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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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ßer Theile aus Griechen bestehenden Heere Alexanders des Großen entgegen!
Mit 12000 Mann zog der berühmte Condottiere Jphikrates im Dienste Arta-
xerxes des Zweiten gegen- den ägyptischen Rebellen Nektanebus den Ersten zu
Felde. Der 80jährige ruhmbedeckte Agesilaos half umgekehrt mit 10000 grie-
chischen Miethlingen dem folgenden ägyptischen Könige gegen Persien. Plutarch
sagt darüber: "Es schien dem greisen Feldherrn, der für den ersten in
Griechenland galt, nicht wohl anzustehen, daß er sich einem Barbaren, einem
Rebellen verkaufte." Auch die macedonischen Diadochen bildeten ihre stehen¬
den Heere aus Söldnern, und bis auf die Zeiten des ätolischen und achajischen
Bundes finden wir ihre Benutzung. Sie haben mehr, als man gewöhnlich
glaubt, dazu beigetragen, den Untergang der griechischen Freiheit und Selbst,
Ständigkeit zu beschleunigen, indem sie die finanziellen Kräfte aller Staaten er¬
schöpften und die Sorglosigkeit und Unthätigkeit der Bürgerschaften vermehr¬
ten, bis dieselben endlich im Zustande der Verweichlichung und Unmännlichkeit
nicht mehr im Stande waren, sich zu wehren.

Aber auf der andern Seite muß man zugestehen, daß die eigentliche Kriegs¬
kunst die Taktik und Strategie durch das Söldnerwesen entschiedene Fortschritte
machte. Aus Leuten, die den Krieg als Handwerk betrachteten, liehen sich natürlich
viel länglichere Werkzeuge für die Zwecke des Kriegs heranziehen. ,Das meiste Der-
dienst in Benutzung dieses Vortheils erwarben sich die beiden Athener Jphikrates
und Chabrias. Jener schuf die schwere Bürgermiliz in eine leichtere Truppen¬
gattung um. welcher er anstatt des großen Ovalschildes die kleine halbmondförmige
Pella der Thraker, anstatt des metallenen Kürasses oder des Lederkollers den
linnenen mit Erz plattirten Panzer, außerdem aber längere Spieße und Schwer¬
ter zuertheilte und so eine größere Beweglichkeit und Schnelligkeit ermöglichte.
Chabrias erfand dagegen eine unserer Quarreeformirung ähnliche Aufstellung, um
den Angriff eines überlegenen Feindes abzuhalten. Von der Bildung eines
aus Lanzknechten bestehenden Heeres, seiner Einrichtung und der Schwierigkeit,
es zu regieren und in Gehorsam zu erhalten, gibt die Anabasis Tenophons
die beste Vorstellung, wenn man die Kriegslisten Polyäns zur Ergänzung
herbeizieht. Der jüngere Cyrus gab erprobten Offizieren, wie dem spartanischen
Flüchtling Klearch und dem Böotier Proxenos. Auftrag und Geld, Werbungen
zu veranstalten. Diese erlangten dadurch zugleich den Anspruch auf die obersten
Bcfehlshaberstellen und sandten nun wieder ihre Unteroffiziere aus. die einzelne
Compagnien zu 100 Mann zusammen zu bringen hatten. Natürlich fand auch
da-mals schon ein besonderer Zudrang zu den Offizierstellen statt, und von
Jphikrates wird erzählt, daß er. um die Tüchtigsten ohne Fähndrichsexamen
herauszufinden, einen panischen Schrecken gleich Anfangs verbreiten ließ
und dann beobachtete, wer das Hasenpanier ergriff oder nicht. Bei der
Werbung schlichen sich manche Sklaven mit ein. wie Tenophon erwähnt; ja


ßer Theile aus Griechen bestehenden Heere Alexanders des Großen entgegen!
Mit 12000 Mann zog der berühmte Condottiere Jphikrates im Dienste Arta-
xerxes des Zweiten gegen- den ägyptischen Rebellen Nektanebus den Ersten zu
Felde. Der 80jährige ruhmbedeckte Agesilaos half umgekehrt mit 10000 grie-
chischen Miethlingen dem folgenden ägyptischen Könige gegen Persien. Plutarch
sagt darüber: „Es schien dem greisen Feldherrn, der für den ersten in
Griechenland galt, nicht wohl anzustehen, daß er sich einem Barbaren, einem
Rebellen verkaufte." Auch die macedonischen Diadochen bildeten ihre stehen¬
den Heere aus Söldnern, und bis auf die Zeiten des ätolischen und achajischen
Bundes finden wir ihre Benutzung. Sie haben mehr, als man gewöhnlich
glaubt, dazu beigetragen, den Untergang der griechischen Freiheit und Selbst,
Ständigkeit zu beschleunigen, indem sie die finanziellen Kräfte aller Staaten er¬
schöpften und die Sorglosigkeit und Unthätigkeit der Bürgerschaften vermehr¬
ten, bis dieselben endlich im Zustande der Verweichlichung und Unmännlichkeit
nicht mehr im Stande waren, sich zu wehren.

Aber auf der andern Seite muß man zugestehen, daß die eigentliche Kriegs¬
kunst die Taktik und Strategie durch das Söldnerwesen entschiedene Fortschritte
machte. Aus Leuten, die den Krieg als Handwerk betrachteten, liehen sich natürlich
viel länglichere Werkzeuge für die Zwecke des Kriegs heranziehen. ,Das meiste Der-
dienst in Benutzung dieses Vortheils erwarben sich die beiden Athener Jphikrates
und Chabrias. Jener schuf die schwere Bürgermiliz in eine leichtere Truppen¬
gattung um. welcher er anstatt des großen Ovalschildes die kleine halbmondförmige
Pella der Thraker, anstatt des metallenen Kürasses oder des Lederkollers den
linnenen mit Erz plattirten Panzer, außerdem aber längere Spieße und Schwer¬
ter zuertheilte und so eine größere Beweglichkeit und Schnelligkeit ermöglichte.
Chabrias erfand dagegen eine unserer Quarreeformirung ähnliche Aufstellung, um
den Angriff eines überlegenen Feindes abzuhalten. Von der Bildung eines
aus Lanzknechten bestehenden Heeres, seiner Einrichtung und der Schwierigkeit,
es zu regieren und in Gehorsam zu erhalten, gibt die Anabasis Tenophons
die beste Vorstellung, wenn man die Kriegslisten Polyäns zur Ergänzung
herbeizieht. Der jüngere Cyrus gab erprobten Offizieren, wie dem spartanischen
Flüchtling Klearch und dem Böotier Proxenos. Auftrag und Geld, Werbungen
zu veranstalten. Diese erlangten dadurch zugleich den Anspruch auf die obersten
Bcfehlshaberstellen und sandten nun wieder ihre Unteroffiziere aus. die einzelne
Compagnien zu 100 Mann zusammen zu bringen hatten. Natürlich fand auch
da-mals schon ein besonderer Zudrang zu den Offizierstellen statt, und von
Jphikrates wird erzählt, daß er. um die Tüchtigsten ohne Fähndrichsexamen
herauszufinden, einen panischen Schrecken gleich Anfangs verbreiten ließ
und dann beobachtete, wer das Hasenpanier ergriff oder nicht. Bei der
Werbung schlichen sich manche Sklaven mit ein. wie Tenophon erwähnt; ja


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/109>, abgerufen am 23.07.2024.