Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

guten Theil des schlagbaren Holzes. Einige zur Ableitung der fast in jedem
Herbste und Frühjahr wiederkehrenden Überschwemmungen angelegte Kanäle,
großartige Dammbauten und dergl. verschlangen zwar enorme Summen,
steuerten aber dem Uebel kaum in fühlbarer Weise, während der erübrigte
Gewinn zuletzt noch durch Defraudationen geschmälert zu werden pflegte.

Endlich aber fehlte man von allem Anfang on dadurch, daß man die
Marine zu keiner östreichischen, sondern zu einer specifisch italienischen, im
engeren Sinne zu einer venetianischen heranbildete. Die Übeln Folgen dieses
fehlerhaften Verfahrens konnten nicht ausbleiben. Denn nicht nur sank die
östreichische Flotte nach und nach zu einem Wesen ohne Geist und Kraft
herab, sondern sie gab zuerst das Beispiel des Abfalles und Verrathes.

Einige Acte der Thätigkeit, z. B. 1828 der Zug gegen Marokko, einige
Kämpfe mit den griechischen Seeräubern und die Expedition gegen Saidak
(1840). sowie die Ernennung des hoffnungsvollen Erzherzogs Friedrich zum
Chef des Marinewesens, konnten den Verfall und die drohende Gefahr nickt
beseitigen, ja nickt einmal aufhalten; es waren aber nur momentane Licht¬
blicke in einer finstern Nacht.

Bei der Marine faßten die Lehren der italienischen Propaganda die ersten
Wurzeln. Einzelne Desertionen und Subordinationsverletzungen möchten gleich-
giltig betrachtet werden; aber das bekannte, von mehr als zwanzig jungen
Offizieren und Kadetten angezettelte und ausgeführte Complott sprach nur zu
deutlich für den antiöstreichischcn Geist, welcher schon damals in der öst¬
reichischen Marine herrschte. Die Hinrichtung der Betreffenden, unter denen
sich zwei Söhne des alten Admirals Bcmdiera befanden, trug natürlich auch
nicht zur Beruhigung der Gemüther bei. Kurz vor dem Ausbruche der ita¬
lienischen Erhebung wurde auch der Erzherzog Friedrich eine Beute des Todes
und zwar auf eine noch immer nicht völlig enthüllte Weise.

Die Nachricht von den Vorgängen in Wien war das Signal zur Er¬
hebung. Zuerst brachen die Arbeiter im Marine-Arsenal los. und der unbe¬
liebte Oberst Mnrinovich siel, auf entsetzliche Weise ermordet, als das erste
Opfer ihrer Wuth.*)

Wenige Stunden später war der entschiedene Abfall aller in Venedig
befindlichen Marinetruppen, sowie der Verlust des Arsenals und der gerade
vor Anker liegenden Kriegsschiffe zur Thatsache geworden. Wohl mochte nur
der Verlust der Vorräthe ins Gewicht fallen, indem es gelang, die an andern



-) Dieser Mord, obschon mehr ein Act persönlicher Rache, hatte wichtige Politische Fol¬
gen. Wäre Marinovich ein Deutscher gewesen, so hätte sein Tod wahrscheinlich keinen Rächer
gefunden. Aber er war ein Dalmatiner. Und fest hielten seine Landsleute an der Regierung,
weil diese Krieg mit Jenen führte, welche "ihren Bruder" gemordet hatten.
Grenzboten I. 1862. - 2

guten Theil des schlagbaren Holzes. Einige zur Ableitung der fast in jedem
Herbste und Frühjahr wiederkehrenden Überschwemmungen angelegte Kanäle,
großartige Dammbauten und dergl. verschlangen zwar enorme Summen,
steuerten aber dem Uebel kaum in fühlbarer Weise, während der erübrigte
Gewinn zuletzt noch durch Defraudationen geschmälert zu werden pflegte.

Endlich aber fehlte man von allem Anfang on dadurch, daß man die
Marine zu keiner östreichischen, sondern zu einer specifisch italienischen, im
engeren Sinne zu einer venetianischen heranbildete. Die Übeln Folgen dieses
fehlerhaften Verfahrens konnten nicht ausbleiben. Denn nicht nur sank die
östreichische Flotte nach und nach zu einem Wesen ohne Geist und Kraft
herab, sondern sie gab zuerst das Beispiel des Abfalles und Verrathes.

Einige Acte der Thätigkeit, z. B. 1828 der Zug gegen Marokko, einige
Kämpfe mit den griechischen Seeräubern und die Expedition gegen Saidak
(1840). sowie die Ernennung des hoffnungsvollen Erzherzogs Friedrich zum
Chef des Marinewesens, konnten den Verfall und die drohende Gefahr nickt
beseitigen, ja nickt einmal aufhalten; es waren aber nur momentane Licht¬
blicke in einer finstern Nacht.

