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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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ducum diesen Noten nicht das erforderliche Vertrauen schenkte. Aehnlich würde
das Volk in allen Ländern verfahren, wenn politische Wirren sich ein¬
stellten und die Furcht entstünde, daß, um ungeheure Zahlungsrückstände zu
decken, eine massenhafte Ausgabe von Papiergeld beabsichtigt sei. Die Banken
verloren in den letzten beiden Wochen des verflossenen Jahres ungewöhnlich
viel von ihrem Baarvvrrnth, jeden Tag wurden ihnen größere Summen ab¬
gefordert.*) Die Erwartung, daß sie ihre Barzahlungen einstellen und bald
nur Noten ausgeben würden, steigerte das Verlangen nach Metallgeld, da
man wußte, daß dieses im Werthe nicht schwanken und bald mil Vortheil
zu verkaufen sein würde. Unter diesen Umständen hatten die Banken keine
andere Wahl, als die Erfüllung ihrer Verpflichtungen in Baarem sofort zu
suspendiren.

Die Folge hiervon wird eine Verminderung des Werthes der amerika¬
nischen Actien und Staatsschuldscheine in England sein, da die Besitzer der¬
selben, deren Papiere in Dollars zahlbar sind, für ihre Dividenden weniger
Pfunde Sterling erhalten werden, wenn diese Dividenden in Papier ausge¬
zahlt werden, an dein man verliert. Alle Papiere der fundirten Schuld der
Föderalregierung gehören in diese Kategorie, und die Wirkung der Maßregel
muß nothwendig den Werth derselben verringern. Indeß wird eine starke
Entwerthung keineswegs plötzlich stattfinden, da das amerikanische Finanzmi¬
nisterium die letzten Dividenden in Metall ausgezahlt hat und wahrscheinlich im
Stande sein wird, dasselbe auch und der nächstfälligen zu thun.

Bei sehr langer Dauer des Krieges aber wird sich die Sache allerdings-
höchst wahrscheinlich anders gestalten. Die Kosten des Kriegs, den die Union
unternommen hat, betragen mehr als sieben Mal soviel als bisher die ge¬
wöhnlichen Einnahmen einbrachten, und können vernünftigerweise nicht durch
Besteuerung allein beschafft werden. Wer Credit hat, muß sich in solchen
Fällen dessen bedienen, aber Föderationen haben in Zeiten revolutionärer Ver-
unemigungen wenig Hoffnung, auswärts Credit zu finden, und Amerika ist
ein neues Land, wo der Jnteressensuß hoch steht, wo jeder Thaler gut an¬
gelegt ist, und wo in Folge dessen das Volk seiner Regierung nicht viel leihen
kann. Das conrsirende Geld blieb somit der einzige Fond, aus ven die Ne¬
gierung in der Krisis, nachdem aller Credit erschöpft war, sich sofort eine große
Summe verschaffen konnte: der Finanzminister der Union mußte uneinlösbares
Papiergeld ausgeben, und dies ist jetzt geschehen.

Amerikanische Zeitungen riethen zu einer starken Besteuerung. Sie schlu¬
gen eine Steuer von einem Procent von allem Eigenthum vor und hielten



") In einer einzigen Woche fast sieben Millionen Dollars, sodaß jetzt der Baarvorrath
nur noch etwa 20'/z Millionen Dollars d. h. kaum die Hälfte des vor sechs Monaten vor¬
handenen beträgt.
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ducum diesen Noten nicht das erforderliche Vertrauen schenkte. Aehnlich würde
das Volk in allen Ländern verfahren, wenn politische Wirren sich ein¬
stellten und die Furcht entstünde, daß, um ungeheure Zahlungsrückstände zu
decken, eine massenhafte Ausgabe von Papiergeld beabsichtigt sei. Die Banken
verloren in den letzten beiden Wochen des verflossenen Jahres ungewöhnlich
viel von ihrem Baarvvrrnth, jeden Tag wurden ihnen größere Summen ab¬
gefordert.*) Die Erwartung, daß sie ihre Barzahlungen einstellen und bald
nur Noten ausgeben würden, steigerte das Verlangen nach Metallgeld, da
man wußte, daß dieses im Werthe nicht schwanken und bald mil Vortheil
zu verkaufen sein würde. Unter diesen Umständen hatten die Banken keine
andere Wahl, als die Erfüllung ihrer Verpflichtungen in Baarem sofort zu
suspendiren.

Die Folge hiervon wird eine Verminderung des Werthes der amerika¬
nischen Actien und Staatsschuldscheine in England sein, da die Besitzer der¬
selben, deren Papiere in Dollars zahlbar sind, für ihre Dividenden weniger
Pfunde Sterling erhalten werden, wenn diese Dividenden in Papier ausge¬
zahlt werden, an dein man verliert. Alle Papiere der fundirten Schuld der
Föderalregierung gehören in diese Kategorie, und die Wirkung der Maßregel
muß nothwendig den Werth derselben verringern. Indeß wird eine starke
Entwerthung keineswegs plötzlich stattfinden, da das amerikanische Finanzmi¬
nisterium die letzten Dividenden in Metall ausgezahlt hat und wahrscheinlich im
Stande sein wird, dasselbe auch und der nächstfälligen zu thun.

