Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

schen Bundesstaates bei einzelnen anderen Regierungen gemacht hat. Unter
den Mittelstaaten zumeist in Baden. Dort hat sich aus verworrenen Verhältnis¬
sen, nach ernsten persönlichen Erfahrungen, aus innern Conflicten mit der kirchli¬
chen und politischen Reaction der Charakter eines Fürsten entwickelt, wie ihn sein
Volk nicht heilbringender wünschen kann: ehrlich, besonnen, zuverlässig, mit
warmem Gemüth und vorsichtigem Urtheil. Er hat seine Beamten gut
gewählt, er weiß sie auch zu halten und zu stützen, und er gewährt ihnen
in ihrem Ressort vertrauend die volle Selbständigkeit, welche sür consequen-
tes Schaffen nothwendig ist. Von besonderem Werthe aber für die Deutschen
ist die innige Verbindung geworden, in welche der Großherzog mit einer talentvol¬
len und sehr originellen Persönlichkeit aus den Reihen der jüngern deutschn, Diplo¬
matie getreten ist. Franz von Roggenbach, dessen Denkschrift vom 28. Januar über
die deutsche Frage grade jetzt ein sehr gerechtfertigtes Aufsehn macht, ist wahr¬
scheinlich dazu berufen, in der nächsten Zukunft Deutschlands eine wichtige Rolle
zu spielen. Im blühenden Mannesalter, aus altem Badischen Geschlecht,
dessen Traditionen von der politischen Richtung, welcher er angehört, weit
abliegen, hat er seine erste diplomatische Schule in den Jahren der beginnen¬
den deutschen Bewegung gemacht. Während der Zeit der Reaction ohne
amtliche Stellung, verfolgte er doch mit gespannter Theilnahme die Parteien
der Höfe, alle Lebensäußerungen des Volkes. Ein glänzender Geist und eine
ungewöhnliche gesellschaftliche Begabung machten ihn zu einem willkommenen
Gast der Salons von Paris und London, in den Tuilerien wie in Windsorschloß.
Kaum verstand Jemand besser zu hören, die verschiedenartigsten Verbindungen
zu unterhalten. Dabei aber blieb der Grundzug seiner Natur, ein begeisterter
Idealismus, nur gebändigt durch die harte Schule der Geduld und Entsagung,
welche jeder deutsche Staatsmann durchmachen muß. Sein edles, aber weiches
Gemüth, eine sogar unter den Deutschen ungewöhnliche Selbstlosigkeit und
dabei eine Ader von heimlicher Schwärmerei ließen ihn in den vergangenen trü¬
ben Jahren wohl zuweilen als eine der inspirirter und fein organisirten Ge¬
stalten erscheinen, welche in der Regel dazu bestimmt sind, den Kampf
gegen die Beschränktheiten ihrer Zeit mit tiefen Schmerzen zu bezahlen.
Aber in der That ist noch zweifelhaft, was in ihm stärker arbeitet, die stille
begeisterte Wärme, oder die gewandte Erfindungskraft des klugen Hauptes,
welches reich an Plänen, um Mittel und Wege nicht leicht verlegen ist.
Kommt ihm allmälig zu solcher Natur noch der letzte Erwerb, für einen
Mann seiner Anlage nicht der leichteste, die Dauerhaftigkeit, dann mag er
eine der bedeutendsten Gestalten für unser Volk werden. Die Jahre, welche
Männer wie ihn und, mit anderer Anlage. Bennigsen heraufgebracht haben,
-- von Anderen zu schweigen -- waren ohne große Siege, aber sie waren uns
nicht verloren.


schen Bundesstaates bei einzelnen anderen Regierungen gemacht hat. Unter
den Mittelstaaten zumeist in Baden. Dort hat sich aus verworrenen Verhältnis¬
sen, nach ernsten persönlichen Erfahrungen, aus innern Conflicten mit der kirchli¬
chen und politischen Reaction der Charakter eines Fürsten entwickelt, wie ihn sein
Volk nicht heilbringender wünschen kann: ehrlich, besonnen, zuverlässig, mit
warmem Gemüth und vorsichtigem Urtheil. Er hat seine Beamten gut
gewählt, er weiß sie auch zu halten und zu stützen, und er gewährt ihnen
in ihrem Ressort vertrauend die volle Selbständigkeit, welche sür consequen-
tes Schaffen nothwendig ist. Von besonderem Werthe aber für die Deutschen
ist die innige Verbindung geworden, in welche der Großherzog mit einer talentvol¬
len und sehr originellen Persönlichkeit aus den Reihen der jüngern deutschn, Diplo¬
matie getreten ist. Franz von Roggenbach, dessen Denkschrift vom 28. Januar über
die deutsche Frage grade jetzt ein sehr gerechtfertigtes Aufsehn macht, ist wahr¬
scheinlich dazu berufen, in der nächsten Zukunft Deutschlands eine wichtige Rolle
zu spielen. Im blühenden Mannesalter, aus altem Badischen Geschlecht,
dessen Traditionen von der politischen Richtung, welcher er angehört, weit
abliegen, hat er seine erste diplomatische Schule in den Jahren der beginnen¬
den deutschen Bewegung gemacht. Während der Zeit der Reaction ohne
amtliche Stellung, verfolgte er doch mit gespannter Theilnahme die Parteien
der Höfe, alle Lebensäußerungen des Volkes. Ein glänzender Geist und eine
ungewöhnliche gesellschaftliche Begabung machten ihn zu einem willkommenen
Gast der Salons von Paris und London, in den Tuilerien wie in Windsorschloß.
