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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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abgelegt, die Robbenfelle, die sie zum Besatz gebrauchen, sind das kost¬
barste Pelzwerk der Römer geworden, zehnmal so theuer als das größte
Bärenfell, und der Rauchhändler zu Rom. Byzanz und Alexandrien sucht die
neuen Handelsartikel sorgfältig vor den Verwüstungen der südlichen Insecten
zu schützen. Aber sie fühlen sich um diese Zeit, so scheint es, auch in römi¬
schem Amt immer noch als Fremde; sie halten fest an nationalen Ge¬
bräuchen und Ueberlieferungen, und dieselben Männer, welche in ihrer Hei¬
math das Nömerreich als neues Vaterland ihrer vcrbquntcn Helden, als das
goldene Land der Frende und des Gewinns betrachteten, scheinen sich, sobald
sie selbst dorthin versetzt waren, wieder von den Italienern abgeschlossen und
die eigenen Landsleute mit einem starken Corpsgeist den Römern gegenüber
gestellt zu haben. Es lag im Interesse der Kaiser, die abgeschlossene Stellung
der Deutschen zu erhalten und zu begünstigen. Wäre uns aus dem Gar-
nisonlebcn deutscher Truppen zur Zeit des Aurelian oder Probus irgend
welche Beschreibung überliefert, wir würden sicher aus den rohen Lagerscher¬
zen und der trocknen Laune deutscher Centurionen, sowie aus der Disciplin
deutscher Truppenkörper eine überraschende Aehnlichkeit mit Stimmungen und
Heeresordnung der Landsknechte erkennen, welche unter den beiden Frunds-
berg bei Pavia kämpften.

Es war erst der mächtige Einfluß des christlichen Glaubens, welcher die
Germanen mit dem römischen Leben innig und für Jahrtausende un¬
auflöslich verband. Dem Gemüth der Deutschen, welches schon damals Wärme,
Begeisterung und Hingabe nicht entbehren konnte, wurde durch ihn ein neues
Gebiet der höchsten Interessen geöffnet, durch die Gemeinde wurden sie mit
Männern anderer Nationalitäten, auch mit den Eingeborenen des fremden Landes
so innig verbunden, daß die eigene Landsmannschaft einen Theil ihrer Wichtigkeit
einbüßen mußte. Sie verloren nicht sofortSprache. Sitte. Stammgefühl, aber
sie wurden als fromme Christen in ganz neuer Weise Weltbürger. Sie wur¬
den jetzt auch leidenschaftlich in das politische Parteileben des absterbenden
Römerreiches hineingezogen, als Führer und Werkzeuge der Pnesterpartcien an
den Höfen. Von da lernten sich die Deutschen schnell als die politischen Herren
Italiens fühlen. Ihre ehrgeizigen Führer besetzen den Kaiserstuhl, leiten
Heer und Verwaltung. Alte und neue Antipathien der deutschen Stämme
und Factivneir werden auf römischem Boden ausgekämpft, Gefolge und
Partei des einen Häuptlings stößt gegen die des andern. Lange bevor das
weströmische Reich unter dem letzten Schemkaiser zerfiel, hadern Teutsche aus den
verschiedensten Stämmen in wildem Streite untereinander um die Cäsarenbeute.

Und doch begann erst jetzt die massenhafte Einwanderung ganzer Stämme.
Eine deutsche Welle nach der andern fluthete über die langgestreckte Halbinsel,
eine brach sich an der andern, ihre Krieger zerrannen wie Wasfturopfen auf


Grenzboten I. 1862, ^ ,

abgelegt, die Robbenfelle, die sie zum Besatz gebrauchen, sind das kost¬
barste Pelzwerk der Römer geworden, zehnmal so theuer als das größte
Bärenfell, und der Rauchhändler zu Rom. Byzanz und Alexandrien sucht die
neuen Handelsartikel sorgfältig vor den Verwüstungen der südlichen Insecten
zu schützen. Aber sie fühlen sich um diese Zeit, so scheint es, auch in römi¬
schem Amt immer noch als Fremde; sie halten fest an nationalen Ge¬
bräuchen und Ueberlieferungen, und dieselben Männer, welche in ihrer Hei¬
math das Nömerreich als neues Vaterland ihrer vcrbquntcn Helden, als das
goldene Land der Frende und des Gewinns betrachteten, scheinen sich, sobald
sie selbst dorthin versetzt waren, wieder von den Italienern abgeschlossen und
die eigenen Landsleute mit einem starken Corpsgeist den Römern gegenüber
gestellt zu haben. Es lag im Interesse der Kaiser, die abgeschlossene Stellung
der Deutschen zu erhalten und zu begünstigen. Wäre uns aus dem Gar-
nisonlebcn deutscher Truppen zur Zeit des Aurelian oder Probus irgend
welche Beschreibung überliefert, wir würden sicher aus den rohen Lagerscher¬
zen und der trocknen Laune deutscher Centurionen, sowie aus der Disciplin
deutscher Truppenkörper eine überraschende Aehnlichkeit mit Stimmungen und
Heeresordnung der Landsknechte erkennen, welche unter den beiden Frunds-
berg bei Pavia kämpften.

