Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

als unerlaubte Willkür protestirt, und man hat das Recht, sie jetzt beim Wort
zu nehmen, so unbequem dies ihnen anch sein mag. Es fragt sich lediglich,
würde es nützlich und politisch klug sein, dem Washingtoner Cabinet eine
dahin gehende Erklärung zu übersenden, und da Frankreich diese Frage höchst
wahrscheinlich bejaht, würde dies für England nützlich und politisch klug sein?

Wir antworten darauf, wie man nach unsrer Ansicht von der Stellung
Englands zur mexicanischen Frage errathen wird, entschieden mit Nein.

England hat sicher mehr wie irgend eine andere Macht Ursache, ein bal¬
diges Aufhören der amerikanischen Blockade zu wünschen. So lange dieselbe
besteht, gibt's für Liverpool und die Manufacturen dreier Grafschaften keine
Baumwolle, und die Baumwolle ist gewissermaßen das tägliche Brot der drei
oder vier Millionen, die in diesen Grafschaften leben. Die Blockade ist nicht
hermetisch, aber obwohl die Häfen Südcarolina's, Georgia's, Alabama's, Flo¬
rida's und Louisiana's grohentheils nur nominell gesperrt sind, kommt doch
keine Baumwolle nach ihnen, theils weil man fürchtet, sie in die Hände des
Nordens fallen zu sehen, theils weil der Süden durch Zurückhaltung der letz¬
ten Ernte auf den Plantagen England und Frankreich in die Nothwendigkeit
versetzen will, die Blockade endlich zu brechen. Hört letztere auf, so würde
ferner ein sehr lebhafter Ein- und Ausfuhrhandel zwischen England und der
Conföderation beginnen, der um so größere Dimensionen annehmen müßte,
als der Verkehr nun schon seit sechs Monaten stockt und die Südstaaten ihre
Vorräthe von ausländischen Artikeln vermuthlich fast ganz verbraucht haben.
Man sagt deshalb nicht zu viel, wenn man annimmt, daß die Annullirung
der Blockade das Jahr 1862 zu einem Jahre beträchtlichen Wohlbefindens
für England, und nicht blos für England, sondern für ganz Europa machen
würde, während es jetzt ein Jahr beispielloser Noth für einen großen Theil
unsrer Fabrikländer werden zu sollen scheint. .

Ein anderer hörbarer Grund für die Nützlichkeit einer Aufhebung der
Blockade durch England ist der, daß durch diese Maßregel einem Kriege ein
Ziel gesetzt werden würde, welcher von Tage zu Tage eine furchtbarere Ge¬
stalt annimmt, welcher die Zerstörung aller Häfen des Südens droht, welcher
im Hintergrund die blutigen Gespenster eines Sklavenaufstandes zeigt, welcher
möglicherweise andere Nationen in seinen Strudel reißen wird. Mit dem Ende
der Blockade würde dem Norte" beinahe jede Aussicht auf Unterwerfung des
Südens abgeschnitten sein, und selbst die eifrigsten Föderalisten würden ihre
darauf zielenden Pläne aufgeben müssen. Friede und Fülle würden in we¬
nigen Monaten ihren heilenden Einfluß über beide Theile der gewaltigen, aber
jetzt zerrissenen Ländermasse der Union ausgießen. Die nothwendige Operation
der siamesischen Zwillinge wäre vollzogen, beide würden leben, getrennr leben,
aber unzweifelhaft glücklicher, schon darum, weil die Krankheit der Sklaverei,


als unerlaubte Willkür protestirt, und man hat das Recht, sie jetzt beim Wort
zu nehmen, so unbequem dies ihnen anch sein mag. Es fragt sich lediglich,
würde es nützlich und politisch klug sein, dem Washingtoner Cabinet eine
dahin gehende Erklärung zu übersenden, und da Frankreich diese Frage höchst
wahrscheinlich bejaht, würde dies für England nützlich und politisch klug sein?

Wir antworten darauf, wie man nach unsrer Ansicht von der Stellung
Englands zur mexicanischen Frage errathen wird, entschieden mit Nein.

