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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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selbe denkbar ist, daß es in Verbindung mit dem Tagleben der Menschheit vor
Allem die Mythologien, die Religionen und Künste möglich macht, daß der Cultus zum
Theil aus magischen Ceremonien besteht (vermuthlich die Sacramente) und daß endlich
der wahre Künstler, vor Allem der Dichter, von jeher mit dem Priester und Propheten
in Beziehung gebracht wurde. Der Geist, lehrt die "neue Wissenschaft" sodann, über¬
windet als die höchste Kraft alle übrigen Kräfte und Gesetze. Derselbe "zeigt aber gerade
in seiner magischen Thätigkeit sich am unabhängigsten von den Naturgesetzen, noch
unabhängiger als im Verstandes- und Vernunftleben, welches viel enger mit dem
Organismus und der materiellen Welt verschlungen ist. (Setzen wir für magische
Thätigkeit phantastische Thätigkeit, so ist das richtig, wie wir unter Anderm an
dem Verfasser selbst sehen, dessen Leistungen in der That von den Naturgesetzen wie
von denen des Verstandes und der Vernunft sehr unabhängig sind.) Bei den mei¬
sten magischen Thätigkeiten zeigt sich der Geist gleichsam abgewendet und losgelöst
vom Körper, und dieser liegt manchmal wie starr und todt. Wäre es noch mög¬
lich, das Gedächtniß, die Phantasie und den Verstand aus physischen Gesetzen zu er¬
klären, wonach alle diese Fähigkeiten mit dem Körper vergehen müßten, so ist dieses
absolut unmöglich mil den magischen Thätigkeiten, die durch die Materie hindurch
wirken, sndaß diese oft für sie gar uicht vorhanden scheint, und höhern Gesetzen ge¬
horchen, welche vielleicht die Zukunft theilweise erkennen wird. Ist aber das Ma¬
gische das von Zeit, Raum und Stoff Freie, so ist es auch das Unvergängliche,
welches schon vor dem" Körper war und seine Zerstörung überlebt. Wie dieses Un¬
zerstörbare sich nach dem irdischen Leben bethätigen werde, wird kein menschlicher
Verstand ergründen. ES mag wohl eingehen in das Gedankenreich zunächst des
geodümonischcn Geistes, nicht, um blos in seiner Erinnerung fortzuleben, sondern
auch, um mit ihln als ein mehr oder minder merthvoller Theil seiner Kraft und
seines Wesens seine Wandlungen und Geschicke zu bestehen."

So hätten wir denn auch eine neue Unsterblichkeitslhcoric. Aber genug mit diesem Jrr-
lichteliren auf Traumgebieten und diesen Versündigungen am gesunden Menschenverstand.
Die Leser erwarten schwerlich, daß wir uns auf eine Widerlegung des dicken Buchs
einlassen werden, und so wollen wir nur das Eine bemerken, daß wir bis¬
her den Antheil der Menschheit am Göttlichen sich in den lichten Regionen klarer und
tiefer Denker, in der schöpferischen Phantasie der Künstler und Dichter, in der Un-
erschrockenheit und dem Opfermut!) der Heroen, in Thaten der Liebe und Barmher¬
zigkeit, nicht aber in Gespenstergeschichten und Zauberspuk sich offenbaren sahen,
daß 'wir glaubten, die Natur werde vom Menschen durch nichts Anderes als durch
Erkenntniß und Befolgung ihrer Gesetze überwunden, daß wir durch das Räson-
nement Professor Perty's eines Andern nicht belehrt, sondern nur im Widerwillen
gegen derartige wüste Possen bestärkt worden sind, und daß wir die Magie in
Religion und Cultus einzumengen für den verderblichsten Irrthum halten, der Prote.
standen, die durch ihr Gewissen selig werden sollen, gepredigt werden kann.