Es war erst der mächtige Einfluß des christlichen Glaubens, welcher die
Germanen mit dem römischen Leben innig und für Jahrtausende un¬
auflöslich verband. Dem Gemüth der Deutschen, welches schon damals Wärme,
Begeisterung und Hingabe nicht entbehren konnte, wurde durch ihn ein neues
Gebiet der höchsten Interessen geöffnet, durch die Gemeinde wurden sie mit
Männern anderer Nationalitäten, auch mit den Eingeborenen des fremden Landes
so innig verbunden, daß die eigene Landsmannschaft einen Theil ihrer Wichtigkeit
einbüßen mußte. Sie verloren nicht sofortSprache. Sitte. Stammgefühl, aber
sie wurden als fromme Christen in ganz neuer Weise Weltbürger. Sie wur¬
den jetzt auch leidenschaftlich in das politische Parteileben des absterbenden
Römerreiches hineingezogen, als Führer und Werkzeuge der Pnesterpartcien an
den Höfen. Von da lernten sich die Deutschen schnell als die politischen Herren
Italiens fühlen. Ihre ehrgeizigen Führer besetzen den Kaiserstuhl, leiten
Heer und Verwaltung. Alte und neue Antipathien der deutschen Stämme
und Factivneir werden auf römischem Boden ausgekämpft, Gefolge und
Partei des einen Häuptlings stößt gegen die des andern. Lange bevor das
weströmische Reich unter dem letzten Schemkaiser zerfiel, hadern Teutsche aus den
verschiedensten Stämmen in wildem Streite untereinander um die Cäsarenbeute.

Und doch begann erst jetzt die massenhafte Einwanderung ganzer Stämme.
Eine deutsche Welle nach der andern fluthete über die langgestreckte Halbinsel,
eine brach sich an der andern, ihre Krieger zerrannen wie Wasfturopfen auf


Grenzboten I. 1862, ^ ,
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[0241] abgelegt, die Robbenfelle, die sie zum Besatz gebrauchen, sind das kost¬ barste Pelzwerk der Römer geworden, zehnmal so theuer als das größte Bärenfell, und der Rauchhändler zu Rom. Byzanz und Alexandrien sucht die neuen Handelsartikel sorgfältig vor den Verwüstungen der südlichen Insecten zu schützen. Aber sie fühlen sich um diese Zeit, so scheint es, auch in römi¬ schem Amt immer noch als Fremde; sie halten fest an nationalen Ge¬ bräuchen und Ueberlieferungen, und dieselben Männer, welche in ihrer Hei¬ math das Nömerreich als neues Vaterland ihrer vcrbquntcn Helden, als das goldene Land der Frende und des Gewinns betrachteten, scheinen sich, sobald sie selbst dorthin versetzt waren, wieder von den Italienern abgeschlossen und die eigenen Landsleute mit einem starken Corpsgeist den Römern gegenüber gestellt zu haben. Es lag im Interesse der Kaiser, die abgeschlossene Stellung der Deutschen zu erhalten und zu begünstigen. Wäre uns aus dem Gar- nisonlebcn deutscher Truppen zur Zeit des Aurelian oder Probus irgend welche Beschreibung überliefert, wir würden sicher aus den rohen Lagerscher¬ zen und der trocknen Laune deutscher Centurionen, sowie aus der Disciplin deutscher Truppenkörper eine überraschende Aehnlichkeit mit Stimmungen und Heeresordnung der Landsknechte erkennen, welche unter den beiden Frunds- berg bei Pavia kämpften. Es war erst der mächtige Einfluß des christlichen Glaubens, welcher die Germanen mit dem römischen Leben innig und für Jahrtausende un¬ auflöslich verband. Dem Gemüth der Deutschen, welches schon damals Wärme, Begeisterung und Hingabe nicht entbehren konnte, wurde durch ihn ein neues Gebiet der höchsten Interessen geöffnet, durch die Gemeinde wurden sie mit Männern anderer Nationalitäten, auch mit den Eingeborenen des fremden Landes so innig verbunden, daß die eigene Landsmannschaft einen Theil ihrer Wichtigkeit einbüßen mußte. Sie verloren nicht sofortSprache. Sitte. Stammgefühl, aber sie wurden als fromme Christen in ganz neuer Weise Weltbürger. Sie wur¬ den jetzt auch leidenschaftlich in das politische Parteileben des absterbenden Römerreiches hineingezogen, als Führer und Werkzeuge der Pnesterpartcien an den Höfen. Von da lernten sich die Deutschen schnell als die politischen Herren Italiens fühlen. Ihre ehrgeizigen Führer besetzen den Kaiserstuhl, leiten Heer und Verwaltung. Alte und neue Antipathien der deutschen Stämme und Factivneir werden auf römischem Boden ausgekämpft, Gefolge und Partei des einen Häuptlings stößt gegen die des andern. Lange bevor das weströmische Reich unter dem letzten Schemkaiser zerfiel, hadern Teutsche aus den verschiedensten Stämmen in wildem Streite untereinander um die Cäsarenbeute. Und doch begann erst jetzt die massenhafte Einwanderung ganzer Stämme. Eine deutsche Welle nach der andern fluthete über die langgestreckte Halbinsel, eine brach sich an der andern, ihre Krieger zerrannen wie Wasfturopfen auf Grenzboten I. 1862, ^ ,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/241>, abgerufen am 23.07.2024.