England hat sicher mehr wie irgend eine andere Macht Ursache, ein bal¬
diges Aufhören der amerikanischen Blockade zu wünschen. So lange dieselbe
besteht, gibt's für Liverpool und die Manufacturen dreier Grafschaften keine
Baumwolle, und die Baumwolle ist gewissermaßen das tägliche Brot der drei
oder vier Millionen, die in diesen Grafschaften leben. Die Blockade ist nicht
hermetisch, aber obwohl die Häfen Südcarolina's, Georgia's, Alabama's, Flo¬
rida's und Louisiana's grohentheils nur nominell gesperrt sind, kommt doch
keine Baumwolle nach ihnen, theils weil man fürchtet, sie in die Hände des
Nordens fallen zu sehen, theils weil der Süden durch Zurückhaltung der letz¬
ten Ernte auf den Plantagen England und Frankreich in die Nothwendigkeit
versetzen will, die Blockade endlich zu brechen. Hört letztere auf, so würde
ferner ein sehr lebhafter Ein- und Ausfuhrhandel zwischen England und der
Conföderation beginnen, der um so größere Dimensionen annehmen müßte,
als der Verkehr nun schon seit sechs Monaten stockt und die Südstaaten ihre
Vorräthe von ausländischen Artikeln vermuthlich fast ganz verbraucht haben.
Man sagt deshalb nicht zu viel, wenn man annimmt, daß die Annullirung
der Blockade das Jahr 1862 zu einem Jahre beträchtlichen Wohlbefindens
für England, und nicht blos für England, sondern für ganz Europa machen
würde, während es jetzt ein Jahr beispielloser Noth für einen großen Theil
unsrer Fabrikländer werden zu sollen scheint. .

