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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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geschenkten, die Kreolen niederzuhalten, ihnen Bildung und damit Bewußtsein
über ihre Stellung zu den Spaniern und mit diesem die Neigung jene Stel¬
lung zu verbessern abzuschneiden.

Es ist wahr, es herrschte damals eine Art von Ordnung, und es herrscht
jetzt Unordnung in Neuspanien, und diese Unordnung ist etwas schlimmer als
die, welche vor zwanzig Jahren in Altspanicu war. Es ist serner wahr, daß
es unmöglich sein würde, die Zustände Mexicos auf die Stufe jener für die Krone
Spanien so guten alten Zeit zurückzuschrauben. Aber ebenso gewiß ist, daß
die große Mehrzahl der Kreolenbevölkerung die heutige Unordnung, die ihnen
wenigstens für ihre eigenen Interessen zu leben erlaubt, ihnen ihr Grund-
eigenthum nach Belieben zu benutzen gestattet, ihnen den Weg zu Ehrenstellen
offen läßt, ihnen, wenn auch mit Unterbrechungen, Preß- und Religionsfrei¬
heit gewährt, ihrem Verkehr mit dem Ausland nichts in den Weg legt, ganz
entschieden der alten Ordnung vorziehen würde, selbst wenn diese mit einigen
Milderungen wieder eingeführt werden sollte.

Wenn der spanische General in Veracruz die Mexicaner c>!s Brüder der
Spanier bezeichnet, so wissen jene, daß sie von diesen als Stiefbruder behält
dell worden sind, und wieder als solche behandelt werden würden, und wir
können ihnen, soviel anch an ihnen auszusetzen sein mag, so kläglich anch
die letzten zwanzig Jahre ilirer Geschichte verlaufen sein mögen, soviel Un¬
heil anch die von Paris importirte demokratische Doctrin unter dem halbci-
vilisirten Volk angerichtet hat. nur wünschen, daß es ihnen gelinge, jene
aufdringliche" Stiefbruder, die bei aller sonstigen Überlegenheit noch heute
das Lesen der Bibel mit der Galeere bestrafen, mit der Zeit abermals aus
ihrem Lande zu werfen, das wenigstens die Reminiscenzen der Inquisition
und was damit verbunden ist, von sich abgeschüttelt hat.

Vermögen sie das nicht, vermögen die Liberalen im Norden nicht,, wie
einst unter den spanischen Vicekönige". wie später unter der Herrschaft der
Klerikalen, dnrch stets wiederholte, in keiner Niederlage erlöschende Angriffe
das ihnen drohende Joch abzuschütteln, nun so ist ihr Haß gegen Spanien
ein unverständiger, und sie verdienen Sklaven der mit den Priestern verbün¬
deten Despotie zu sein. Ihr Schicksal hängt dann allein von dem Schicksal
der Vereinigten Staaten ab, denen oder deren südlicher Hälfte sie dann --
-- wenn auch gewiß weit später, als bisher erwartet wurde -- aller Wahr¬
scheinlichkeit einmal als Gleichberechtigte zugehören werden. Die Monroe-
Doctrin ist vertagt, sehr wahrscheinlich auf lange Zeit vertagt, aber nicht
ausgelöscht. Auch der Süden wird sich zu ihr bekennen, und sie geltend
machen, sobald er vermag.

Ueberblicken wir das Gesagte noch einmal, so stellt sich folgendes Er¬
gebniß heraus: Eine gemein some Intervention zur Umgestaltung der Regie-


geschenkten, die Kreolen niederzuhalten, ihnen Bildung und damit Bewußtsein
über ihre Stellung zu den Spaniern und mit diesem die Neigung jene Stel¬
lung zu verbessern abzuschneiden.

Es ist wahr, es herrschte damals eine Art von Ordnung, und es herrscht
jetzt Unordnung in Neuspanien, und diese Unordnung ist etwas schlimmer als
die, welche vor zwanzig Jahren in Altspanicu war. Es ist serner wahr, daß
es unmöglich sein würde, die Zustände Mexicos auf die Stufe jener für die Krone
Spanien so guten alten Zeit zurückzuschrauben. Aber ebenso gewiß ist, daß
die große Mehrzahl der Kreolenbevölkerung die heutige Unordnung, die ihnen
wenigstens für ihre eigenen Interessen zu leben erlaubt, ihnen ihr Grund-
eigenthum nach Belieben zu benutzen gestattet, ihnen den Weg zu Ehrenstellen
offen läßt, ihnen, wenn auch mit Unterbrechungen, Preß- und Religionsfrei¬
heit gewährt, ihrem Verkehr mit dem Ausland nichts in den Weg legt, ganz
entschieden der alten Ordnung vorziehen würde, selbst wenn diese mit einigen
Milderungen wieder eingeführt werden sollte.

Wenn der spanische General in Veracruz die Mexicaner c>!s Brüder der
Spanier bezeichnet, so wissen jene, daß sie von diesen als Stiefbruder behält
dell worden sind, und wieder als solche behandelt werden würden, und wir
können ihnen, soviel anch an ihnen auszusetzen sein mag, so kläglich anch
die letzten zwanzig Jahre ilirer Geschichte verlaufen sein mögen, soviel Un¬
heil anch die von Paris importirte demokratische Doctrin unter dem halbci-
vilisirten Volk angerichtet hat. nur wünschen, daß es ihnen gelinge, jene
aufdringliche» Stiefbruder, die bei aller sonstigen Überlegenheit noch heute
das Lesen der Bibel mit der Galeere bestrafen, mit der Zeit abermals aus
ihrem Lande zu werfen, das wenigstens die Reminiscenzen der Inquisition
und was damit verbunden ist, von sich abgeschüttelt hat.

Vermögen sie das nicht, vermögen die Liberalen im Norden nicht,, wie
einst unter den spanischen Vicekönige». wie später unter der Herrschaft der
Klerikalen, dnrch stets wiederholte, in keiner Niederlage erlöschende Angriffe
das ihnen drohende Joch abzuschütteln, nun so ist ihr Haß gegen Spanien
ein unverständiger, und sie verdienen Sklaven der mit den Priestern verbün¬
deten Despotie zu sein. Ihr Schicksal hängt dann allein von dem Schicksal
der Vereinigten Staaten ab, denen oder deren südlicher Hälfte sie dann —
— wenn auch gewiß weit später, als bisher erwartet wurde — aller Wahr¬
scheinlichkeit einmal als Gleichberechtigte zugehören werden. Die Monroe-
Doctrin ist vertagt, sehr wahrscheinlich auf lange Zeit vertagt, aber nicht
ausgelöscht. Auch der Süden wird sich zu ihr bekennen, und sie geltend
machen, sobald er vermag.

Ueberblicken wir das Gesagte noch einmal, so stellt sich folgendes Er¬
gebniß heraus: Eine gemein some Intervention zur Umgestaltung der Regie-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/222>, abgerufen am 23.07.2024.