Bei sehr langer Dauer des Krieges aber wird sich die Sache allerdings-
höchst wahrscheinlich anders gestalten. Die Kosten des Kriegs, den die Union
unternommen hat, betragen mehr als sieben Mal soviel als bisher die ge¬
wöhnlichen Einnahmen einbrachten, und können vernünftigerweise nicht durch
Besteuerung allein beschafft werden. Wer Credit hat, muß sich in solchen
Fällen dessen bedienen, aber Föderationen haben in Zeiten revolutionärer Ver-
unemigungen wenig Hoffnung, auswärts Credit zu finden, und Amerika ist
ein neues Land, wo der Jnteressensuß hoch steht, wo jeder Thaler gut an¬
gelegt ist, und wo in Folge dessen das Volk seiner Regierung nicht viel leihen
kann. Das conrsirende Geld blieb somit der einzige Fond, aus ven die Ne¬
gierung in der Krisis, nachdem aller Credit erschöpft war, sich sofort eine große
Summe verschaffen konnte: der Finanzminister der Union mußte uneinlösbares
Papiergeld ausgeben, und dies ist jetzt geschehen.

Amerikanische Zeitungen riethen zu einer starken Besteuerung. Sie schlu¬
gen eine Steuer von einem Procent von allem Eigenthum vor und hielten



") In einer einzigen Woche fast sieben Millionen Dollars, sodaß jetzt der Baarvorrath
nur noch etwa 20'/z Millionen Dollars d. h. kaum die Hälfte des vor sechs Monaten vor¬
handenen beträgt.
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[0203] ducum diesen Noten nicht das erforderliche Vertrauen schenkte. Aehnlich würde das Volk in allen Ländern verfahren, wenn politische Wirren sich ein¬ stellten und die Furcht entstünde, daß, um ungeheure Zahlungsrückstände zu decken, eine massenhafte Ausgabe von Papiergeld beabsichtigt sei. Die Banken verloren in den letzten beiden Wochen des verflossenen Jahres ungewöhnlich viel von ihrem Baarvvrrnth, jeden Tag wurden ihnen größere Summen ab¬ gefordert.*) Die Erwartung, daß sie ihre Barzahlungen einstellen und bald nur Noten ausgeben würden, steigerte das Verlangen nach Metallgeld, da man wußte, daß dieses im Werthe nicht schwanken und bald mil Vortheil zu verkaufen sein würde. Unter diesen Umständen hatten die Banken keine andere Wahl, als die Erfüllung ihrer Verpflichtungen in Baarem sofort zu suspendiren. Die Folge hiervon wird eine Verminderung des Werthes der amerika¬ nischen Actien und Staatsschuldscheine in England sein, da die Besitzer der¬ selben, deren Papiere in Dollars zahlbar sind, für ihre Dividenden weniger Pfunde Sterling erhalten werden, wenn diese Dividenden in Papier ausge¬ zahlt werden, an dein man verliert. Alle Papiere der fundirten Schuld der Föderalregierung gehören in diese Kategorie, und die Wirkung der Maßregel muß nothwendig den Werth derselben verringern. Indeß wird eine starke Entwerthung keineswegs plötzlich stattfinden, da das amerikanische Finanzmi¬ nisterium die letzten Dividenden in Metall ausgezahlt hat und wahrscheinlich im Stande sein wird, dasselbe auch und der nächstfälligen zu thun. Bei sehr langer Dauer des Krieges aber wird sich die Sache allerdings- höchst wahrscheinlich anders gestalten. Die Kosten des Kriegs, den die Union unternommen hat, betragen mehr als sieben Mal soviel als bisher die ge¬ wöhnlichen Einnahmen einbrachten, und können vernünftigerweise nicht durch Besteuerung allein beschafft werden. Wer Credit hat, muß sich in solchen Fällen dessen bedienen, aber Föderationen haben in Zeiten revolutionärer Ver- unemigungen wenig Hoffnung, auswärts Credit zu finden, und Amerika ist ein neues Land, wo der Jnteressensuß hoch steht, wo jeder Thaler gut an¬ gelegt ist, und wo in Folge dessen das Volk seiner Regierung nicht viel leihen kann. Das conrsirende Geld blieb somit der einzige Fond, aus ven die Ne¬ gierung in der Krisis, nachdem aller Credit erschöpft war, sich sofort eine große Summe verschaffen konnte: der Finanzminister der Union mußte uneinlösbares Papiergeld ausgeben, und dies ist jetzt geschehen. Amerikanische Zeitungen riethen zu einer starken Besteuerung. Sie schlu¬ gen eine Steuer von einem Procent von allem Eigenthum vor und hielten ") In einer einzigen Woche fast sieben Millionen Dollars, sodaß jetzt der Baarvorrath nur noch etwa 20'/z Millionen Dollars d. h. kaum die Hälfte des vor sechs Monaten vor¬ handenen beträgt. 25*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/203>, abgerufen am 28.12.2024.