Verantwortlicher Redacteur: Dr. Moritz Busch.
Verlag von F. L, Herbig. -- Druck von <5. E. Wert in Leipzig.

selbe denkbar ist, daß es in Verbindung mit dem Tagleben der Menschheit vor
Allem die Mythologien, die Religionen und Künste möglich macht, daß der Cultus zum
Theil aus magischen Ceremonien besteht (vermuthlich die Sacramente) und daß endlich
der wahre Künstler, vor Allem der Dichter, von jeher mit dem Priester und Propheten
in Beziehung gebracht wurde. Der Geist, lehrt die „neue Wissenschaft" sodann, über¬
windet als die höchste Kraft alle übrigen Kräfte und Gesetze. Derselbe „zeigt aber gerade
in seiner magischen Thätigkeit sich am unabhängigsten von den Naturgesetzen, noch
unabhängiger als im Verstandes- und Vernunftleben, welches viel enger mit dem
Organismus und der materiellen Welt verschlungen ist. (Setzen wir für magische
Thätigkeit phantastische Thätigkeit, so ist das richtig, wie wir unter Anderm an
dem Verfasser selbst sehen, dessen Leistungen in der That von den Naturgesetzen wie
von denen des Verstandes und der Vernunft sehr unabhängig sind.) Bei den mei¬
sten magischen Thätigkeiten zeigt sich der Geist gleichsam abgewendet und losgelöst
vom Körper, und dieser liegt manchmal wie starr und todt. Wäre es noch mög¬
lich, das Gedächtniß, die Phantasie und den Verstand aus physischen Gesetzen zu er¬
klären, wonach alle diese Fähigkeiten mit dem Körper vergehen müßten, so ist dieses
absolut unmöglich mil den magischen Thätigkeiten, die durch die Materie hindurch
wirken, sndaß diese oft für sie gar uicht vorhanden scheint, und höhern Gesetzen ge¬
horchen, welche vielleicht die Zukunft theilweise erkennen wird. Ist aber das Ma¬
gische das von Zeit, Raum und Stoff Freie, so ist es auch das Unvergängliche,
welches schon vor dem« Körper war und seine Zerstörung überlebt. Wie dieses Un¬
zerstörbare sich nach dem irdischen Leben bethätigen werde, wird kein menschlicher
Verstand ergründen. ES mag wohl eingehen in das Gedankenreich zunächst des
geodümonischcn Geistes, nicht, um blos in seiner Erinnerung fortzuleben, sondern
auch, um mit ihln als ein mehr oder minder merthvoller Theil seiner Kraft und
seines Wesens seine Wandlungen und Geschicke zu bestehen."

So hätten wir denn auch eine neue Unsterblichkeitslhcoric. Aber genug mit diesem Jrr-
lichteliren auf Traumgebieten und diesen Versündigungen am gesunden Menschenverstand.
Die Leser erwarten schwerlich, daß wir uns auf eine Widerlegung des dicken Buchs
einlassen werden, und so wollen wir nur das Eine bemerken, daß wir bis¬
her den Antheil der Menschheit am Göttlichen sich in den lichten Regionen klarer und
tiefer Denker, in der schöpferischen Phantasie der Künstler und Dichter, in der Un-
erschrockenheit und dem Opfermut!) der Heroen, in Thaten der Liebe und Barmher¬
zigkeit, nicht aber in Gespenstergeschichten und Zauberspuk sich offenbaren sahen,
daß 'wir glaubten, die Natur werde vom Menschen durch nichts Anderes als durch
Erkenntniß und Befolgung ihrer Gesetze überwunden, daß wir durch das Räson-
nement Professor Perty's eines Andern nicht belehrt, sondern nur im Widerwillen
gegen derartige wüste Possen bestärkt worden sind, und daß wir die Magie in
Religion und Cultus einzumengen für den verderblichsten Irrthum halten, der Prote.
standen, die durch ihr Gewissen selig werden sollen, gepredigt werden kann.




Verantwortlicher Redacteur: Dr. Moritz Busch.
Verlag von F. L, Herbig. — Druck von <5. E. Wert in Leipzig.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/208>, abgerufen am 28.12.2024.