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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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daß es aber eine so gute Kanone ist. Hütte ich doch nicht gedacht. Jetzt ver-
lasse ich sie nie mehr, des Nachts schlafe ich darunter."

Ohne Garnison konnte ich vorläufig in Se-- nicht bleiben, und mit
allen meinen Genossen zu Bromberg auf den Pflaster zu leben, das war nicht
zu erschwingen; ich erbat und erhielt als feste Garnison eine Compagnie und
einen Zug Husaren. Darauf kehrten wir alle nach Se -- zurück. DieCom-
vagnie war vom 21. Regiment, die Husaren von den beliebten rothen, der
Lieutenant ein Herr v. Katzler, ein eingefleischter Soldat, einer seiner Ahnen war
Adjutant bei Ttlly gewesen, von da ab wußte er nicht, daß einer seiner Vor¬
fahren anderen als militärischen Beruf gehabt hätte, auch sein Vater stand
bei der Garde. Er war ein großer, sehr schöner Mann, dabei solid und von
den angenehmsten Formen. Eines Tages kam er sehr erfreut zu Tisch, be¬
stellte sogleich nach dem Essen den Burschen mit den Pferden, um seiner Frau
entgegen zu reiten, die ihm mit den beiden Kindern nachgekommen sei. Es
war eine sehr liebenswürdige Frau, und wir freuten uns über die angenehme
gesellige Erwerbung. Aber unsere' Freude war nur kurz. Er wurde nach
Mogilno versetzt, machte von dort eine Reise nach Schlesien und starb auf
dem Gute seines Vaters an einem heftigen Fieber. Wer die beiden Leute so
im vollen Genuß des irdischen Glücks gesehen hatte, wie wir, der ward ge¬
wiß tief ergriffen von dem raschen Wechsel des Geschickes. --

In unsern politischen Clubbs sind wir jetzt sür die gute Sache thätig;
meine Anordnungen hinsichtlich des Gemeindeausschusses haben sich gut be¬
währt, wenn es einmal wieder losginge, würden wir uns schnell sammeln.
Meine Aufgabe ist jetzt, einen festen Zusammenhang unter allen Deutschen
zwischen Thorn und Posen zu bilden. Ich zweifle nicht, daß es mir gelin¬
gen wird." "

Leider war die patriotische Wärme und Entschlossenheit des herzhaften
Mannes für seine Landschaft nicht mehr lange eine Stütze des deutschen
Elements. Ihm selbst hatte die kriegerische Aufregung des Jahres 1848,
die Verwüstung seiner Wirthschaft, vielleicht auch die Unruhe, welche in sein
Leben gekommen war, seine Privatverhältnisse in Unordnung gebracht;
Lobsprüche und Orden der Regierung vermochten ihm dagegen nicht zu helfen.
Er starb kurz darauf. -- Hier aber soll die Erinnerung an sein mann¬
haftes Thun und der deutsche Muth, den er bewährt, dem lebenden Ge¬
schlechte dankbar gerühmt werden.

Wir Deutsche haben ein wildes und blutiges Grenzerleben nahe genug.
Unsere Touristen haben nicht nöthig, darnach in Amerika zu suchen.




daß es aber eine so gute Kanone ist. Hütte ich doch nicht gedacht. Jetzt ver-
lasse ich sie nie mehr, des Nachts schlafe ich darunter."

Ohne Garnison konnte ich vorläufig in Se— nicht bleiben, und mit
allen meinen Genossen zu Bromberg auf den Pflaster zu leben, das war nicht
zu erschwingen; ich erbat und erhielt als feste Garnison eine Compagnie und
einen Zug Husaren. Darauf kehrten wir alle nach Se — zurück. DieCom-
vagnie war vom 21. Regiment, die Husaren von den beliebten rothen, der
Lieutenant ein Herr v. Katzler, ein eingefleischter Soldat, einer seiner Ahnen war
Adjutant bei Ttlly gewesen, von da ab wußte er nicht, daß einer seiner Vor¬
fahren anderen als militärischen Beruf gehabt hätte, auch sein Vater stand
bei der Garde. Er war ein großer, sehr schöner Mann, dabei solid und von
den angenehmsten Formen. Eines Tages kam er sehr erfreut zu Tisch, be¬
stellte sogleich nach dem Essen den Burschen mit den Pferden, um seiner Frau
entgegen zu reiten, die ihm mit den beiden Kindern nachgekommen sei. Es
war eine sehr liebenswürdige Frau, und wir freuten uns über die angenehme
gesellige Erwerbung. Aber unsere' Freude war nur kurz. Er wurde nach
Mogilno versetzt, machte von dort eine Reise nach Schlesien und starb auf
dem Gute seines Vaters an einem heftigen Fieber. Wer die beiden Leute so
im vollen Genuß des irdischen Glücks gesehen hatte, wie wir, der ward ge¬
wiß tief ergriffen von dem raschen Wechsel des Geschickes. —

In unsern politischen Clubbs sind wir jetzt sür die gute Sache thätig;
meine Anordnungen hinsichtlich des Gemeindeausschusses haben sich gut be¬
währt, wenn es einmal wieder losginge, würden wir uns schnell sammeln.
Meine Aufgabe ist jetzt, einen festen Zusammenhang unter allen Deutschen
zwischen Thorn und Posen zu bilden. Ich zweifle nicht, daß es mir gelin¬
gen wird." »

Leider war die patriotische Wärme und Entschlossenheit des herzhaften
Mannes für seine Landschaft nicht mehr lange eine Stütze des deutschen
Elements. Ihm selbst hatte die kriegerische Aufregung des Jahres 1848,
die Verwüstung seiner Wirthschaft, vielleicht auch die Unruhe, welche in sein
Leben gekommen war, seine Privatverhältnisse in Unordnung gebracht;
Lobsprüche und Orden der Regierung vermochten ihm dagegen nicht zu helfen.
Er starb kurz darauf. — Hier aber soll die Erinnerung an sein mann¬
haftes Thun und der deutsche Muth, den er bewährt, dem lebenden Ge¬
schlechte dankbar gerühmt werden.

Wir Deutsche haben ein wildes und blutiges Grenzerleben nahe genug.
Unsere Touristen haben nicht nöthig, darnach in Amerika zu suchen.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/184>, abgerufen am 23.07.2024.