis auf genügenden Beweis für ein Wenig hochge-
griffen, wenn auch keineswegs für unmöglich, halten wollen.

Veuillot hat den Cardinal-Stnatssecretär Pio Nouv's einen Heros genannt.
Nach den Mittheilungen Liverani's werden wir dem französischen Panegyriker inso¬
fern nicht Unrecht geben dürfen, als eine solche Ausnutzung ministerieller Befugniß
weit über gewöhnliches menschliches Thun und Begreifen hinausgipfelt.

Die "Grenzboten" haben in einem früheren Aufsatz (Iaiirg, 1360. 1.
Viertelj. S. 281 ff. und S. 331 ff.) die gesammte Wirthschaft im Kirchen¬
staat ausführlich geschildert, und da Liveram das Wesentlichste des dort Ge-


n arti entworfen, den man wegen Betrugs einsperren mußte, und von dem
früheren Finanzminister Guill unterzeichnet, den der Papst wegzujagen ge-
nöthigt wurde, weil der Biedermann Miene machte, das Institut ohne Rück¬
sicht auf Antonclll's Interessen auszubeuten. Der Name des heiligen Vaters
steht neben dem eines Galli, eines Giovanardi. „Die schändlichsten Schurken!"
ruft Liverani's Erbitterung aus. Man emittirt auf einmal Noten im Betrag von
fünf Millionen Scudi. eine Summe, die durch das Bedürfniß nicht entfernt
gerechtfertigt ist. Die Folge ist, daß die Preise aller Waaren sofort in er¬
schreckendem Grade steigen, und daß die Kirchengüter bei Erneuerung der
Pachtverträge ein schönes Geschäft machen, nur die Löhne bleiben dieselben.
Dann werfen sich die Antonelli auf die Waaren selbst und vorzüglich auf die
wichtigsten derselben, auf die Lebensmittel. Bruder Filippo. der Bankgouverneur,
öffnet und schließt, je nach dem Interesse der Firma, den Sack mit dem Tausch¬
mittel, Bruder Luigi, der Conservator, wirkt emsig für das Geschäft als Leiter
der Getreidepolizei. Jener operirt auf die Schaar der Müller, Bäcker, Fleischer
und Obsthändler, dieser versammelt die Höker und Zwischenhändler unter
seine Flügel. So ist das Volk, soweit es aus essenden und trinkenden In¬
dividuen besteht, vollständig in den Händen der Finanziers von Sonnino.
und es muß hungern, wenn es den Zoll des Cardinal - Staatssecretärs nicht
bezahlen kann. „Zehn Pfund Brot 25 bis 30 Bajocchi!" seufzt Liverani's.
betrübte Seele. Vergleicht man die Brotpreise mit den Getreidepreisen auf
dem großen Markt, so hört aller Zusammenhang auf, so stehen Sinn und
Verstand still.

Die Antonelli nahmen ferner den Torlonia die Regie des Salzes und
die des Tabaks ab, sie vertheuerteu Oel und Wein, sie speculirten in den
Verschiedensten andern Lebensbedürfnissen und sicher meist mit Glück für ihre
Kasse. Dennoch wollen sie arm sein, und da sie sich sorgfältig hüten, ihren
Reichthum durchblicken zu lassen, so glauben ihnen die. welche glauben wollen.
Aber die Römer haben gute Augen und Ohren, und sie wissen, daß die Brü¬
der täglich Geld .in Häusern und Actien anlegen, ja es geht das Gerücht,
die Firma habe bereits ein paar Millionen ihrer Ersparnisse in der englischen
Bank deponirt. was wir bis auf genügenden Beweis für ein Wenig hochge-
griffen, wenn auch keineswegs für unmöglich, halten wollen.

Veuillot hat den Cardinal-Stnatssecretär Pio Nouv's einen Heros genannt.
Nach den Mittheilungen Liverani's werden wir dem französischen Panegyriker inso¬
fern nicht Unrecht geben dürfen, als eine solche Ausnutzung ministerieller Befugniß
weit über gewöhnliches menschliches Thun und Begreifen hinausgipfelt.

