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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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anlaßt, das Wort zu ergreifen. Durch die Darstellung des Freiherrn von
Buddenbrock war das Thema erschöpft. Selbst Herr von Senffl-Pilsach, der
sich auf eine Rede präparirt hatte, und der sich sonst nicht leicht eine Gelegen¬
heit entgehen läßt, seine Weisheit zu, Markte zu dringen, wußte zur Auf¬
klärung der Sache nichts weiter beizutragen, und verzichtete auf's Wort. So
wurde das ganze Geschäft mit einem imposanten Schweigen abgemacht.

Ob die Regierung Ursache hat, sich zu diesem Boeren Glück zu wünschen?
Wir müssen es bezweifeln. Daß das Herrenhaus sehr entschieden für die
Armeeresvrm gestimmt ist, wußte man schon lange. Wir sind weit davon
entfernt, dem Hause daraus einen Bvrwurs zu machen. Die überwiegende
Meinung neigt sich überhaupt immer mehr dahin, daß die Armeereform prin¬
cipiell ganz richtig und nothwendig ist und daher auch angenommen werden
muß, über daß zu gleicher Zeit die Auswüchse derselben abgeschnitten werden
müssen, damit die allerdings nicht zu vermeidende Erhöhung der Lasten we¬
nigstens nicht über die finanziellen und wirlhschasclicheu Kräfte des Landes
hinaus gesteigert werde. Aber andrerseits steht doch eine sehr starke und nach¬
haltige öffentliche Meinung der ganzen Maßregel entgegen. Gewiß ist es
nun nicht die Pflicht des Herrenhauses, dem Strom der Meinung in jedem
Augenblick zu folgen. Ein starkes Oberhaus wird nie, wenn es un Interesse
des Landes nöthig ist, Bedenken tragen, sich einem Bolkswuusch entgegen zu
stemmen. Aber ein einsichtiger politischer Körper wird auch, wenn er eine
unpopuläre Maßregel beschließt, dies nie ohne eine eingehende Debatte thun.
Ein Vorgang, wie der in der vorgestrigen Sitzung des Herrenhauses, wäre un
englischen Oberhaus unmöglich. Dieses würde sich verpflichtet hallen, über
die Münde, weshalb es mit der Majorität des Landes in Widerspruch tritt,
sich offen auszusprechen. Es würde, wissen, daß eine solche cavaliermäßige
Behandlung der Geschäfte, wie sie hier beliebt ist, dem politischen Körper,
der sich dieselbe erlaubt, alle Achtung im Lande entzieht. Wäre ein Gesand¬
ter des Pyrrhus in dieser Sitzung des Herrenhauses gewesen, er würde ge¬
wiß nicht geglaubt haben, vor einer Versammlung von Königen zu stehen.

Im Abgeordnetenhaus gehen die Dinge ihren langsamen und geschäfts¬
mäßigen Gang. In der verflossenen Woche hat das Haus nur eine Sitzung
gehalten, in welcher Wahlprüfungen verhandelt wurden. In den Commis¬
sionen wird eifrig gearbeitet, aber sür die Plenarsitzungen fehlt es um Stoff,
weil die Berichterstatter im Abgeordnetenhaus noch nicht gelernt haben, so
rasch zu arbeiten, wie Herr v. Buddenbrock.

Zu erwähnen ist daher nur, daß zu gleicher Zeit zwei Anträge zur tur-
hessischeu Frage eingebracht sind, einer aus der Fraction Grabow und einer
aus der Fortschrittspartei. Der Unterschied der beiden Anträge liegt haupt¬
sächlich nur in der Fassung. Die einzige sachliche Differenz dürfte die sein,


anlaßt, das Wort zu ergreifen. Durch die Darstellung des Freiherrn von
Buddenbrock war das Thema erschöpft. Selbst Herr von Senffl-Pilsach, der
sich auf eine Rede präparirt hatte, und der sich sonst nicht leicht eine Gelegen¬
heit entgehen läßt, seine Weisheit zu, Markte zu dringen, wußte zur Auf¬
klärung der Sache nichts weiter beizutragen, und verzichtete auf's Wort. So
wurde das ganze Geschäft mit einem imposanten Schweigen abgemacht.

Ob die Regierung Ursache hat, sich zu diesem Boeren Glück zu wünschen?
Wir müssen es bezweifeln. Daß das Herrenhaus sehr entschieden für die
Armeeresvrm gestimmt ist, wußte man schon lange. Wir sind weit davon
entfernt, dem Hause daraus einen Bvrwurs zu machen. Die überwiegende
Meinung neigt sich überhaupt immer mehr dahin, daß die Armeereform prin¬
cipiell ganz richtig und nothwendig ist und daher auch angenommen werden
muß, über daß zu gleicher Zeit die Auswüchse derselben abgeschnitten werden
müssen, damit die allerdings nicht zu vermeidende Erhöhung der Lasten we¬
nigstens nicht über die finanziellen und wirlhschasclicheu Kräfte des Landes
hinaus gesteigert werde. Aber andrerseits steht doch eine sehr starke und nach¬
haltige öffentliche Meinung der ganzen Maßregel entgegen. Gewiß ist es
nun nicht die Pflicht des Herrenhauses, dem Strom der Meinung in jedem
Augenblick zu folgen. Ein starkes Oberhaus wird nie, wenn es un Interesse
des Landes nöthig ist, Bedenken tragen, sich einem Bolkswuusch entgegen zu
stemmen. Aber ein einsichtiger politischer Körper wird auch, wenn er eine
unpopuläre Maßregel beschließt, dies nie ohne eine eingehende Debatte thun.
Ein Vorgang, wie der in der vorgestrigen Sitzung des Herrenhauses, wäre un
englischen Oberhaus unmöglich. Dieses würde sich verpflichtet hallen, über
die Münde, weshalb es mit der Majorität des Landes in Widerspruch tritt,
sich offen auszusprechen. Es würde, wissen, daß eine solche cavaliermäßige
Behandlung der Geschäfte, wie sie hier beliebt ist, dem politischen Körper,
der sich dieselbe erlaubt, alle Achtung im Lande entzieht. Wäre ein Gesand¬
ter des Pyrrhus in dieser Sitzung des Herrenhauses gewesen, er würde ge¬
wiß nicht geglaubt haben, vor einer Versammlung von Königen zu stehen.

Im Abgeordnetenhaus gehen die Dinge ihren langsamen und geschäfts¬
mäßigen Gang. In der verflossenen Woche hat das Haus nur eine Sitzung
gehalten, in welcher Wahlprüfungen verhandelt wurden. In den Commis¬
sionen wird eifrig gearbeitet, aber sür die Plenarsitzungen fehlt es um Stoff,
weil die Berichterstatter im Abgeordnetenhaus noch nicht gelernt haben, so
rasch zu arbeiten, wie Herr v. Buddenbrock.

Zu erwähnen ist daher nur, daß zu gleicher Zeit zwei Anträge zur tur-
hessischeu Frage eingebracht sind, einer aus der Fraction Grabow und einer
aus der Fortschrittspartei. Der Unterschied der beiden Anträge liegt haupt¬
sächlich nur in der Fassung. Die einzige sachliche Differenz dürfte die sein,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/278>, abgerufen am 23.07.2024.