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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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grübe beeinträchtigt sehr schwer die Ernte des nächsten Herbstes. So wenig
es den halbreifen, zur vollen Größe gelangten Trüffeln schadet, wenn sie ans
ihrer Lage gebracht werden, so entschieden nachtheilig wirkt eine Störung
auf die noch ganz jungen.

Das Auffinden von Trüffeln gelingt dem Menschen bisweilen auch Mit
alleiniger Hilfe seiner eigenen Sinnesorgane. Zwar sein Geruchssinn ist
nicht so fein, daß er. in aufrechter Haltung einher gehend, den Duft des im
Boden verborgenen Gewächses spürte. Aber ein geübtes Auge erkennt VN
einer kleinen, von Nissen durchzogenen Erhebung des Bodens die Stelle, wo
eine flachliegcnde Trüffel sich entwickelt hat. Das Aufsuchen nach diesem
Merkzeichen, die elrÄSsiz ä, ig, in-uMs. ist das gewöhnliche Verfahren der
Trüffcldicbe in Frankreich, die selbstverständlich eine ihnen unbehagliche Auf¬
merksamkeit erregen würden, wenn sie mit einem Hunde, oder gar mit einem
auf Trüffeln dressirten Schweine am Strick herum gehen wollten. Sie be<
kommen auf diese Art indeß nur die weniger werthvollen, auch in Deutsch¬
land heimischen Trüffeln; die werthgeschätztere violette Perigord-Trüffel liegt
viel zu tief (selten flacher als einen halben Fuß tief), um a, ig, maryne ge¬
jagt zu werden. Der Scharfsinn des unberechtigten Liebhabers des edlen
Pilzes hat sich aber zu helfen gewußt. Der Mensch ist es nicht allein, welcher
den Trüffeln nachstellt; sie haben auch unter den Jnsecten warme Verehrer.
Auch Käfer wühlen sich zu den Trüffeln, um ihre Eier hinein zu legen; ganz
besonders suchen aber sehr kenntliche Fliegen (mit langgestrecktem, gelblichem
Leibe, weit großer als Stubenfliegen) die Standorte von Trüffeln auf, um
dort ihre Eier abzulagern. Die ausschlüpfenden Larven finden dann schon
ihren Weg zu den Trüffeln. Der Trüffeldieb gräbt an den Orten nack, wo
solche Fliegen schwärmen; ja man sagt ihm dasselbe sinnreiche Verfahren,
dieselbe Anwendung der Fundamentaisütze der Trigonometrie nach, wie den
Bienenjägern der nordamerikanischen Wälder.

Die berechtigte Ausbeutung der Trüffelnester geht mit Hilfe höher orga-
nisirter Thiere vor sich: in ganz Deutschland und Nordostfrankreich und größ-
tentheils auch in Italien mit der von Hunden. In Südfrankreich benutzt man,
aus Bequemlichkeit vielleicht, um sich das eigene Graben zu ersparen, aus¬
nahmslos dressirte Schweine. Die Dressur beider Thiere trägt den Stempel
jener Einfachheit und Zweckmäßigkeit, welche die Erziehung der Bestien durch
den Menschen so oft vor der auszeichnet, die er seinen Kindern angedeihen
läßt. Man veranlaßt den Hund oder das Schwein, eine flach verscharrte
Trüffel aufzuwühlen, und belohnt das Gelingen beim Hunde durch Lieb-
kosungen, gelegentlich durch einen Leckerbissen, beim Schweine durch eine
Hand voll Futter; steigert allmälig die Schwierigkeit der Aufgabe, führt end¬
lich das Thier ins Freie und gewöhnt ihm hier das Auswühlen werthloser


Grenzboten I. 1862. . 34

grübe beeinträchtigt sehr schwer die Ernte des nächsten Herbstes. So wenig
es den halbreifen, zur vollen Größe gelangten Trüffeln schadet, wenn sie ans
ihrer Lage gebracht werden, so entschieden nachtheilig wirkt eine Störung
auf die noch ganz jungen.

Das Auffinden von Trüffeln gelingt dem Menschen bisweilen auch Mit
alleiniger Hilfe seiner eigenen Sinnesorgane. Zwar sein Geruchssinn ist
nicht so fein, daß er. in aufrechter Haltung einher gehend, den Duft des im
Boden verborgenen Gewächses spürte. Aber ein geübtes Auge erkennt VN
einer kleinen, von Nissen durchzogenen Erhebung des Bodens die Stelle, wo
eine flachliegcnde Trüffel sich entwickelt hat. Das Aufsuchen nach diesem
Merkzeichen, die elrÄSsiz ä, ig, in-uMs. ist das gewöhnliche Verfahren der
Trüffcldicbe in Frankreich, die selbstverständlich eine ihnen unbehagliche Auf¬
merksamkeit erregen würden, wenn sie mit einem Hunde, oder gar mit einem
auf Trüffeln dressirten Schweine am Strick herum gehen wollten. Sie be<
kommen auf diese Art indeß nur die weniger werthvollen, auch in Deutsch¬
land heimischen Trüffeln; die werthgeschätztere violette Perigord-Trüffel liegt
viel zu tief (selten flacher als einen halben Fuß tief), um a, ig, maryne ge¬
jagt zu werden. Der Scharfsinn des unberechtigten Liebhabers des edlen
Pilzes hat sich aber zu helfen gewußt. Der Mensch ist es nicht allein, welcher
den Trüffeln nachstellt; sie haben auch unter den Jnsecten warme Verehrer.
Auch Käfer wühlen sich zu den Trüffeln, um ihre Eier hinein zu legen; ganz
besonders suchen aber sehr kenntliche Fliegen (mit langgestrecktem, gelblichem
Leibe, weit großer als Stubenfliegen) die Standorte von Trüffeln auf, um
dort ihre Eier abzulagern. Die ausschlüpfenden Larven finden dann schon
ihren Weg zu den Trüffeln. Der Trüffeldieb gräbt an den Orten nack, wo
solche Fliegen schwärmen; ja man sagt ihm dasselbe sinnreiche Verfahren,
dieselbe Anwendung der Fundamentaisütze der Trigonometrie nach, wie den
Bienenjägern der nordamerikanischen Wälder.

Die berechtigte Ausbeutung der Trüffelnester geht mit Hilfe höher orga-
nisirter Thiere vor sich: in ganz Deutschland und Nordostfrankreich und größ-
tentheils auch in Italien mit der von Hunden. In Südfrankreich benutzt man,
aus Bequemlichkeit vielleicht, um sich das eigene Graben zu ersparen, aus¬
nahmslos dressirte Schweine. Die Dressur beider Thiere trägt den Stempel
jener Einfachheit und Zweckmäßigkeit, welche die Erziehung der Bestien durch
den Menschen so oft vor der auszeichnet, die er seinen Kindern angedeihen
läßt. Man veranlaßt den Hund oder das Schwein, eine flach verscharrte
Trüffel aufzuwühlen, und belohnt das Gelingen beim Hunde durch Lieb-
kosungen, gelegentlich durch einen Leckerbissen, beim Schweine durch eine
Hand voll Futter; steigert allmälig die Schwierigkeit der Aufgabe, führt end¬
lich das Thier ins Freie und gewöhnt ihm hier das Auswühlen werthloser


Grenzboten I. 1862. . 34
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/273>, abgerufen am 23.07.2024.