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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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das für eine nicht sehr drückende Abgabe. Diese Behauptung ist einer dop¬
pelten Täuschung entsprungen. Denn erstens wäre eine solche Besteuerung in
der Geschichte der Völker unerhört, und dann erwartet man von derselben
einen Ertrag von circa 100 Millionen Dollars, dieser aber wäre nur etwa
der dritte Theil der Summe, die man zur Fortsetzung des Krieges bis gegen
das Ende dieses Jahres bedarf, so daß nach einer Einkommensteuer, doppelt
so hoch als je eine Nation getragen, die Verein. Staaten immer noch ein un¬
geheures Deficit haben würden. Bei einigermaßen genauer Betrachtung der
betreffenden Zahlen also ergibt sich sofort, daß in einem Fall wie der vor¬
liegende eine Steuer ausreichende Hilfe nicht gewähren kann,

Man kann sagen, die südliche Consöderation behauptet sich ja mit sehr
entwertheten Geldzeichen. Die Bürger der aufständische" Staaten leiden ohne
Zweifel schon jetzt, und sie werden noch mehr leiden. Aber sie können doch
bestehen, können leben. Weshalb sollte der Norden nicht dasselbe vermögen?

Wir antworten: aus zwei Ursachen nicht, wenigstens nicht auf längere
Zeit. Erstens, die theilweise Entwerthung des umlaufenden Geldes ist für
civilisirte und vorwiegend handeltreibende Nationen ein sehr gefährliches Aus-
kunftsmittel, während sie weniger civilisirten, hauptsächlich ackerbauenden Völ¬
kern vcrhältnißmüßig wenig schadet. Der Süden kann seine Baummolle,
seinen Reis und seinen Zucker erzeugen, wie sichs auch immer mit dem Stande
seines Papiergelds verhalten möge; aber die täglichen Verluste durch ein täg¬
lich mehr an Werth verlierendes Umlanfsmittcl müssen in Neuyork und andern
Küstenplätzen allmähUg den Ruin herbeiführen. Zweitens, der Norden hat
eine Flotte und eine kostspielige Armee zu erhalten, und der Süden hat keine
Flotte und eine wohlfeile Armee. Die aristokratische Natur des Südens läßt
viele seiner Offiziere nicht blos umsonst dienen, sondern bewegt sie sogar,
ganze Compagnien von Gemeinen vollständig oder theilweise auf eigne Kosten
cuisznrüsten. Der Süden braucht nicht halb so viel Geld zum Kriege als
seine Gegner, und er kann dasselbe durch uneinlösbare Noten der Regierung
mit weit weniger Gefahr beschaffen.

Wir kommen zum Schluß dieser Betrachtung, der dahin geht, daß im
Fall einer langen Fortdauer des Kriegs zwischen Süd und Nord dem letztem
schwere Verlegenheiten in '.'lnssicht stehen, und daß Mr. Chase, wenn er die
Summen ausgeben will, von deney er spricht, Papiergeld zu einem Betrag
in die Welt werfen muß, der Jedermann erschrecken wird, der die Papiere der
sundirten Schuld mit der Zeit tief Herabdrücken, die Geschäfte zwischen Ame¬
rika und Europa verwirren und stören, dem Gläubiger nehmen und dem
Schuldner geben und schließlich dem gesammten Credit der Ver. Staaten dies¬
seits des Oceans ein Ende machen wird.

Die erste Wirkung der Suspension der Baarzahlung also wird nicht so


das für eine nicht sehr drückende Abgabe. Diese Behauptung ist einer dop¬
pelten Täuschung entsprungen. Denn erstens wäre eine solche Besteuerung in
der Geschichte der Völker unerhört, und dann erwartet man von derselben
einen Ertrag von circa 100 Millionen Dollars, dieser aber wäre nur etwa
der dritte Theil der Summe, die man zur Fortsetzung des Krieges bis gegen
das Ende dieses Jahres bedarf, so daß nach einer Einkommensteuer, doppelt
so hoch als je eine Nation getragen, die Verein. Staaten immer noch ein un¬
geheures Deficit haben würden. Bei einigermaßen genauer Betrachtung der
betreffenden Zahlen also ergibt sich sofort, daß in einem Fall wie der vor¬
liegende eine Steuer ausreichende Hilfe nicht gewähren kann,

Man kann sagen, die südliche Consöderation behauptet sich ja mit sehr
entwertheten Geldzeichen. Die Bürger der aufständische» Staaten leiden ohne
Zweifel schon jetzt, und sie werden noch mehr leiden. Aber sie können doch
bestehen, können leben. Weshalb sollte der Norden nicht dasselbe vermögen?

