Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

der Moren bedeutend, theils sind ihnen stets so viel Periöken oder Unterthanen
beigemischt, die ebenfalls als Schwerbewaffnete Jnfanteristen dienten, daß sich
bestimmte Zahlen gar nicht ermitteln lassen. Zum Vorpostendienst im Lager,
als Avant- und Arrieregarde auf dem Marsche wurden die Stinten gebraucht,
ein aus den Bewohnern des Distrikts Skiros formirtes leichtes Fußvolk. Un¬
ausgesetzte Uebungen im Maischiren, in Wendungen und Evolutionen aller
Art, die selbst im Lager zweimal des Tages stattfinden mußten. erzeugten
jene vielbewunderte tattische Virtuosität, vermöge welcher ein spartanisches
Heer blitzschnell sich aufstellte und bewegte. Hiezu kam aber auch noch der
bereits erwähnte unbedingteste Gehorsam gegen die Befehle der Oberen.
"Wenn der König das Heer anführt." schreibt Thukydides, "so ist er es.
der über das Ganze befiehlt; und er ertheilt den Polemarchen seine Austräge,
diese den Lochagen, diese den Pentekontateren, diese den Enomotarchen und
diese endlich ihren Soldaten. Alle Befehle, die sie dem Heere ertheilen wollen,
werden auf diese Art und mit Schnelligkeit verbreitet. Denn beinahe das
ganze laccdcimonische Heer besteht aus Anführern, und die Sorge der Ausfüh¬
rung dessen, was geschehen soll, sällt Vielen anheim." Eine Menge uns über¬
lieferter Anekdoten lehren, wie streng jeder Subordinationsfehler gerügt wurde
und wie den Feigen bis ans Ende des Lebens die Schande folgte. Viel
schlechter freilich als mit dem Fußvolke, selbst mit der athenischen Reiterei,
sah es mit der spartanischen aus. Die Peloponnester waren überhaupt schlechte
Reiter, und nach Xenophon dienten die Reichen, welche, wie in Athen, die Pferde
unterhielten, nicht einmal selbst damit, sondern, wenn das Aufgebot erging,
kamen andere und gewöhnlich die schwächlichsten und untüchtigsten Leute,
nahmen Pferde und Waffen in Empfang und zogen ohne Vorbereitung und
Uebung zu Felde. Die Schlacht bei Leuktra ging blos durch die erbärmliche
Haltung der vor der Front der Spartaner ausgestellten Reiterei verloren. Sie
war im peloponnesischen Kriege 600 Mann stark.

Die Nationalhecre der Hellenen behaupteten nur so lange ihren Ruhm, als
die aufopfernde Liebe zum Varerlande alle Bürger beseelte, als das öffentliche
Leben und der sittliche Charakter der Nation auf seinem Höhepunkte beharrte.
Als aber während des peloponnesischen Kriegs, besonders in Athen, mit der
wachsenden Entfesselung und Schrankenlosigkeit aller Leidenschaften und An¬
maßungen Genußsucht und Egoismus alle Stände ergriff und der Gemein¬
sinn und Patriotismus schwand, da verschmähten es die griechischen Bürger¬
schaften auch die Waffen ferner zu führen, die Palästren und Gymnasien wurden
spärlich besucht, und die Sitte, durch fremde Miethlinge die Kriege ausfechten
zu lassen, nahm überHand. Die frühesten Spuren solcher Söldnerdienste, wenn
man zuerst auf die Nationalität der Dienenden sieht, finden sich außerhalb
Griechenlands bei dem halbgriechischen Volke der Karier in Kleinasien. Durch