Kaum verstand Jemand besser zu hören, die verschiedenartigsten Verbindungen
zu unterhalten. Dabei aber blieb der Grundzug seiner Natur, ein begeisterter
Idealismus, nur gebändigt durch die harte Schule der Geduld und Entsagung,
welche jeder deutsche Staatsmann durchmachen muß. Sein edles, aber weiches
Gemüth, eine sogar unter den Deutschen ungewöhnliche Selbstlosigkeit und
dabei eine Ader von heimlicher Schwärmerei ließen ihn in den vergangenen trü¬
ben Jahren wohl zuweilen als eine der inspirirter und fein organisirten Ge¬
stalten erscheinen, welche in der Regel dazu bestimmt sind, den Kampf
gegen die Beschränktheiten ihrer Zeit mit tiefen Schmerzen zu bezahlen.
Aber in der That ist noch zweifelhaft, was in ihm stärker arbeitet, die stille
begeisterte Wärme, oder die gewandte Erfindungskraft des klugen Hauptes,
welches reich an Plänen, um Mittel und Wege nicht leicht verlegen ist.
Kommt ihm allmälig zu solcher Natur noch der letzte Erwerb, für einen
Mann seiner Anlage nicht der leichteste, die Dauerhaftigkeit, dann mag er
eine der bedeutendsten Gestalten für unser Volk werden. Die Jahre, welche
Männer wie ihn und, mit anderer Anlage. Bennigsen heraufgebracht haben,
— von Anderen zu schweigen — waren ohne große Siege, aber sie waren uns
nicht verloren.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0332" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/113574"/>
          <p xml:id="ID_1002" prev="#ID_1001"> schen Bundesstaates bei einzelnen anderen Regierungen gemacht hat. Unter<lb/>
den Mittelstaaten zumeist in Baden. Dort hat sich aus verworrenen Verhältnis¬<lb/>
sen, nach ernsten persönlichen Erfahrungen, aus innern Conflicten mit der kirchli¬<lb/>
chen und politischen Reaction der Charakter eines Fürsten entwickelt, wie ihn sein<lb/>
Volk nicht heilbringender wünschen kann: ehrlich, besonnen, zuverlässig, mit<lb/>
warmem Gemüth und vorsichtigem Urtheil. Er hat seine Beamten gut<lb/>
gewählt, er weiß sie auch zu halten und zu stützen, und er gewährt ihnen<lb/>
in ihrem Ressort vertrauend die volle Selbständigkeit, welche sür consequen-<lb/>
tes Schaffen nothwendig ist. Von besonderem Werthe aber für die Deutschen<lb/>
ist die innige Verbindung geworden, in welche der Großherzog mit einer talentvol¬<lb/>
len und sehr originellen Persönlichkeit aus den Reihen der jüngern deutschn, Diplo¬<lb/>
matie getreten ist. Franz von Roggenbach, dessen Denkschrift vom 28. Januar über<lb/>
die deutsche Frage grade jetzt ein sehr gerechtfertigtes Aufsehn macht, ist wahr¬<lb/>
scheinlich dazu berufen, in der nächsten Zukunft Deutschlands eine wichtige Rolle<lb/>
zu spielen. Im blühenden Mannesalter, aus altem Badischen Geschlecht,<lb/>
dessen Traditionen von der politischen Richtung, welcher er angehört, weit<lb/>
abliegen, hat er seine erste diplomatische Schule in den Jahren der beginnen¬<lb/>
den deutschen Bewegung gemacht. Während der Zeit der Reaction ohne<lb/>
amtliche Stellung, verfolgte er doch mit gespannter Theilnahme die Parteien<lb/>
der Höfe, alle Lebensäußerungen des Volkes. Ein glänzender Geist und eine<lb/>
ungewöhnliche gesellschaftliche Begabung machten ihn zu einem willkommenen<lb/>
Gast der Salons von Paris und London, in den Tuilerien wie in Windsorschloß.<lb/>
Kaum verstand Jemand besser zu hören, die verschiedenartigsten Verbindungen<lb/>
zu unterhalten. Dabei aber blieb der Grundzug seiner Natur, ein begeisterter<lb/>
Idealismus, nur gebändigt durch die harte Schule der Geduld und Entsagung,<lb/>
welche jeder deutsche Staatsmann durchmachen muß. Sein edles, aber weiches<lb/>
Gemüth, eine sogar unter den Deutschen ungewöhnliche Selbstlosigkeit und<lb/>
dabei eine Ader von heimlicher Schwärmerei ließen ihn in den vergangenen trü¬<lb/>
ben Jahren wohl zuweilen als eine der inspirirter und fein organisirten Ge¬<lb/>
stalten erscheinen, welche in der Regel dazu bestimmt sind, den Kampf<lb/>