Bei der Marine faßten die Lehren der italienischen Propaganda die ersten
Wurzeln. Einzelne Desertionen und Subordinationsverletzungen möchten gleich-
giltig betrachtet werden; aber das bekannte, von mehr als zwanzig jungen
Offizieren und Kadetten angezettelte und ausgeführte Complott sprach nur zu
deutlich für den antiöstreichischcn Geist, welcher schon damals in der öst¬
reichischen Marine herrschte. Die Hinrichtung der Betreffenden, unter denen
sich zwei Söhne des alten Admirals Bcmdiera befanden, trug natürlich auch
nicht zur Beruhigung der Gemüther bei. Kurz vor dem Ausbruche der ita¬
lienischen Erhebung wurde auch der Erzherzog Friedrich eine Beute des Todes
und zwar auf eine noch immer nicht völlig enthüllte Weise.

Die Nachricht von den Vorgängen in Wien war das Signal zur Er¬
hebung. Zuerst brachen die Arbeiter im Marine-Arsenal los. und der unbe¬
liebte Oberst Mnrinovich siel, auf entsetzliche Weise ermordet, als das erste
Opfer ihrer Wuth.*)

Wenige Stunden später war der entschiedene Abfall aller in Venedig
befindlichen Marinetruppen, sowie der Verlust des Arsenals und der gerade
vor Anker liegenden Kriegsschiffe zur Thatsache geworden. Wohl mochte nur
der Verlust der Vorräthe ins Gewicht fallen, indem es gelang, die an andern