Ärenzboten I. 1362. 13

der Moren bedeutend, theils sind ihnen stets so viel Periöken oder Unterthanen
beigemischt, die ebenfalls als Schwerbewaffnete Jnfanteristen dienten, daß sich
bestimmte Zahlen gar nicht ermitteln lassen. Zum Vorpostendienst im Lager,
als Avant- und Arrieregarde auf dem Marsche wurden die Stinten gebraucht,
ein aus den Bewohnern des Distrikts Skiros formirtes leichtes Fußvolk. Un¬
ausgesetzte Uebungen im Maischiren, in Wendungen und Evolutionen aller
Art, die selbst im Lager zweimal des Tages stattfinden mußten. erzeugten
jene vielbewunderte tattische Virtuosität, vermöge welcher ein spartanisches
Heer blitzschnell sich aufstellte und bewegte. Hiezu kam aber auch noch der
bereits erwähnte unbedingteste Gehorsam gegen die Befehle der Oberen.
„Wenn der König das Heer anführt." schreibt Thukydides, „so ist er es.
der über das Ganze befiehlt; und er ertheilt den Polemarchen seine Austräge,
diese den Lochagen, diese den Pentekontateren, diese den Enomotarchen und
diese endlich ihren Soldaten. Alle Befehle, die sie dem Heere ertheilen wollen,
werden auf diese Art und mit Schnelligkeit verbreitet. Denn beinahe das
ganze laccdcimonische Heer besteht aus Anführern, und die Sorge der Ausfüh¬
rung dessen, was geschehen soll, sällt Vielen anheim." Eine Menge uns über¬
lieferter Anekdoten lehren, wie streng jeder Subordinationsfehler gerügt wurde
und wie den Feigen bis ans Ende des Lebens die Schande folgte. Viel
schlechter freilich als mit dem Fußvolke, selbst mit der athenischen Reiterei,
sah es mit der spartanischen aus. Die Peloponnester waren überhaupt schlechte
Reiter, und nach Xenophon dienten die Reichen, welche, wie in Athen, die Pferde
unterhielten, nicht einmal selbst damit, sondern, wenn das Aufgebot erging,
kamen andere und gewöhnlich die schwächlichsten und untüchtigsten Leute,
nahmen Pferde und Waffen in Empfang und zogen ohne Vorbereitung und
Uebung zu Felde. Die Schlacht bei Leuktra ging blos durch die erbärmliche
Haltung der vor der Front der Spartaner ausgestellten Reiterei verloren. Sie
war im peloponnesischen Kriege 600 Mann stark.

Die Nationalhecre der Hellenen behaupteten nur so lange ihren Ruhm, als
die aufopfernde Liebe zum Varerlande alle Bürger beseelte, als das öffentliche
Leben und der sittliche Charakter der Nation auf seinem Höhepunkte beharrte.
Als aber während des peloponnesischen Kriegs, besonders in Athen, mit der
wachsenden Entfesselung und Schrankenlosigkeit aller Leidenschaften und An¬
maßungen Genußsucht und Egoismus alle Stände ergriff und der Gemein¬
sinn und Patriotismus schwand, da verschmähten es die griechischen Bürger¬
schaften auch die Waffen ferner zu führen, die Palästren und Gymnasien wurden
spärlich besucht, und die Sitte, durch fremde Miethlinge die Kriege ausfechten
zu lassen, nahm überHand. Die frühesten Spuren solcher Söldnerdienste, wenn
man zuerst auf die Nationalität der Dienenden sieht, finden sich außerhalb
Griechenlands bei dem halbgriechischen Volke der Karier in Kleinasien. Durch


