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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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zu dem auch Lachmann auf der Stelle zurückgekehrt war, nachdem er die
70 herangebracht hatte. In Mogilnv standen zwei Compagnien des 2t. Re¬
giments. Hauptmann Fröhlich und Jagowsky, auch eine halbe Schwadron
Blüchcrscher Husaren, roth mit weiß, die Kinderfresser genannt, der Schrecken
der Polen. Das Militär brach auf und mit den Soldaten der Landrath
Jlling. welcher damals, die Flinte auf dem Rücken, alle Züge mitmachte.
Seine Frau hatte er nach Bromberg geschickt, er selbst trug seine fahrende
Habe in der Jagdtasche und seine Kanzlei in der rechten Rocktasche, in der
linken das Taschentuch. Als sie.sich ungefähr um 12 Uhr der Stadt näherten,
hörten sie schießen, es heißt, die Spitze ist im Gefecht. Herr v. Blankensee
mit den Husaren vor -- meine jungen Leute hatten sich ihm angeschlossen --
es geht zuerst im Trabe, dann im Galopp und in hausender Carriöre, daß
die Funken sprühen, bis aufs Amt. Was nicht niedergeritten wurde, mußte
sich zerhauen lassen, ich habe davon furchtbare Kopf- und Nackenwunden
gesehen. Nichts geht über eine gute Rciterattaque. Die schmetternden Sig¬
nale, das Schnauben der Rosse und die klirrenden Waffen! mir pocht noch
jetzt das Herz. Hätte ich den Angriff mit machen können! Die Infanterie
folgte auf dem Fuße, die Insurgenten flohen nach allen Richtungen.

Unsere Husaren gönnten sich nur kurze Rast; Kleist fülirte sie über den Hof, der
Lieutenant Blankensee besetzte die Ausgünge der Stadt. Noch viele Feinde
überritten und niedergemacht; was zurückgeblieben war, hatte sich in das
Kloster gezogen. An das Kloster wurden Leitern gelegt, die deutschen Bürger
halfen. Der Erste, der über die Mauer kam. war ein Sattlermeister G.
Ihm folgten die Füsiliere. Die Glockenstränge wurden abgehauen und in
Stücke geschnitten, und damit die Insurgenten, etwa 300 an der Zahl, tüchtig
durchgeprügelt. Was Widerstand leisten oder entfliehen wollte, wurde nieder¬
gemacht. In der Kirche fand man den Pfaffen und einen Doctor, die Häup¬
ter der Verschwörung. Nur mit Mühe retteten die-Offiziere ihnen das Leben.

Die feigen Edelleute hatten die Insurgenten schlecht geführt, sonst
wäre ein solches Resultat unmöglich gewesen. Die Bande hatte in der Stadt
geplündert und zwei unglückliche Deutsche, den armen Hempel, der seine Fran
im Wochenbette nicht verlassen wollte, und einen gewissen Neumann aus
schändliche Weise gemordet, mit. der Sense zerhackt, bei den Beinen ausge¬
hängt, ihnen die Teftckcl abgeschnitten und in den Mund gesteckt. Es ist
nicht zu glauben. Mir hatten sie einen Kutschwagen, eine Doppelflinte und
ein ausgezeichnetes Reitpferd genommen, einen von meinen fliehenden jungen
Leuten hatten sie erjagt, gebunden und gemißhandelt. Es waren zuletzt wohl
an 4000 Insurgenten gewesen, vom Militär 80 Husaren und zusammen
500 Mann Füsiliere. Leider hatte unser Militär noch nicht die neuen Ge¬
wehre, indeß sind doch einzelne Fälle vorgekommen, wo Insurgenten noch


zu dem auch Lachmann auf der Stelle zurückgekehrt war, nachdem er die
70 herangebracht hatte. In Mogilnv standen zwei Compagnien des 2t. Re¬
giments. Hauptmann Fröhlich und Jagowsky, auch eine halbe Schwadron
Blüchcrscher Husaren, roth mit weiß, die Kinderfresser genannt, der Schrecken
der Polen. Das Militär brach auf und mit den Soldaten der Landrath
Jlling. welcher damals, die Flinte auf dem Rücken, alle Züge mitmachte.
Seine Frau hatte er nach Bromberg geschickt, er selbst trug seine fahrende
Habe in der Jagdtasche und seine Kanzlei in der rechten Rocktasche, in der
linken das Taschentuch. Als sie.sich ungefähr um 12 Uhr der Stadt näherten,
hörten sie schießen, es heißt, die Spitze ist im Gefecht. Herr v. Blankensee
mit den Husaren vor — meine jungen Leute hatten sich ihm angeschlossen —
es geht zuerst im Trabe, dann im Galopp und in hausender Carriöre, daß
die Funken sprühen, bis aufs Amt. Was nicht niedergeritten wurde, mußte
sich zerhauen lassen, ich habe davon furchtbare Kopf- und Nackenwunden
gesehen. Nichts geht über eine gute Rciterattaque. Die schmetternden Sig¬
nale, das Schnauben der Rosse und die klirrenden Waffen! mir pocht noch
jetzt das Herz. Hätte ich den Angriff mit machen können! Die Infanterie
folgte auf dem Fuße, die Insurgenten flohen nach allen Richtungen.

Unsere Husaren gönnten sich nur kurze Rast; Kleist fülirte sie über den Hof, der
Lieutenant Blankensee besetzte die Ausgünge der Stadt. Noch viele Feinde
überritten und niedergemacht; was zurückgeblieben war, hatte sich in das
Kloster gezogen. An das Kloster wurden Leitern gelegt, die deutschen Bürger
halfen. Der Erste, der über die Mauer kam. war ein Sattlermeister G.
Ihm folgten die Füsiliere. Die Glockenstränge wurden abgehauen und in
Stücke geschnitten, und damit die Insurgenten, etwa 300 an der Zahl, tüchtig
durchgeprügelt. Was Widerstand leisten oder entfliehen wollte, wurde nieder¬
gemacht. In der Kirche fand man den Pfaffen und einen Doctor, die Häup¬
ter der Verschwörung. Nur mit Mühe retteten die-Offiziere ihnen das Leben.

Die feigen Edelleute hatten die Insurgenten schlecht geführt, sonst
wäre ein solches Resultat unmöglich gewesen. Die Bande hatte in der Stadt
geplündert und zwei unglückliche Deutsche, den armen Hempel, der seine Fran
im Wochenbette nicht verlassen wollte, und einen gewissen Neumann aus
schändliche Weise gemordet, mit. der Sense zerhackt, bei den Beinen ausge¬
hängt, ihnen die Teftckcl abgeschnitten und in den Mund gesteckt. Es ist
nicht zu glauben. Mir hatten sie einen Kutschwagen, eine Doppelflinte und
ein ausgezeichnetes Reitpferd genommen, einen von meinen fliehenden jungen
Leuten hatten sie erjagt, gebunden und gemißhandelt. Es waren zuletzt wohl
an 4000 Insurgenten gewesen, vom Militär 80 Husaren und zusammen
500 Mann Füsiliere. Leider hatte unser Militär noch nicht die neuen Ge¬
wehre, indeß sind doch einzelne Fälle vorgekommen, wo Insurgenten noch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/180>, abgerufen am 23.07.2024.