Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.marschirten wir gleich nach Thiemendorf bei Lauban in der Lausitz. 3'/, Ich bin nie ein sehr, starker Fußgänger gewesen und denke noch mit Schrecken marschirten wir gleich nach Thiemendorf bei Lauban in der Lausitz. 3'/, Ich bin nie ein sehr, starker Fußgänger gewesen und denke noch mit Schrecken <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0030" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/113272"/> <p xml:id="ID_95" prev="#ID_94"> marschirten wir gleich nach Thiemendorf bei Lauban in der Lausitz. 3'/,<lb/> Meilen von Bunzlau, unserer Garnison, entfernt. Mein Oheim blieb leider<lb/> beim Depot zurück, was mich sehr unglücklich machte, weil ich wohl fühlte,<lb/> wie sehr ich nun verlassen sein würde. Der neue Compagnie-Commandeur<lb/> war der Stabs-Capitän von Luck, welcher, obgleich noch gar nicht lange<lb/> zum Bataillon als Einschub gekommen, doch schon durch sein edles Wesen,<lb/> seine feine und gelehrte Bildung sich die hohe Achtung der Offiziere und die<lb/> Freundschaft der ältern erworben hatte, er versprach meinem Oheim väterlich<lb/> für mich zu sorgen und hat dies redlich gethan. Der treffliche Mann ist<lb/> vor einigen Jahren als General der Infanterie in sehr hohem Alter, ich<lb/> glaube 87 Jahr alt. gestorben.</p><lb/> <p xml:id="ID_96" next="#ID_97"> Ich bin nie ein sehr, starker Fußgänger gewesen und denke noch mit Schrecken<lb/> an die Beschwerden dieses ersten Marsches mit gepackten Tornister, Gewehr<lb/> und 20 Patronen zurück, einer um so unerträglichem Last, als der Tornister<lb/> damals an einem Bandelier über einer Schulter und nicht so bequem als<lb/> heut zu Tage getragen wurde. Ohne die Freundlichkeit der Offiziere, welche<lb/> mich öfter reiten ließen, würde ich diesen Marsch wohl nicht Überstande» haben.<lb/> Dafür war aber das erreichte Quartier, das bei einem armen Häusler Bequem¬<lb/> lichkeit die Fülle bot — z. B, ein Gericht vortrefflicher Kartoffeln in der Schaale<lb/> und eine gute Streu — eine wahre Glückseligkeit, welche ich 14 Tage, so lange<lb/> dauerte die Ccmtonirung. ohne alle Störung genoß. Ein alter ehrlicher Fü¬<lb/> silier war mir zur Bedienung, respective Aufsicht gegeben, damit der „Jun¬<lb/> ker" nickt gar zu kindische Streiche mache. Er sorgte für mich, wie ein<lb/> braver Diener nur kann, und führte meine Kasse, die, da ich nur ein monat¬<lb/> liches Gehalt von 3 Thlr. 15 Sgr. und 3 Thaler Zulage hatte, eben nicht<lb/> sehr gefüllt war. Endlich ging der Marsch weiter fort über Dresden, Frei¬<lb/> berg, Chemnitz, Altenburg, Gera, Blankenburg. Dem alten Feldwebel, —<lb/> er hieß Kretschmer, — war ich von meinem guten Onkel ganz besonders<lb/> empfohlen, er, ohnehin mein Vorgesetzter, unterrichtete mich über mein Be¬<lb/> nehmen in und außer dem Dienste und that dies stets auf eine Weise, daß<lb/> ich ihm nur dankbar sein und mich nie verletzt fühlen konnte. Wo es irgend<lb/> möglich war. kam ich zu ihm ins Quartier; auch über das Verhalten den<lb/> Wirthsleuten gegenüber belehrte er mich. So war ich eines Tags erschöpft<lb/> vor Durst ins Quartier mit ihm gekommen. Als ich ein Glas frisches<lb/> Wasser verlangte, belehrteer mich, daß es unpolitisch sei, Wasser zum Trinken<lb/> zu fordern, man müsse um etwas zu trinken bitten; aus dem, was gebracht<lb/> würde, könne man gleich die gastfreundlichen Gesinnungen des Wirthes be¬<lb/> urtheilen. Ich habe mir das gemerkt und häufig bewährt gefunden. Die<lb/> Gastfreiheit in dem schönen Sachsen werde ich nie vergessen; besonders an¬<lb/> genehm war der Aufenthalt in Chemnitz und in Gera. An beiden Orten hatten</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0030]
