Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.die ärmsten aller Fürsten zu sein; sie haben auch noch niemals für ihre Nie auch, bis in die neue Zeit, haben die Hohenzollern einen Antheil die ärmsten aller Fürsten zu sein; sie haben auch noch niemals für ihre Nie auch, bis in die neue Zeit, haben die Hohenzollern einen Antheil <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0012" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/113254"/> <p xml:id="ID_13" prev="#ID_12"> die ärmsten aller Fürsten zu sein; sie haben auch noch niemals für ihre<lb/> Familie und ihre Verwandtschaft, gearbeitet, geduldet und gewagt, sondern<lb/> Alles für ihren Staat; die Apanagen ihrer Prinzen sind knapp, die Ausstat¬<lb/> tungen ihrer Töchter galten in früherer Zeit sogar für dürftig, sie sind jetzt<lb/> nur grade so, wie es für Königstöchter schicklich ist. Sie haben bis auf die<lb/> neue Zeit auch keinen Unterschied gemacht zwischen der Ergebenheit für ihren<lb/> Staat und der Ergebenheit für sie selbst. Erst Friedrich Wilhelm der Vierte<lb/> erfand in Preußen den Unterschied, als sein Selbstgefühl gebrochen war. und<lb/> das war kurz bevor sein Geist sich verdüsterte. Denn es ist die erste Tugend<lb/> und der alte Grundzug ihres Hauses gewesen, daß sie sich sämmtlich als Ar¬<lb/> beiter im Staate betrachtet, Vortheil. Ruhm und Ehre des Staates für höher<lb/> als ihren eigenen gehalten haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_14" next="#ID_15"> Nie auch, bis in die neue Zeit, haben die Hohenzollern einen Antheil<lb/> von der Mystik der Krone von Gottes Gnaden gehabt, es war in der<lb/> ganzen Periode des 13. Jahrhunderts, in welcher ihr Geschlecht groß wurde,<lb/> ihr Stolz und Vorzug, daß sie nicht wie andere europäische Dynastien<lb/> gekrönt wurden, sondern ohne Krönung und Salböl als Männer und Krie¬<lb/> ger an die Spitze der Geschäfte traten. Schon im Tabcikscollegium Fried¬<lb/> rich Wilhelm des Ersten wußte man sich damit zu rühmen. Erst unter Fried¬<lb/> rich Wilhelm dem Vierten begann der alte legitimistische Wahn in ihrem<lb/> Hause zu spuken, und auch das geschah erst kurze Zeit bevor der unglück¬<lb/> liche Fürst die Herrschaft über sich selbst verlor. Denn die Hohenzollern<lb/> sind die Nachkommen der Königin Sophie Charlotte, welche vor 161 Jahren<lb/> in dem Moment, als der Gemahl ihr die Königskrone aufsetzte, in die Tasche<lb/> griff und zum Schrecken des Hofes eine Prise Tabak nahm. Die Prise zwar<lb/> war unschicklich, aber der große und freie Sinn, der anstatt sich, schwärme¬<lb/> risch zu versenken, mit nüchterner Kraft das reale Leben erfaßt, ist ein ste¬<lb/> hender Zug in ihrem Fürstenhause geblieben. Die Krone ist den Hohenzollern<lb/> durch 140 Jahre ein Stück hübsche Goldschmiedsarbeit, weiter nichts, gewesen;<lb/> dieser Auffassung hat Gott sichtbarlich seine Gnade ertheilt, denn sie sind in<lb/> dieser Zeit große Könige geworden. Sie haben durch 140 Jahre zu ihrem und<lb/> des Volkes Heil die verständige Ueberzeugung gehegt, daß Gott den Königen<lb/> keine besondere und höhere Gnade ertheile, als jedem andern Sterblichen. Sie<lb/> haben, seit die Seelen der Deutschen aufgeklärt und ihre Herzen durch reinere<lb/> Auffassung der Pflicht gehoben wurden, sehr gut das begriffen, worauf unsere ge-<lb/> sammte Sittlichkeit und Tugend ruht, daß nämlich Gott überhaupt nicht durch<lb/> einzelne Acte der Heiligung und Erleuchtung das Leben des Menschen weihe und<lb/> aus irgend einer Bedingung irdischer Verantwortlichkeit heraushebe, sondern daß<lb/> Gott jedem Augenblick des Lebens, und dem Bettler ebenso wie dem König gleiche<lb/> Gnade ertheile, und daß wir Alle, der Bettler wie der König, in jedem An-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0012]
die ärmsten aller Fürsten zu sein; sie haben auch noch niemals für ihre
Familie und ihre Verwandtschaft, gearbeitet, geduldet und gewagt, sondern
Alles für ihren Staat; die Apanagen ihrer Prinzen sind knapp, die Ausstat¬
tungen ihrer Töchter galten in früherer Zeit sogar für dürftig, sie sind jetzt
nur grade so, wie es für Königstöchter schicklich ist. Sie haben bis auf die
neue Zeit auch keinen Unterschied gemacht zwischen der Ergebenheit für ihren
Staat und der Ergebenheit für sie selbst. Erst Friedrich Wilhelm der Vierte
erfand in Preußen den Unterschied, als sein Selbstgefühl gebrochen war. und
das war kurz bevor sein Geist sich verdüsterte. Denn es ist die erste Tugend
und der alte Grundzug ihres Hauses gewesen, daß sie sich sämmtlich als Ar¬
beiter im Staate betrachtet, Vortheil. Ruhm und Ehre des Staates für höher
als ihren eigenen gehalten haben.
Nie auch, bis in die neue Zeit, haben die Hohenzollern einen Antheil
von der Mystik der Krone von Gottes Gnaden gehabt, es war in der
ganzen Periode des 13. Jahrhunderts, in welcher ihr Geschlecht groß wurde,
ihr Stolz und Vorzug, daß sie nicht wie andere europäische Dynastien
gekrönt wurden, sondern ohne Krönung und Salböl als Männer und Krie¬
ger an die Spitze der Geschäfte traten. Schon im Tabcikscollegium Fried¬
rich Wilhelm des Ersten wußte man sich damit zu rühmen. Erst unter Fried¬
rich Wilhelm dem Vierten begann der alte legitimistische Wahn in ihrem
Hause zu spuken, und auch das geschah erst kurze Zeit bevor der unglück¬
liche Fürst die Herrschaft über sich selbst verlor. Denn die Hohenzollern
sind die Nachkommen der Königin Sophie Charlotte, welche vor 161 Jahren
in dem Moment, als der Gemahl ihr die Königskrone aufsetzte, in die Tasche
griff und zum Schrecken des Hofes eine Prise Tabak nahm. Die Prise zwar
war unschicklich, aber der große und freie Sinn, der anstatt sich, schwärme¬
risch zu versenken, mit nüchterner Kraft das reale Leben erfaßt, ist ein ste¬
hender Zug in ihrem Fürstenhause geblieben. Die Krone ist den Hohenzollern
durch 140 Jahre ein Stück hübsche Goldschmiedsarbeit, weiter nichts, gewesen;
dieser Auffassung hat Gott sichtbarlich seine Gnade ertheilt, denn sie sind in
dieser Zeit große Könige geworden. Sie haben durch 140 Jahre zu ihrem und
des Volkes Heil die verständige Ueberzeugung gehegt, daß Gott den Königen
keine besondere und höhere Gnade ertheile, als jedem andern Sterblichen. Sie
haben, seit die Seelen der Deutschen aufgeklärt und ihre Herzen durch reinere
Auffassung der Pflicht gehoben wurden, sehr gut das begriffen, worauf unsere ge-
sammte Sittlichkeit und Tugend ruht, daß nämlich Gott überhaupt nicht durch
einzelne Acte der Heiligung und Erleuchtung das Leben des Menschen weihe und
aus irgend einer Bedingung irdischer Verantwortlichkeit heraushebe, sondern daß
Gott jedem Augenblick des Lebens, und dem Bettler ebenso wie dem König gleiche
Gnade ertheile, und daß wir Alle, der Bettler wie der König, in jedem An-
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