-) Dieser Mord, obschon mehr ein Act persönlicher Rache, hatte wichtige Politische Fol¬
gen. Wäre Marinovich ein Deutscher gewesen, so hätte sein Tod wahrscheinlich keinen Rächer
gefunden. Aber er war ein Dalmatiner. Und fest hielten seine Landsleute an der Regierung,
weil diese Krieg mit Jenen führte, welche „ihren Bruder" gemordet hatten.
Grenzboten I. 1862. - 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0017" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/113259"/>
          <p xml:id="ID_32" prev="#ID_31"> guten Theil des schlagbaren Holzes. Einige zur Ableitung der fast in jedem<lb/>
Herbste und Frühjahr wiederkehrenden Überschwemmungen angelegte Kanäle,<lb/>
großartige Dammbauten und dergl. verschlangen zwar enorme Summen,<lb/>
steuerten aber dem Uebel kaum in fühlbarer Weise, während der erübrigte<lb/>
Gewinn zuletzt noch durch Defraudationen geschmälert zu werden pflegte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_33"> Endlich aber fehlte man von allem Anfang on dadurch, daß man die<lb/>
Marine zu keiner östreichischen, sondern zu einer specifisch italienischen, im<lb/>
engeren Sinne zu einer venetianischen heranbildete. Die Übeln Folgen dieses<lb/>
fehlerhaften Verfahrens konnten nicht ausbleiben. Denn nicht nur sank die<lb/>
östreichische Flotte nach und nach zu einem Wesen ohne Geist und Kraft<lb/>
herab, sondern sie gab zuerst das Beispiel des Abfalles und Verrathes.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_34"> Einige Acte der Thätigkeit, z. B. 1828 der Zug gegen Marokko, einige<lb/>
Kämpfe mit den griechischen Seeräubern und die Expedition gegen Saidak<lb/>
(1840). sowie die Ernennung des hoffnungsvollen Erzherzogs Friedrich zum<lb/>
Chef des Marinewesens, konnten den Verfall und die drohende Gefahr nickt<lb/>
beseitigen, ja nickt einmal aufhalten; es waren aber nur momentane Licht¬<lb/>
blicke in einer finstern Nacht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_35"> Bei der Marine faßten die Lehren der italienischen Propaganda die ersten<lb/>
Wurzeln. Einzelne Desertionen und Subordinationsverletzungen möchten gleich-<lb/>
giltig betrachtet werden; aber das bekannte, von mehr als zwanzig jungen<lb/>
Offizieren und Kadetten angezettelte und ausgeführte Complott sprach nur zu<lb/>
deutlich für den antiöstreichischcn Geist, welcher schon damals in der öst¬<lb/>
reichischen Marine herrschte. Die Hinrichtung der Betreffenden, unter denen<lb/>
sich zwei Söhne des alten Admirals Bcmdiera befanden, trug natürlich auch<lb/>
nicht zur Beruhigung der Gemüther bei. Kurz vor dem Ausbruche der ita¬<lb/>
lienischen Erhebung wurde auch der Erzherzog Friedrich eine Beute des Todes<lb/>
und zwar auf eine noch immer nicht völlig enthüllte Weise.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_36"> Die Nachricht von den Vorgängen in Wien war das Signal zur Er¬<lb/>
hebung. Zuerst brachen die Arbeiter im Marine-Arsenal los. und der unbe¬<lb/>
liebte Oberst Mnrinovich siel, auf entsetzliche Weise ermordet, als das erste<lb/>
Opfer ihrer Wuth.*)</p><lb/>
          <p xml:id="ID_37" next="#ID_38"> Wenige Stunden später war der entschiedene Abfall aller in Venedig<lb/>
befindlichen Marinetruppen, sowie der Verlust des Arsenals und der gerade<lb/>
vor Anker liegenden Kriegsschiffe zur Thatsache geworden. Wohl mochte nur<lb/>
der Verlust der Vorräthe ins Gewicht fallen, indem es gelang, die an andern</p><lb/>
          <note xml:id="FID_3" place="foot"> -) Dieser Mord, obschon mehr ein Act persönlicher Rache, hatte wichtige Politische Fol¬<lb/>
gen. Wäre Marinovich ein Deutscher gewesen, so hätte sein Tod wahrscheinlich keinen Rächer<lb/>
gefunden. Aber er war ein Dalmatiner. Und fest hielten seine Landsleute an der Regierung,<lb/>
weil diese Krieg mit Jenen führte, welche &#x201E;ihren Bruder" gemordet hatten.</note><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I. 1862. - 2</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0017] guten Theil des schlagbaren Holzes. Einige zur Ableitung der fast in jedem Herbste und Frühjahr wiederkehrenden Überschwemmungen angelegte Kanäle, großartige Dammbauten und dergl. verschlangen zwar enorme Summen, steuerten aber dem Uebel kaum in fühlbarer Weise, während der erübrigte Gewinn zuletzt noch durch Defraudationen geschmälert zu werden pflegte. Endlich aber fehlte man von allem Anfang on dadurch, daß man die Marine zu keiner östreichischen, sondern zu einer specifisch italienischen, im engeren Sinne zu einer venetianischen heranbildete. Die Übeln Folgen dieses fehlerhaften Verfahrens konnten nicht ausbleiben. Denn nicht nur sank die östreichische Flotte nach und nach zu einem Wesen ohne Geist und Kraft herab, sondern sie gab zuerst das Beispiel des Abfalles und Verrathes. Einige Acte der Thätigkeit, z. B. 1828 der Zug gegen Marokko, einige Kämpfe mit den griechischen Seeräubern und die Expedition gegen Saidak (1840). sowie die Ernennung des hoffnungsvollen Erzherzogs Friedrich zum Chef des Marinewesens, konnten den Verfall und die drohende Gefahr nickt beseitigen, ja nickt einmal aufhalten; es waren aber nur momentane Licht¬ blicke in einer finstern Nacht. Bei der Marine faßten die Lehren der italienischen Propaganda die ersten Wurzeln. Einzelne Desertionen und Subordinationsverletzungen möchten gleich- giltig betrachtet werden; aber das bekannte, von mehr als zwanzig jungen Offizieren und Kadetten angezettelte und ausgeführte Complott sprach nur zu deutlich für den antiöstreichischcn Geist, welcher schon damals in der öst¬ reichischen Marine herrschte. Die Hinrichtung der Betreffenden, unter denen sich zwei Söhne des alten Admirals Bcmdiera befanden, trug natürlich auch nicht zur Beruhigung der Gemüther bei. Kurz vor dem Ausbruche der ita¬ lienischen Erhebung wurde auch der Erzherzog Friedrich eine Beute des Todes und zwar auf eine noch immer nicht völlig enthüllte Weise. Die Nachricht von den Vorgängen in Wien war das Signal zur Er¬ hebung. Zuerst brachen die Arbeiter im Marine-Arsenal los. und der unbe¬ liebte Oberst Mnrinovich siel, auf entsetzliche Weise ermordet, als das erste Opfer ihrer Wuth.*) Wenige Stunden später war der entschiedene Abfall aller in Venedig befindlichen Marinetruppen, sowie der Verlust des Arsenals und der gerade vor Anker liegenden Kriegsschiffe zur Thatsache geworden. Wohl mochte nur der Verlust der Vorräthe ins Gewicht fallen, indem es gelang, die an andern -) Dieser Mord, obschon mehr ein Act persönlicher Rache, hatte wichtige Politische Fol¬ gen. Wäre Marinovich ein Deutscher gewesen, so hätte sein Tod wahrscheinlich keinen Rächer gefunden. Aber er war ein Dalmatiner. Und fest hielten seine Landsleute an der Regierung, weil diese Krieg mit Jenen führte, welche „ihren Bruder" gemordet hatten. Grenzboten I. 1862. - 2

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/17
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/17>, abgerufen am 28.12.2024.