marschirten wir gleich nach Thiemendorf bei Lauban in der Lausitz. 3'/,
Meilen von Bunzlau, unserer Garnison, entfernt. Mein Oheim blieb leider
beim Depot zurück, was mich sehr unglücklich machte, weil ich wohl fühlte,
wie sehr ich nun verlassen sein würde. Der neue Compagnie-Commandeur
war der Stabs-Capitän von Luck, welcher, obgleich noch gar nicht lange
zum Bataillon als Einschub gekommen, doch schon durch sein edles Wesen,
seine feine und gelehrte Bildung sich die hohe Achtung der Offiziere und die
Freundschaft der ältern erworben hatte, er versprach meinem Oheim väterlich
für mich zu sorgen und hat dies redlich gethan. Der treffliche Mann ist
vor einigen Jahren als General der Infanterie in sehr hohem Alter, ich
glaube 87 Jahr alt. gestorben.
Ich bin nie ein sehr, starker Fußgänger gewesen und denke noch mit Schrecken
an die Beschwerden dieses ersten Marsches mit gepackten Tornister, Gewehr
und 20 Patronen zurück, einer um so unerträglichem Last, als der Tornister
damals an einem Bandelier über einer Schulter und nicht so bequem als
heut zu Tage getragen wurde. Ohne die Freundlichkeit der Offiziere, welche
mich öfter reiten ließen, würde ich diesen Marsch wohl nicht Überstande» haben.
Dafür war aber das erreichte Quartier, das bei einem armen Häusler Bequem¬
lichkeit die Fülle bot — z. B, ein Gericht vortrefflicher Kartoffeln in der Schaale
und eine gute Streu — eine wahre Glückseligkeit, welche ich 14 Tage, so lange
dauerte die Ccmtonirung. ohne alle Störung genoß. Ein alter ehrlicher Fü¬
silier war mir zur Bedienung, respective Aufsicht gegeben, damit der „Jun¬
ker" nickt gar zu kindische Streiche mache. Er sorgte für mich, wie ein
braver Diener nur kann, und führte meine Kasse, die, da ich nur ein monat¬
liches Gehalt von 3 Thlr. 15 Sgr. und 3 Thaler Zulage hatte, eben nicht
sehr gefüllt war. Endlich ging der Marsch weiter fort über Dresden, Frei¬
berg, Chemnitz, Altenburg, Gera, Blankenburg. Dem alten Feldwebel, —
er hieß Kretschmer, — war ich von meinem guten Onkel ganz besonders
empfohlen, er, ohnehin mein Vorgesetzter, unterrichtete mich über mein Be¬
nehmen in und außer dem Dienste und that dies stets auf eine Weise, daß
ich ihm nur dankbar sein und mich nie verletzt fühlen konnte. Wo es irgend
möglich war. kam ich zu ihm ins Quartier; auch über das Verhalten den
Wirthsleuten gegenüber belehrte er mich. So war ich eines Tags erschöpft
vor Durst ins Quartier mit ihm gekommen. Als ich ein Glas frisches
Wasser verlangte, belehrteer mich, daß es unpolitisch sei, Wasser zum Trinken
zu fordern, man müsse um etwas zu trinken bitten; aus dem, was gebracht
würde, könne man gleich die gastfreundlichen Gesinnungen des Wirthes be¬
urtheilen. Ich habe mir das gemerkt und häufig bewährt gefunden. Die
Gastfreiheit in dem schönen Sachsen werde ich nie vergessen; besonders an¬
genehm war der Aufenthalt in Chemnitz und in Gera. An beiden Orten hatten
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |