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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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Noch größer waren die bei der Marine selbst gemachten Fehler und Rück¬
schritte.

Von der französisch-italienischen Regierung hatte Oestreich eine nicht
unbedeutende Anzahl Kriegsfahrzeuge, darunter sogar mehre Linienschiffe,
rcichgefüllte Arsenale und Schiffsbaumagazine übernommen. Aber der In¬
halt der letzteren verschwand, ohne daß ein sichtbarer Aufschwung der öst¬
reichischen Marine erzielt wurde, und die größeren Schiffe wurden eben nur
nothdürftig reparirt, so lange es gehn mochte, bei ihrer endlich eintretenden
gänzlichen Secuntüchtigkeit aber keineswegs durch Fahrzeuge von gleichem,
oder wenigstens annähernden Range ersetzt, so daß schon lange vor 1843
kein östreichisches Linienschiff mehr existirte.

Dafür aber hatte man mehrere'Dutzend Perlchen (Penitschen) angeschafft.
Dieselben, fast ausschließlich nur in der östreichischen Marine üblich, waren
kleine Briggs mit geraden Masten, von welchen der vordere bloß ein Spreit-
segcl führte, und gewöhnlich mit einem Achtzehn- oder Zwölfpfünder, zwei
Acht- oder Sechspfündern, zwei leichten Karonaden und einer oder zwei Dreh-
bassen armirt. Sie konnten zu nichts Anderem, als etwa zur Dienstleistung
bei der Douane verwendet werde" und waren auch wahrscheinlich nur zu
diesem Zwecke erbaut worden.

Auch mißachtete oder vergeudete man die im Besitze des Staates befind¬
lichen zahlreichen Hilfsquellen, welche zur Schaffung einer imposanten Marine
hätten dienen können. So wurde die eigene Handelsmarine nur wenig unter¬
stützt, die für die Kriegsmarine nöthigen Gegenstände kaufte man im Aus¬
lande oder ließ sie schlecht und um den doppelten Preis in eigener Regie' er¬
zeugen, statt die Einlieferung derselben inländischen Industriellen zu über¬
lassen. Besonders aber waren es die herrlichen Schiffsbauholzwaldungcn.
mit welchen man wahrhaft leichtsinnig umging. Die Wälder in Steiermark,
Kärnthen und Krain wurden fast nur zu Nutz und Frommen des Auslandes
ausgeholzt, und bis in die neueste Zeit bezog sogar England große Lieferun¬
gen von Schiffsbauholz aus Oestreich. Noch ärger aber stand es mit den
Montanwaldungen in Jstrien. Die Franzosen hatten hier allerdings in der
Zeit, während welcher Jllyrien in ihrem Besitze war, beträchtlichen Schaden
verübt; aber der Reichthum war zu groß, um ganz ausgebeutet zu werden.
Englische Seeoffiziere hatten den unschätzbaren Werth dieser Wälder kennen
gelernt, und fortan war es das eifrigste Bestreben sowohl der britischen Re¬
gierung als auch einzelner englischer Privatunternehmer, dielen Schatz durch
Kauf oder Pacht in die Hände zu bekommen. Doch vergebens, und selbst
das bereits geschlagene Holz wurde nur selten und in kleinen Partien zur
Ausfuhr zugelassen. Aber auch die östreichische Marine zog hieraus nicht
den mögliche" Gewinn. Wasser und Stürme verwüsteten alle Jahre einen


Noch größer waren die bei der Marine selbst gemachten Fehler und Rück¬
schritte.

Von der französisch-italienischen Regierung hatte Oestreich eine nicht
unbedeutende Anzahl Kriegsfahrzeuge, darunter sogar mehre Linienschiffe,
rcichgefüllte Arsenale und Schiffsbaumagazine übernommen. Aber der In¬
halt der letzteren verschwand, ohne daß ein sichtbarer Aufschwung der öst¬
reichischen Marine erzielt wurde, und die größeren Schiffe wurden eben nur
nothdürftig reparirt, so lange es gehn mochte, bei ihrer endlich eintretenden
gänzlichen Secuntüchtigkeit aber keineswegs durch Fahrzeuge von gleichem,
oder wenigstens annähernden Range ersetzt, so daß schon lange vor 1843
kein östreichisches Linienschiff mehr existirte.

Dafür aber hatte man mehrere'Dutzend Perlchen (Penitschen) angeschafft.
Dieselben, fast ausschließlich nur in der östreichischen Marine üblich, waren
kleine Briggs mit geraden Masten, von welchen der vordere bloß ein Spreit-
segcl führte, und gewöhnlich mit einem Achtzehn- oder Zwölfpfünder, zwei
Acht- oder Sechspfündern, zwei leichten Karonaden und einer oder zwei Dreh-
bassen armirt. Sie konnten zu nichts Anderem, als etwa zur Dienstleistung
bei der Douane verwendet werde» und waren auch wahrscheinlich nur zu
diesem Zwecke erbaut worden.

