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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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mover, Oldenburg und Mecklenburg abermals zusammengetreten, um über an¬
geblich nothwendige Modificationen des Entwurfes gemeinsame Beschlüsse zu
fassen; die Idee eines allgemeinen deutschen Handelsrechtes scheint dem¬
nach auch jetzt noch vorläufig ein frommer Wunsch bleiben zu sollen.

Der Inhalt des Handelsgesetzbuchs zerfällt in fünf Bücher, von denen
das erste (Art, 4 bis 84) vom Handelsstande, das zweite (Art. 85 bis 249)
von den Handelsgesellschaften, das dritte (Art. 250 bis 265) von einer spe¬
ciellen Art derselben, nämlich der s. g. stillen Gesellschaft, das vierte aber
(Art. 27! bis 431) von den Handelsgeschäften handelt. Das fünfte Buch be¬
handelt in Art. 431 bis 911 das Seerecht und bedarf, da diese Materie für
das Binnenland nur ein sehr untergeordnetes Interesse hat, hier keiner
näheren Erörterung.

Dem Zwecke dieser Zeilen entsprechend werden wir uns in der Haupt¬
sache darauf beschränken, aus denjenigen Bestimmungen des H. G. B., die von
dem bisher geltenden Rechte am meisten abweichen, die wichtigsten auszu¬
wählen-, der Fortschritt in legislatorischer Beziehung wird sich dabei von selbst
ergeben.

Der Art. 1 der allgemeinen Bestimmungen stellt in ähnlicher Weise wie
dies bei dem neuen bürgerliche" Gesetzbuche für Sachen bezüglich des Ge¬
wohnheitsrechtes überhaupt ausgesprochen ist, das Princip auf, daß die Han-
delsgebräuchc den Bestimmungen des Handelsgesetzbuchs nicht derogiren sollen,
was um so zweckmäßiger ist, als entgegengesetzten Falles und wenn man den
Handelsgebräuchen auch gegenüber dem H. G. B. derogirende Kraft beilegen
wollte, der Zweck des H. G. B., nämlich ein gemeinsames, in ganz Deutsch¬
land geltendes Handelsrecht herzustellen, unmöglich erreicht werden könnte;
daß dagegen dem bürgerlichen Rechte durch die Handelsgebränche derogirt
werde, ist in demselben Artikel ausdrücklich ausgesprochen und bei der singu-
lären Natur des Handelsrechtes vollkommen in der Ordnung.

Art. 2 bestimmt, daß an der Wechselordnung durch das H. G. B. etwas
nicht geändert werde und

Art. 3 ordnet an, daß in Ermangelung eines besonderen Handelsge¬
richtes an dessen Stelle in allen Fällen, wo das H. G. B. von dem H. G.
spricht, das gewöhnliche Gericht zu treten habe. Für Sachsen ist gleichzeitig
in § 5 des Einführnngsgesetzes und § 1 der Ausführungsverordnung ange¬
ordnet worden, daß an allen Orten, wo ein Bedürfniß sich herausstelle, und
zwar zunächst an denjenigen Orten, wo sich Bezirksgerichte befinden, Han¬
delsgerichte errichtet werden sollen, während bisher ein Handelsgericht nur in
Leipzig bestand. Hiermit ist einem längst fühlbar gewesenen dringenden Be¬
dürfnisse abgeholfen, zugleich aber durch die Bestimmung, daß die zu den
Handelsgerichten zuzuziehenden Mitglieder aus dem Handelsstande gleich den


mover, Oldenburg und Mecklenburg abermals zusammengetreten, um über an¬
geblich nothwendige Modificationen des Entwurfes gemeinsame Beschlüsse zu
fassen; die Idee eines allgemeinen deutschen Handelsrechtes scheint dem¬
nach auch jetzt noch vorläufig ein frommer Wunsch bleiben zu sollen.

Der Inhalt des Handelsgesetzbuchs zerfällt in fünf Bücher, von denen
das erste (Art, 4 bis 84) vom Handelsstande, das zweite (Art. 85 bis 249)
von den Handelsgesellschaften, das dritte (Art. 250 bis 265) von einer spe¬
ciellen Art derselben, nämlich der s. g. stillen Gesellschaft, das vierte aber
(Art. 27! bis 431) von den Handelsgeschäften handelt. Das fünfte Buch be¬
handelt in Art. 431 bis 911 das Seerecht und bedarf, da diese Materie für
das Binnenland nur ein sehr untergeordnetes Interesse hat, hier keiner
näheren Erörterung.

Dem Zwecke dieser Zeilen entsprechend werden wir uns in der Haupt¬
sache darauf beschränken, aus denjenigen Bestimmungen des H. G. B., die von
dem bisher geltenden Rechte am meisten abweichen, die wichtigsten auszu¬
wählen-, der Fortschritt in legislatorischer Beziehung wird sich dabei von selbst
ergeben.