gegen die Beschränktheiten ihrer Zeit mit tiefen Schmerzen zu bezahlen.<lb/>
Aber in der That ist noch zweifelhaft, was in ihm stärker arbeitet, die stille<lb/>
begeisterte Wärme, oder die gewandte Erfindungskraft des klugen Hauptes,<lb/>
welches reich an Plänen, um Mittel und Wege nicht leicht verlegen ist.<lb/>
Kommt ihm allmälig zu solcher Natur noch der letzte Erwerb, für einen<lb/>
Mann seiner Anlage nicht der leichteste, die Dauerhaftigkeit, dann mag er<lb/>
eine der bedeutendsten Gestalten für unser Volk werden. Die Jahre, welche<lb/>
Männer wie ihn und, mit anderer Anlage. Bennigsen heraufgebracht haben,<lb/>
&#x2014; von Anderen zu schweigen &#x2014; waren ohne große Siege, aber sie waren uns<lb/>
nicht verloren.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0332] schen Bundesstaates bei einzelnen anderen Regierungen gemacht hat. Unter den Mittelstaaten zumeist in Baden. Dort hat sich aus verworrenen Verhältnis¬ sen, nach ernsten persönlichen Erfahrungen, aus innern Conflicten mit der kirchli¬ chen und politischen Reaction der Charakter eines Fürsten entwickelt, wie ihn sein Volk nicht heilbringender wünschen kann: ehrlich, besonnen, zuverlässig, mit warmem Gemüth und vorsichtigem Urtheil. Er hat seine Beamten gut gewählt, er weiß sie auch zu halten und zu stützen, und er gewährt ihnen in ihrem Ressort vertrauend die volle Selbständigkeit, welche sür consequen- tes Schaffen nothwendig ist. Von besonderem Werthe aber für die Deutschen ist die innige Verbindung geworden, in welche der Großherzog mit einer talentvol¬ len und sehr originellen Persönlichkeit aus den Reihen der jüngern deutschn, Diplo¬ matie getreten ist. Franz von Roggenbach, dessen Denkschrift vom 28. Januar über die deutsche Frage grade jetzt ein sehr gerechtfertigtes Aufsehn macht, ist wahr¬ scheinlich dazu berufen, in der nächsten Zukunft Deutschlands eine wichtige Rolle zu spielen. Im blühenden Mannesalter, aus altem Badischen Geschlecht, dessen Traditionen von der politischen Richtung, welcher er angehört, weit abliegen, hat er seine erste diplomatische Schule in den Jahren der beginnen¬ den deutschen Bewegung gemacht. Während der Zeit der Reaction ohne amtliche Stellung, verfolgte er doch mit gespannter Theilnahme die Parteien der Höfe, alle Lebensäußerungen des Volkes. Ein glänzender Geist und eine ungewöhnliche gesellschaftliche Begabung machten ihn zu einem willkommenen Gast der Salons von Paris und London, in den Tuilerien wie in Windsorschloß. Kaum verstand Jemand besser zu hören, die verschiedenartigsten Verbindungen zu unterhalten. Dabei aber blieb der Grundzug seiner Natur, ein begeisterter Idealismus, nur gebändigt durch die harte Schule der Geduld und Entsagung, welche jeder deutsche Staatsmann durchmachen muß. Sein edles, aber weiches Gemüth, eine sogar unter den Deutschen ungewöhnliche Selbstlosigkeit und dabei eine Ader von heimlicher Schwärmerei ließen ihn in den vergangenen trü¬ ben Jahren wohl zuweilen als eine der inspirirter und fein organisirten Ge¬ stalten erscheinen, welche in der Regel dazu bestimmt sind, den Kampf gegen die Beschränktheiten ihrer Zeit mit tiefen Schmerzen zu bezahlen. Aber in der That ist noch zweifelhaft, was in ihm stärker arbeitet, die stille begeisterte Wärme, oder die gewandte Erfindungskraft des klugen Hauptes, welches reich an Plänen, um Mittel und Wege nicht leicht verlegen ist. Kommt ihm allmälig zu solcher Natur noch der letzte Erwerb, für einen Mann seiner Anlage nicht der leichteste, die Dauerhaftigkeit, dann mag er eine der bedeutendsten Gestalten für unser Volk werden. Die Jahre, welche Männer wie ihn und, mit anderer Anlage. Bennigsen heraufgebracht haben, — von Anderen zu schweigen — waren ohne große Siege, aber sie waren uns nicht verloren.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/332
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/332>, abgerufen am 29.12.2024.