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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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ringen Zahl wegen unvermögend, irgend einen erfolgreichen Widerstand zu
leisten.

Die Einwohner aus der Gegend von Pastrovich (Kreis Cattaro), ein
rauher kriegerischer Menschenschlag nach Art der Montenegriner, waren früher
ob ihrer warmen Anhänglichkeit an das Kaiserhaus bekannt. Aber die Ccn-
tralisationsmaßregeln des Ministers Bach, welcher die bedeutenden Privilegien
dieses armen Gebirgsvölkchens mit dem Schleier der Vergessenheit bedeckte,
scheinen diese Ergebenheit sehr abgekühlt zu haben.

Man hat zur Besetzung des Landes in neuester Zeit auch viele Grenz-
truppen, weil sie eben die nächsten waren, verwendet. Wie man sich auf
diese sonst tapfern Truppen verlassen könnte, im Falle zur Unterstützung eines
Seeangriffes der Italiener ein Einfall der Montenegriner und der böhmischen
Insurgenten erfolgen sollte/ zeigt ein Vorfall, weicher sich nach den verbürg¬
testen Angaben vor einigen Monaten unweit Ragusa ereignet hat. Omer
Pascha stellte an die östreichischen Behörden die Bitte, seine Pferde und sein
Gepäck durch Dalmatien führen zu dürfen. Man kam diesem Ansuchen be¬
reitwilligst nach und bestimmte zur Escortnung einen Grenzerossizter mit 40
Mann. Als nun der Offizier das türkische Gebiet betrat, wurde er von
mehreren Montenegrinern angehalten und zur Herausgabe der Pferde aufge¬
fordert. Aber gegen seine Stammverwandten mochte er nicht kämpfen und,
ohne einen Schuß zu thun, überließ er das ihm Anvertraute den Montene¬
grinern und kehrte mit seiner Mannschaft ganz gemächlich nach Ragusy
zurück! --

Nach dem Gesagten müßte also Oestreich schon bei naher Voraussicht
eines Krieges zur Deckung seiner Seeprovinzen in dieselben eine solche Trup¬
penmasse schicken, daß es, wenn gleichzeitig ein Angriff in Italien oder eine
Erhebung in den ungarischen und südslavischcn Provinzen zu erwarten wäre,
kaum noch einige tausend Mann für die Verwendung auf einem andern
Kriegsschauplatze erübrigen könnte.

Deutschland könnte also aus keinen Fall am Rhein aus eine Unterstützung
von Seiten Oestreichs zählen, ja es könnte sich selbst ereignen, daß letzterer
Staat bei seinen deutschen Nachbaren um Beistand zu bitten versuchen würde,
zum Schutze seiner eigenen Provinzen und zur Unterdrückung des Aufstandes.

Sollten aber auch die günstigsten Umstände eintreten, und sollte es
Oestreich sogar gelingen, alle seine Provinzen zu beruhigen, so würde es
demungeachtet riesiger Anstrengungen und Opfer bedürfen, ehe Oestreichs Ma¬
rine auf einen Stand käme, welcher mit den bisher dafür aufgewandten
Kosten nur in einigem Verhältniß stände und ehe die Küsten die genügende
Sicherheit gegen feindliche Angriffe selbst schwächerer Gegner erlangen
^- v. würden.




ringen Zahl wegen unvermögend, irgend einen erfolgreichen Widerstand zu
leisten.

Die Einwohner aus der Gegend von Pastrovich (Kreis Cattaro), ein
rauher kriegerischer Menschenschlag nach Art der Montenegriner, waren früher
ob ihrer warmen Anhänglichkeit an das Kaiserhaus bekannt. Aber die Ccn-
tralisationsmaßregeln des Ministers Bach, welcher die bedeutenden Privilegien
dieses armen Gebirgsvölkchens mit dem Schleier der Vergessenheit bedeckte,
scheinen diese Ergebenheit sehr abgekühlt zu haben.

Man hat zur Besetzung des Landes in neuester Zeit auch viele Grenz-
truppen, weil sie eben die nächsten waren, verwendet. Wie man sich auf
diese sonst tapfern Truppen verlassen könnte, im Falle zur Unterstützung eines
Seeangriffes der Italiener ein Einfall der Montenegriner und der böhmischen
Insurgenten erfolgen sollte/ zeigt ein Vorfall, weicher sich nach den verbürg¬
testen Angaben vor einigen Monaten unweit Ragusa ereignet hat. Omer
Pascha stellte an die östreichischen Behörden die Bitte, seine Pferde und sein
Gepäck durch Dalmatien führen zu dürfen. Man kam diesem Ansuchen be¬
reitwilligst nach und bestimmte zur Escortnung einen Grenzerossizter mit 40
Mann. Als nun der Offizier das türkische Gebiet betrat, wurde er von
mehreren Montenegrinern angehalten und zur Herausgabe der Pferde aufge¬
fordert. Aber gegen seine Stammverwandten mochte er nicht kämpfen und,
ohne einen Schuß zu thun, überließ er das ihm Anvertraute den Montene¬
grinern und kehrte mit seiner Mannschaft ganz gemächlich nach Ragusy
zurück! —

Nach dem Gesagten müßte also Oestreich schon bei naher Voraussicht
eines Krieges zur Deckung seiner Seeprovinzen in dieselben eine solche Trup¬
penmasse schicken, daß es, wenn gleichzeitig ein Angriff in Italien oder eine
Erhebung in den ungarischen und südslavischcn Provinzen zu erwarten wäre,
kaum noch einige tausend Mann für die Verwendung auf einem andern
Kriegsschauplatze erübrigen könnte.

Deutschland könnte also aus keinen Fall am Rhein aus eine Unterstützung
von Seiten Oestreichs zählen, ja es könnte sich selbst ereignen, daß letzterer
Staat bei seinen deutschen Nachbaren um Beistand zu bitten versuchen würde,
zum Schutze seiner eigenen Provinzen und zur Unterdrückung des Aufstandes.

Sollten aber auch die günstigsten Umstände eintreten, und sollte es
Oestreich sogar gelingen, alle seine Provinzen zu beruhigen, so würde es
demungeachtet riesiger Anstrengungen und Opfer bedürfen, ehe Oestreichs Ma¬
rine auf einen Stand käme, welcher mit den bisher dafür aufgewandten
Kosten nur in einigem Verhältniß stände und ehe die Küsten die genügende
Sicherheit gegen feindliche Angriffe selbst schwächerer Gegner erlangen
^- v. würden.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/28>, abgerufen am 23.07.2024.