Ein anderer hörbarer Grund für die Nützlichkeit einer Aufhebung der
Blockade durch England ist der, daß durch diese Maßregel einem Kriege ein
Ziel gesetzt werden würde, welcher von Tage zu Tage eine furchtbarere Ge¬
stalt annimmt, welcher die Zerstörung aller Häfen des Südens droht, welcher
im Hintergrund die blutigen Gespenster eines Sklavenaufstandes zeigt, welcher
möglicherweise andere Nationen in seinen Strudel reißen wird. Mit dem Ende
der Blockade würde dem Norte» beinahe jede Aussicht auf Unterwerfung des
Südens abgeschnitten sein, und selbst die eifrigsten Föderalisten würden ihre
darauf zielenden Pläne aufgeben müssen. Friede und Fülle würden in we¬
nigen Monaten ihren heilenden Einfluß über beide Theile der gewaltigen, aber
jetzt zerrissenen Ländermasse der Union ausgießen. Die nothwendige Operation
der siamesischen Zwillinge wäre vollzogen, beide würden leben, getrennr leben,
aber unzweifelhaft glücklicher, schon darum, weil die Krankheit der Sklaverei,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0252" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/113494"/>
          <p xml:id="ID_750" prev="#ID_749"> als unerlaubte Willkür protestirt, und man hat das Recht, sie jetzt beim Wort<lb/>
zu nehmen, so unbequem dies ihnen anch sein mag. Es fragt sich lediglich,<lb/>
würde es nützlich und politisch klug sein, dem Washingtoner Cabinet eine<lb/>
dahin gehende Erklärung zu übersenden, und da Frankreich diese Frage höchst<lb/>
wahrscheinlich bejaht, würde dies für England nützlich und politisch klug sein?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_751"> Wir antworten darauf, wie man nach unsrer Ansicht von der Stellung<lb/>
Englands zur mexicanischen Frage errathen wird, entschieden mit Nein.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_752"> England hat sicher mehr wie irgend eine andere Macht Ursache, ein bal¬<lb/>
diges Aufhören der amerikanischen Blockade zu wünschen. So lange dieselbe<lb/>
besteht, gibt's für Liverpool und die Manufacturen dreier Grafschaften keine<lb/>
Baumwolle, und die Baumwolle ist gewissermaßen das tägliche Brot der drei<lb/>
oder vier Millionen, die in diesen Grafschaften leben. Die Blockade ist nicht<lb/>
hermetisch, aber obwohl die Häfen Südcarolina's, Georgia's, Alabama's, Flo¬<lb/>
rida's und Louisiana's grohentheils nur nominell gesperrt sind, kommt doch<lb/>
keine Baumwolle nach ihnen, theils weil man fürchtet, sie in die Hände des<lb/>
Nordens fallen zu sehen, theils weil der Süden durch Zurückhaltung der letz¬<lb/>
ten Ernte auf den Plantagen England und Frankreich in die Nothwendigkeit<lb/>
versetzen will, die Blockade endlich zu brechen. Hört letztere auf, so würde<lb/>
ferner ein sehr lebhafter Ein- und Ausfuhrhandel zwischen England und der<lb/>
Conföderation beginnen, der um so größere Dimensionen annehmen müßte,<lb/>
als der Verkehr nun schon seit sechs Monaten stockt und die Südstaaten ihre<lb/>
Vorräthe von ausländischen Artikeln vermuthlich fast ganz verbraucht haben.<lb/>
Man sagt deshalb nicht zu viel, wenn man annimmt, daß die Annullirung<lb/>
der Blockade das Jahr 1862 zu einem Jahre beträchtlichen Wohlbefindens<lb/>
für England, und nicht blos für England, sondern für ganz Europa machen<lb/>
würde, während es jetzt ein Jahr beispielloser Noth für einen großen Theil<lb/>
unsrer Fabrikländer werden zu sollen scheint. .</p><lb/>
          <p xml:id="ID_753" next="#ID_754"> Ein anderer hörbarer Grund für die Nützlichkeit einer Aufhebung der<lb/>
Blockade durch England ist der, daß durch diese Maßregel einem Kriege ein<lb/>
Ziel gesetzt werden würde, welcher von Tage zu Tage eine furchtbarere Ge¬<lb/>
stalt annimmt, welcher die Zerstörung aller Häfen des Südens droht, welcher<lb/>
im Hintergrund die blutigen Gespenster eines Sklavenaufstandes zeigt, welcher<lb/>
möglicherweise andere Nationen in seinen Strudel reißen wird. Mit dem Ende<lb/>
der Blockade würde dem Norte» beinahe jede Aussicht auf Unterwerfung des<lb/>
Südens abgeschnitten sein, und selbst die eifrigsten Föderalisten würden ihre<lb/>
darauf zielenden Pläne aufgeben müssen. Friede und Fülle würden in we¬<lb/>
nigen Monaten ihren heilenden Einfluß über beide Theile der gewaltigen, aber<lb/>
jetzt zerrissenen Ländermasse der Union ausgießen. Die nothwendige Operation<lb/>
der siamesischen Zwillinge wäre vollzogen, beide würden leben, getrennr leben,<lb/>
aber unzweifelhaft glücklicher, schon darum, weil die Krankheit der Sklaverei,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0252] als unerlaubte Willkür protestirt, und man hat das Recht, sie jetzt beim Wort zu nehmen, so unbequem dies ihnen anch sein mag. Es fragt sich lediglich, würde es nützlich und politisch klug sein, dem Washingtoner Cabinet eine dahin gehende Erklärung zu übersenden, und da Frankreich diese Frage höchst wahrscheinlich bejaht, würde dies für England nützlich und politisch klug sein? Wir antworten darauf, wie man nach unsrer Ansicht von der Stellung Englands zur mexicanischen Frage errathen wird, entschieden mit Nein. England hat sicher mehr wie irgend eine andere Macht Ursache, ein bal¬ diges Aufhören der amerikanischen Blockade zu wünschen. So lange dieselbe besteht, gibt's für Liverpool und die Manufacturen dreier Grafschaften keine Baumwolle, und die Baumwolle ist gewissermaßen das tägliche Brot der drei oder vier Millionen, die in diesen Grafschaften leben. Die Blockade ist nicht hermetisch, aber obwohl die Häfen Südcarolina's, Georgia's, Alabama's, Flo¬ rida's und Louisiana's grohentheils nur nominell gesperrt sind, kommt doch keine Baumwolle nach ihnen, theils weil man fürchtet, sie in die Hände des Nordens fallen zu sehen, theils weil der Süden durch Zurückhaltung der letz¬ ten Ernte auf den Plantagen England und Frankreich in die Nothwendigkeit versetzen will, die Blockade endlich zu brechen. Hört letztere auf, so würde ferner ein sehr lebhafter Ein- und Ausfuhrhandel zwischen England und der Conföderation beginnen, der um so größere Dimensionen annehmen müßte, als der Verkehr nun schon seit sechs Monaten stockt und die Südstaaten ihre Vorräthe von ausländischen Artikeln vermuthlich fast ganz verbraucht haben. Man sagt deshalb nicht zu viel, wenn man annimmt, daß die Annullirung der Blockade das Jahr 1862 zu einem Jahre beträchtlichen Wohlbefindens für England, und nicht blos für England, sondern für ganz Europa machen würde, während es jetzt ein Jahr beispielloser Noth für einen großen Theil unsrer Fabrikländer werden zu sollen scheint. . Ein anderer hörbarer Grund für die Nützlichkeit einer Aufhebung der Blockade durch England ist der, daß durch diese Maßregel einem Kriege ein Ziel gesetzt werden würde, welcher von Tage zu Tage eine furchtbarere Ge¬ stalt annimmt, welcher die Zerstörung aller Häfen des Südens droht, welcher im Hintergrund die blutigen Gespenster eines Sklavenaufstandes zeigt, welcher möglicherweise andere Nationen in seinen Strudel reißen wird. Mit dem Ende der Blockade würde dem Norte» beinahe jede Aussicht auf Unterwerfung des Südens abgeschnitten sein, und selbst die eifrigsten Föderalisten würden ihre darauf zielenden Pläne aufgeben müssen. Friede und Fülle würden in we¬ nigen Monaten ihren heilenden Einfluß über beide Theile der gewaltigen, aber jetzt zerrissenen Ländermasse der Union ausgießen. Die nothwendige Operation der siamesischen Zwillinge wäre vollzogen, beide würden leben, getrennr leben, aber unzweifelhaft glücklicher, schon darum, weil die Krankheit der Sklaverei,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/252
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/252>, abgerufen am 23.07.2024.