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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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verbündeten Mächten -- nicht blos Spanien und Frankreich -- bei der
Intervention darum zu thun sei, den Mexicanern ein geordnetes Regiment
zu geben, so läßt sich zwar vom Standpunkt des Nichts nichts für ein solches
Unternehmen sagen, wohl aber sprechen mancherlei andere Gründe dafür.
Hören wir, was die Vertheidiger einer solchen Intervention vorbringen.

Könnte Mexico unter eine kräftige, kluge und gerechte Negierung ge¬
bracht werden, so würde dies Niemand in der Welt zu beklagen haben, als
die zukünftige Conföderation der Sklavenstaaten von Nordamerika, deren
Pläne dadurch vereitelt werden würden. Vielen Völkern würde ein Vortheil
-daraus erwachsen und keinem ein größerer als dem mexikanischen. Die jetzt
dort am Nuder befindliche Partei steht so wenig fest, als eine der früheren,
der Parteikampf kann jeden Tag wieder ausbrechen, das Land, der Staat
bietet das Bild eines hilflosen Leichnams dar, um den sich Banden von
Räubern in der Uniform von Soldaten streiten. Ein ehrlicher Mann, der
gelegentlich in dem Getümmel auftaucht, vermag nur auf kurze Zeit Ruhe
und Recht zu gebieten, und so ist die Republik ein Fluch für sich selbst und
alle ihre Nachbarn. Ihre Lage feraer ist von der Art, daß sie Angriffe einer
Nachbarmacht herausfordert, deren Absichten zu vereiteln im höchsten Interesse
der Humanität liegt. Wird in Mexico keine starke Negierung geschaffen, so
wird es unausbleiblich, noch ehe das Jahrhundert zu Ende geht, die Beute
des jetzt im Entstehen begriffnen großen Bundes der Sklavenhalter-Staaten.
Niemand kann das Einschreiten der Mächte ein vorzeitiges schelten, da die
Anarchie in Mexico mit geringen Unterbrechungen schon ein Vierteljahrhun-
dert gewährt hat und keine Hoffnung vorhanden ist, daß das Land ihr mit
eigner Kraft ein Ende machen wird. Mexico ist keine Nation, kein Staat, es
ist einfach ein großes weites Territorium, das von bewaffneten Banden
durchzogen wird, und in dem sich selbst die Elemente der Gesellschaft auflösen
zu wollen scheinen.

Dann ist Mexico solch ein herrliches Land: sieben Millionen Menschen
auf einem Areal halb so groß als ganz Europa. Es liegt in den Tropen,
"der zufolge der hohen Berge im Jnnern erfreut sich ein großer Theil desselben
des gesundesten Klimas. Bedeutende Strecken sind sehr fruchtbar, andere
ließen sich zu ausgedehnter Viehzucht benutzen. Seine Silberminen sind die
ergiebigsten der Welt. Vor der Eroberung durch Cortez war es der mäch¬
igste Staat der westlichen Hemisphäre, später war es Jahrhunderte hindurch
die reichste lind wichtigste Kolonie der Krone Spanien. Seit den Tagen
Montezuma's ist es nie so tief herabgesunken als jetzt. In guten Handen
müßte es binnen Kurzem eines der glücklichsten Länder der Erde werden, und
jeder Mexicaner würde Ursache haben, den Tag zu segnen, wo die höhere
Civilisation Europa's ihm und seinen Landsleuten die Hand reichte, um sie


verbündeten Mächten — nicht blos Spanien und Frankreich — bei der
Intervention darum zu thun sei, den Mexicanern ein geordnetes Regiment
zu geben, so läßt sich zwar vom Standpunkt des Nichts nichts für ein solches
Unternehmen sagen, wohl aber sprechen mancherlei andere Gründe dafür.
Hören wir, was die Vertheidiger einer solchen Intervention vorbringen.

Könnte Mexico unter eine kräftige, kluge und gerechte Negierung ge¬
bracht werden, so würde dies Niemand in der Welt zu beklagen haben, als
die zukünftige Conföderation der Sklavenstaaten von Nordamerika, deren
Pläne dadurch vereitelt werden würden. Vielen Völkern würde ein Vortheil
-daraus erwachsen und keinem ein größerer als dem mexikanischen. Die jetzt
dort am Nuder befindliche Partei steht so wenig fest, als eine der früheren,
der Parteikampf kann jeden Tag wieder ausbrechen, das Land, der Staat
bietet das Bild eines hilflosen Leichnams dar, um den sich Banden von
Räubern in der Uniform von Soldaten streiten. Ein ehrlicher Mann, der
gelegentlich in dem Getümmel auftaucht, vermag nur auf kurze Zeit Ruhe
und Recht zu gebieten, und so ist die Republik ein Fluch für sich selbst und
alle ihre Nachbarn. Ihre Lage feraer ist von der Art, daß sie Angriffe einer
Nachbarmacht herausfordert, deren Absichten zu vereiteln im höchsten Interesse
der Humanität liegt. Wird in Mexico keine starke Negierung geschaffen, so
wird es unausbleiblich, noch ehe das Jahrhundert zu Ende geht, die Beute
des jetzt im Entstehen begriffnen großen Bundes der Sklavenhalter-Staaten.
Niemand kann das Einschreiten der Mächte ein vorzeitiges schelten, da die
Anarchie in Mexico mit geringen Unterbrechungen schon ein Vierteljahrhun-
dert gewährt hat und keine Hoffnung vorhanden ist, daß das Land ihr mit
eigner Kraft ein Ende machen wird. Mexico ist keine Nation, kein Staat, es
ist einfach ein großes weites Territorium, das von bewaffneten Banden
durchzogen wird, und in dem sich selbst die Elemente der Gesellschaft auflösen
zu wollen scheinen.

Dann ist Mexico solch ein herrliches Land: sieben Millionen Menschen
auf einem Areal halb so groß als ganz Europa. Es liegt in den Tropen,
«der zufolge der hohen Berge im Jnnern erfreut sich ein großer Theil desselben
des gesundesten Klimas. Bedeutende Strecken sind sehr fruchtbar, andere
ließen sich zu ausgedehnter Viehzucht benutzen. Seine Silberminen sind die
ergiebigsten der Welt. Vor der Eroberung durch Cortez war es der mäch¬
igste Staat der westlichen Hemisphäre, später war es Jahrhunderte hindurch
die reichste lind wichtigste Kolonie der Krone Spanien. Seit den Tagen
Montezuma's ist es nie so tief herabgesunken als jetzt. In guten Handen
müßte es binnen Kurzem eines der glücklichsten Länder der Erde werden, und
jeder Mexicaner würde Ursache haben, den Tag zu segnen, wo die höhere
Civilisation Europa's ihm und seinen Landsleuten die Hand reichte, um sie


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/213>, abgerufen am 23.07.2024.