Wir antworten: aus zwei Ursachen nicht, wenigstens nicht auf längere
Zeit. Erstens, die theilweise Entwerthung des umlaufenden Geldes ist für
civilisirte und vorwiegend handeltreibende Nationen ein sehr gefährliches Aus-
kunftsmittel, während sie weniger civilisirten, hauptsächlich ackerbauenden Völ¬
kern vcrhältnißmüßig wenig schadet. Der Süden kann seine Baummolle,
seinen Reis und seinen Zucker erzeugen, wie sichs auch immer mit dem Stande
seines Papiergelds verhalten möge; aber die täglichen Verluste durch ein täg¬
lich mehr an Werth verlierendes Umlanfsmittcl müssen in Neuyork und andern
Küstenplätzen allmähUg den Ruin herbeiführen. Zweitens, der Norden hat
eine Flotte und eine kostspielige Armee zu erhalten, und der Süden hat keine
Flotte und eine wohlfeile Armee. Die aristokratische Natur des Südens läßt
viele seiner Offiziere nicht blos umsonst dienen, sondern bewegt sie sogar,
ganze Compagnien von Gemeinen vollständig oder theilweise auf eigne Kosten
cuisznrüsten. Der Süden braucht nicht halb so viel Geld zum Kriege als
seine Gegner, und er kann dasselbe durch uneinlösbare Noten der Regierung
mit weit weniger Gefahr beschaffen.

Wir kommen zum Schluß dieser Betrachtung, der dahin geht, daß im
Fall einer langen Fortdauer des Kriegs zwischen Süd und Nord dem letztem
schwere Verlegenheiten in '.'lnssicht stehen, und daß Mr. Chase, wenn er die
Summen ausgeben will, von deney er spricht, Papiergeld zu einem Betrag
in die Welt werfen muß, der Jedermann erschrecken wird, der die Papiere der
sundirten Schuld mit der Zeit tief Herabdrücken, die Geschäfte zwischen Ame¬
rika und Europa verwirren und stören, dem Gläubiger nehmen und dem
Schuldner geben und schließlich dem gesammten Credit der Ver. Staaten dies¬
seits des Oceans ein Ende machen wird.

Die erste Wirkung der Suspension der Baarzahlung also wird nicht so


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[0204] das für eine nicht sehr drückende Abgabe. Diese Behauptung ist einer dop¬ pelten Täuschung entsprungen. Denn erstens wäre eine solche Besteuerung in der Geschichte der Völker unerhört, und dann erwartet man von derselben einen Ertrag von circa 100 Millionen Dollars, dieser aber wäre nur etwa der dritte Theil der Summe, die man zur Fortsetzung des Krieges bis gegen das Ende dieses Jahres bedarf, so daß nach einer Einkommensteuer, doppelt so hoch als je eine Nation getragen, die Verein. Staaten immer noch ein un¬ geheures Deficit haben würden. Bei einigermaßen genauer Betrachtung der betreffenden Zahlen also ergibt sich sofort, daß in einem Fall wie der vor¬ liegende eine Steuer ausreichende Hilfe nicht gewähren kann, Man kann sagen, die südliche Consöderation behauptet sich ja mit sehr entwertheten Geldzeichen. Die Bürger der aufständische» Staaten leiden ohne Zweifel schon jetzt, und sie werden noch mehr leiden. Aber sie können doch bestehen, können leben. Weshalb sollte der Norden nicht dasselbe vermögen? Wir antworten: aus zwei Ursachen nicht, wenigstens nicht auf längere Zeit. Erstens, die theilweise Entwerthung des umlaufenden Geldes ist für civilisirte und vorwiegend handeltreibende Nationen ein sehr gefährliches Aus- kunftsmittel, während sie weniger civilisirten, hauptsächlich ackerbauenden Völ¬ kern vcrhältnißmüßig wenig schadet. Der Süden kann seine Baummolle, seinen Reis und seinen Zucker erzeugen, wie sichs auch immer mit dem Stande seines Papiergelds verhalten möge; aber die täglichen Verluste durch ein täg¬ lich mehr an Werth verlierendes Umlanfsmittcl müssen in Neuyork und andern Küstenplätzen allmähUg den Ruin herbeiführen. Zweitens, der Norden hat eine Flotte und eine kostspielige Armee zu erhalten, und der Süden hat keine Flotte und eine wohlfeile Armee. Die aristokratische Natur des Südens läßt viele seiner Offiziere nicht blos umsonst dienen, sondern bewegt sie sogar, ganze Compagnien von Gemeinen vollständig oder theilweise auf eigne Kosten cuisznrüsten. Der Süden braucht nicht halb so viel Geld zum Kriege als seine Gegner, und er kann dasselbe durch uneinlösbare Noten der Regierung mit weit weniger Gefahr beschaffen. Wir kommen zum Schluß dieser Betrachtung, der dahin geht, daß im Fall einer langen Fortdauer des Kriegs zwischen Süd und Nord dem letztem schwere Verlegenheiten in '.'lnssicht stehen, und daß Mr. Chase, wenn er die Summen ausgeben will, von deney er spricht, Papiergeld zu einem Betrag in die Welt werfen muß, der Jedermann erschrecken wird, der die Papiere der sundirten Schuld mit der Zeit tief Herabdrücken, die Geschäfte zwischen Ame¬ rika und Europa verwirren und stören, dem Gläubiger nehmen und dem Schuldner geben und schließlich dem gesammten Credit der Ver. Staaten dies¬ seits des Oceans ein Ende machen wird. Die erste Wirkung der Suspension der Baarzahlung also wird nicht so

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/204>, abgerufen am 28.12.2024.