Der Art. 1 der allgemeinen Bestimmungen stellt in ähnlicher Weise wie
dies bei dem neuen bürgerliche« Gesetzbuche für Sachen bezüglich des Ge¬
wohnheitsrechtes überhaupt ausgesprochen ist, das Princip auf, daß die Han-
delsgebräuchc den Bestimmungen des Handelsgesetzbuchs nicht derogiren sollen,
was um so zweckmäßiger ist, als entgegengesetzten Falles und wenn man den
Handelsgebräuchen auch gegenüber dem H. G. B. derogirende Kraft beilegen
wollte, der Zweck des H. G. B., nämlich ein gemeinsames, in ganz Deutsch¬
land geltendes Handelsrecht herzustellen, unmöglich erreicht werden könnte;
daß dagegen dem bürgerlichen Rechte durch die Handelsgebränche derogirt
werde, ist in demselben Artikel ausdrücklich ausgesprochen und bei der singu-
lären Natur des Handelsrechtes vollkommen in der Ordnung.

Art. 2 bestimmt, daß an der Wechselordnung durch das H. G. B. etwas
nicht geändert werde und

Art. 3 ordnet an, daß in Ermangelung eines besonderen Handelsge¬
richtes an dessen Stelle in allen Fällen, wo das H. G. B. von dem H. G.
spricht, das gewöhnliche Gericht zu treten habe. Für Sachsen ist gleichzeitig
in § 5 des Einführnngsgesetzes und § 1 der Ausführungsverordnung ange¬
ordnet worden, daß an allen Orten, wo ein Bedürfniß sich herausstelle, und
zwar zunächst an denjenigen Orten, wo sich Bezirksgerichte befinden, Han¬
delsgerichte errichtet werden sollen, während bisher ein Handelsgericht nur in
Leipzig bestand. Hiermit ist einem längst fühlbar gewesenen dringenden Be¬
dürfnisse abgeholfen, zugleich aber durch die Bestimmung, daß die zu den
Handelsgerichten zuzuziehenden Mitglieder aus dem Handelsstande gleich den


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[0293] mover, Oldenburg und Mecklenburg abermals zusammengetreten, um über an¬ geblich nothwendige Modificationen des Entwurfes gemeinsame Beschlüsse zu fassen; die Idee eines allgemeinen deutschen Handelsrechtes scheint dem¬ nach auch jetzt noch vorläufig ein frommer Wunsch bleiben zu sollen. Der Inhalt des Handelsgesetzbuchs zerfällt in fünf Bücher, von denen das erste (Art, 4 bis 84) vom Handelsstande, das zweite (Art. 85 bis 249) von den Handelsgesellschaften, das dritte (Art. 250 bis 265) von einer spe¬ ciellen Art derselben, nämlich der s. g. stillen Gesellschaft, das vierte aber (Art. 27! bis 431) von den Handelsgeschäften handelt. Das fünfte Buch be¬ handelt in Art. 431 bis 911 das Seerecht und bedarf, da diese Materie für das Binnenland nur ein sehr untergeordnetes Interesse hat, hier keiner näheren Erörterung. Dem Zwecke dieser Zeilen entsprechend werden wir uns in der Haupt¬ sache darauf beschränken, aus denjenigen Bestimmungen des H. G. B., die von dem bisher geltenden Rechte am meisten abweichen, die wichtigsten auszu¬ wählen-, der Fortschritt in legislatorischer Beziehung wird sich dabei von selbst ergeben. Der Art. 1 der allgemeinen Bestimmungen stellt in ähnlicher Weise wie dies bei dem neuen bürgerliche« Gesetzbuche für Sachen bezüglich des Ge¬ wohnheitsrechtes überhaupt ausgesprochen ist, das Princip auf, daß die Han- delsgebräuchc den Bestimmungen des Handelsgesetzbuchs nicht derogiren sollen, was um so zweckmäßiger ist, als entgegengesetzten Falles und wenn man den Handelsgebräuchen auch gegenüber dem H. G. B. derogirende Kraft beilegen wollte, der Zweck des H. G. B., nämlich ein gemeinsames, in ganz Deutsch¬ land geltendes Handelsrecht herzustellen, unmöglich erreicht werden könnte; daß dagegen dem bürgerlichen Rechte durch die Handelsgebränche derogirt werde, ist in demselben Artikel ausdrücklich ausgesprochen und bei der singu- lären Natur des Handelsrechtes vollkommen in der Ordnung. Art. 2 bestimmt, daß an der Wechselordnung durch das H. G. B. etwas nicht geändert werde und Art. 3 ordnet an, daß in Ermangelung eines besonderen Handelsge¬ richtes an dessen Stelle in allen Fällen, wo das H. G. B. von dem H. G. spricht, das gewöhnliche Gericht zu treten habe. Für Sachsen ist gleichzeitig in § 5 des Einführnngsgesetzes und § 1 der Ausführungsverordnung ange¬ ordnet worden, daß an allen Orten, wo ein Bedürfniß sich herausstelle, und zwar zunächst an denjenigen Orten, wo sich Bezirksgerichte befinden, Han¬ delsgerichte errichtet werden sollen, während bisher ein Handelsgericht nur in Leipzig bestand. Hiermit ist einem längst fühlbar gewesenen dringenden Be¬ dürfnisse abgeholfen, zugleich aber durch die Bestimmung, daß die zu den Handelsgerichten zuzuziehenden Mitglieder aus dem Handelsstande gleich den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/293>, abgerufen am 23.07.2024.