Die „Grenzboten" haben in einem früheren Aufsatz (Iaiirg, 1360. 1.
Viertelj. S. 281 ff. und S. 331 ff.) die gesammte Wirthschaft im Kirchen¬
staat ausführlich geschildert, und da Liveram das Wesentlichste des dort Ge-


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[0348] n arti entworfen, den man wegen Betrugs einsperren mußte, und von dem früheren Finanzminister Guill unterzeichnet, den der Papst wegzujagen ge- nöthigt wurde, weil der Biedermann Miene machte, das Institut ohne Rück¬ sicht auf Antonclll's Interessen auszubeuten. Der Name des heiligen Vaters steht neben dem eines Galli, eines Giovanardi. „Die schändlichsten Schurken!" ruft Liverani's Erbitterung aus. Man emittirt auf einmal Noten im Betrag von fünf Millionen Scudi. eine Summe, die durch das Bedürfniß nicht entfernt gerechtfertigt ist. Die Folge ist, daß die Preise aller Waaren sofort in er¬ schreckendem Grade steigen, und daß die Kirchengüter bei Erneuerung der Pachtverträge ein schönes Geschäft machen, nur die Löhne bleiben dieselben. Dann werfen sich die Antonelli auf die Waaren selbst und vorzüglich auf die wichtigsten derselben, auf die Lebensmittel. Bruder Filippo. der Bankgouverneur, öffnet und schließt, je nach dem Interesse der Firma, den Sack mit dem Tausch¬ mittel, Bruder Luigi, der Conservator, wirkt emsig für das Geschäft als Leiter der Getreidepolizei. Jener operirt auf die Schaar der Müller, Bäcker, Fleischer und Obsthändler, dieser versammelt die Höker und Zwischenhändler unter seine Flügel. So ist das Volk, soweit es aus essenden und trinkenden In¬ dividuen besteht, vollständig in den Händen der Finanziers von Sonnino. und es muß hungern, wenn es den Zoll des Cardinal - Staatssecretärs nicht bezahlen kann. „Zehn Pfund Brot 25 bis 30 Bajocchi!" seufzt Liverani's. betrübte Seele. Vergleicht man die Brotpreise mit den Getreidepreisen auf dem großen Markt, so hört aller Zusammenhang auf, so stehen Sinn und Verstand still. Die Antonelli nahmen ferner den Torlonia die Regie des Salzes und die des Tabaks ab, sie vertheuerteu Oel und Wein, sie speculirten in den Verschiedensten andern Lebensbedürfnissen und sicher meist mit Glück für ihre Kasse. Dennoch wollen sie arm sein, und da sie sich sorgfältig hüten, ihren Reichthum durchblicken zu lassen, so glauben ihnen die. welche glauben wollen. Aber die Römer haben gute Augen und Ohren, und sie wissen, daß die Brü¬ der täglich Geld .in Häusern und Actien anlegen, ja es geht das Gerücht, die Firma habe bereits ein paar Millionen ihrer Ersparnisse in der englischen Bank deponirt. was wir bis auf genügenden Beweis für ein Wenig hochge- griffen, wenn auch keineswegs für unmöglich, halten wollen. Veuillot hat den Cardinal-Stnatssecretär Pio Nouv's einen Heros genannt. Nach den Mittheilungen Liverani's werden wir dem französischen Panegyriker inso¬ fern nicht Unrecht geben dürfen, als eine solche Ausnutzung ministerieller Befugniß weit über gewöhnliches menschliches Thun und Begreifen hinausgipfelt. Die „Grenzboten" haben in einem früheren Aufsatz (Iaiirg, 1360. 1. Viertelj. S. 281 ff. und S. 331 ff.) die gesammte Wirthschaft im Kirchen¬ staat ausführlich geschildert, und da Liveram das Wesentlichste des dort Ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/348>, abgerufen am 29.12.2024.