Auch mißachtete oder vergeudete man die im Besitze des Staates befind¬
lichen zahlreichen Hilfsquellen, welche zur Schaffung einer imposanten Marine
hätten dienen können. So wurde die eigene Handelsmarine nur wenig unter¬
stützt, die für die Kriegsmarine nöthigen Gegenstände kaufte man im Aus¬
lande oder ließ sie schlecht und um den doppelten Preis in eigener Regie' er¬
zeugen, statt die Einlieferung derselben inländischen Industriellen zu über¬
lassen. Besonders aber waren es die herrlichen Schiffsbauholzwaldungcn.
mit welchen man wahrhaft leichtsinnig umging. Die Wälder in Steiermark,
Kärnthen und Krain wurden fast nur zu Nutz und Frommen des Auslandes
ausgeholzt, und bis in die neueste Zeit bezog sogar England große Lieferun¬
gen von Schiffsbauholz aus Oestreich. Noch ärger aber stand es mit den
Montanwaldungen in Jstrien. Die Franzosen hatten hier allerdings in der
Zeit, während welcher Jllyrien in ihrem Besitze war, beträchtlichen Schaden
verübt; aber der Reichthum war zu groß, um ganz ausgebeutet zu werden.
Englische Seeoffiziere hatten den unschätzbaren Werth dieser Wälder kennen
gelernt, und fortan war es das eifrigste Bestreben sowohl der britischen Re¬
gierung als auch einzelner englischer Privatunternehmer, dielen Schatz durch
Kauf oder Pacht in die Hände zu bekommen. Doch vergebens, und selbst
das bereits geschlagene Holz wurde nur selten und in kleinen Partien zur
Ausfuhr zugelassen. Aber auch die östreichische Marine zog hieraus nicht
den mögliche» Gewinn. Wasser und Stürme verwüsteten alle Jahre einen


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[0016] Noch größer waren die bei der Marine selbst gemachten Fehler und Rück¬ schritte. Von der französisch-italienischen Regierung hatte Oestreich eine nicht unbedeutende Anzahl Kriegsfahrzeuge, darunter sogar mehre Linienschiffe, rcichgefüllte Arsenale und Schiffsbaumagazine übernommen. Aber der In¬ halt der letzteren verschwand, ohne daß ein sichtbarer Aufschwung der öst¬ reichischen Marine erzielt wurde, und die größeren Schiffe wurden eben nur nothdürftig reparirt, so lange es gehn mochte, bei ihrer endlich eintretenden gänzlichen Secuntüchtigkeit aber keineswegs durch Fahrzeuge von gleichem, oder wenigstens annähernden Range ersetzt, so daß schon lange vor 1843 kein östreichisches Linienschiff mehr existirte. Dafür aber hatte man mehrere'Dutzend Perlchen (Penitschen) angeschafft. Dieselben, fast ausschließlich nur in der östreichischen Marine üblich, waren kleine Briggs mit geraden Masten, von welchen der vordere bloß ein Spreit- segcl führte, und gewöhnlich mit einem Achtzehn- oder Zwölfpfünder, zwei Acht- oder Sechspfündern, zwei leichten Karonaden und einer oder zwei Dreh- bassen armirt. Sie konnten zu nichts Anderem, als etwa zur Dienstleistung bei der Douane verwendet werde» und waren auch wahrscheinlich nur zu diesem Zwecke erbaut worden. Auch mißachtete oder vergeudete man die im Besitze des Staates befind¬ lichen zahlreichen Hilfsquellen, welche zur Schaffung einer imposanten Marine hätten dienen können. So wurde die eigene Handelsmarine nur wenig unter¬ stützt, die für die Kriegsmarine nöthigen Gegenstände kaufte man im Aus¬ lande oder ließ sie schlecht und um den doppelten Preis in eigener Regie' er¬ zeugen, statt die Einlieferung derselben inländischen Industriellen zu über¬ lassen. Besonders aber waren es die herrlichen Schiffsbauholzwaldungcn. mit welchen man wahrhaft leichtsinnig umging. Die Wälder in Steiermark, Kärnthen und Krain wurden fast nur zu Nutz und Frommen des Auslandes ausgeholzt, und bis in die neueste Zeit bezog sogar England große Lieferun¬ gen von Schiffsbauholz aus Oestreich. Noch ärger aber stand es mit den Montanwaldungen in Jstrien. Die Franzosen hatten hier allerdings in der Zeit, während welcher Jllyrien in ihrem Besitze war, beträchtlichen Schaden verübt; aber der Reichthum war zu groß, um ganz ausgebeutet zu werden. Englische Seeoffiziere hatten den unschätzbaren Werth dieser Wälder kennen gelernt, und fortan war es das eifrigste Bestreben sowohl der britischen Re¬ gierung als auch einzelner englischer Privatunternehmer, dielen Schatz durch Kauf oder Pacht in die Hände zu bekommen. Doch vergebens, und selbst das bereits geschlagene Holz wurde nur selten und in kleinen Partien zur Ausfuhr zugelassen. Aber auch die östreichische Marine zog hieraus nicht den mögliche» Gewinn. Wasser und Stürme verwüsteten alle Jahre einen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/16>, abgerufen am 23.07.2024.