Ärenzboten I. 1362. 13
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0105" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/113347"/>
          <p xml:id="ID_301" prev="#ID_300"> der Moren bedeutend, theils sind ihnen stets so viel Periöken oder Unterthanen<lb/>
beigemischt, die ebenfalls als Schwerbewaffnete Jnfanteristen dienten, daß sich<lb/>
bestimmte Zahlen gar nicht ermitteln lassen. Zum Vorpostendienst im Lager,<lb/>
als Avant- und Arrieregarde auf dem Marsche wurden die Stinten gebraucht,<lb/>
ein aus den Bewohnern des Distrikts Skiros formirtes leichtes Fußvolk. Un¬<lb/>
ausgesetzte Uebungen im Maischiren, in Wendungen und Evolutionen aller<lb/>
Art, die selbst im Lager zweimal des Tages stattfinden mußten. erzeugten<lb/>
jene vielbewunderte tattische Virtuosität, vermöge welcher ein spartanisches<lb/>
Heer blitzschnell sich aufstellte und bewegte. Hiezu kam aber auch noch der<lb/>
bereits erwähnte unbedingteste Gehorsam gegen die Befehle der Oberen.<lb/>
&#x201E;Wenn der König das Heer anführt." schreibt Thukydides, &#x201E;so ist er es.<lb/>
der über das Ganze befiehlt; und er ertheilt den Polemarchen seine Austräge,<lb/>
diese den Lochagen, diese den Pentekontateren, diese den Enomotarchen und<lb/>
diese endlich ihren Soldaten. Alle Befehle, die sie dem Heere ertheilen wollen,<lb/>
werden auf diese Art und mit Schnelligkeit verbreitet. Denn beinahe das<lb/>
ganze laccdcimonische Heer besteht aus Anführern, und die Sorge der Ausfüh¬<lb/>
rung dessen, was geschehen soll, sällt Vielen anheim." Eine Menge uns über¬<lb/>
lieferter Anekdoten lehren, wie streng jeder Subordinationsfehler gerügt wurde<lb/>
und wie den Feigen bis ans Ende des Lebens die Schande folgte. Viel<lb/>
schlechter freilich als mit dem Fußvolke, selbst mit der athenischen Reiterei,<lb/>
sah es mit der spartanischen aus. Die Peloponnester waren überhaupt schlechte<lb/>
Reiter, und nach Xenophon dienten die Reichen, welche, wie in Athen, die Pferde<lb/>
unterhielten, nicht einmal selbst damit, sondern, wenn das Aufgebot erging,<lb/>
kamen andere und gewöhnlich die schwächlichsten und untüchtigsten Leute,<lb/>
nahmen Pferde und Waffen in Empfang und zogen ohne Vorbereitung und<lb/>
Uebung zu Felde. Die Schlacht bei Leuktra ging blos durch die erbärmliche<lb/>
Haltung der vor der Front der Spartaner ausgestellten Reiterei verloren. Sie<lb/>
war im peloponnesischen Kriege 600 Mann stark.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_302" next="#ID_303"> Die Nationalhecre der Hellenen behaupteten nur so lange ihren Ruhm, als<lb/>
die aufopfernde Liebe zum Varerlande alle Bürger beseelte, als das öffentliche<lb/>
Leben und der sittliche Charakter der Nation auf seinem Höhepunkte beharrte.<lb/>
Als aber während des peloponnesischen Kriegs, besonders in Athen, mit der<lb/>
wachsenden Entfesselung und Schrankenlosigkeit aller Leidenschaften und An¬<lb/>
maßungen Genußsucht und Egoismus alle Stände ergriff und der Gemein¬<lb/>
sinn und Patriotismus schwand, da verschmähten es die griechischen Bürger¬<lb/>
schaften auch die Waffen ferner zu führen, die Palästren und Gymnasien wurden<lb/>
spärlich besucht, und die Sitte, durch fremde Miethlinge die Kriege ausfechten<lb/>
zu lassen, nahm überHand. Die frühesten Spuren solcher Söldnerdienste, wenn<lb/>
man zuerst auf die Nationalität der Dienenden sieht, finden sich außerhalb<lb/>
Griechenlands bei dem halbgriechischen Volke der Karier in Kleinasien. Durch</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Ärenzboten I. 1362. 13</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0105] der Moren bedeutend, theils sind ihnen stets so viel Periöken oder Unterthanen beigemischt, die ebenfalls als Schwerbewaffnete Jnfanteristen dienten, daß sich bestimmte Zahlen gar nicht ermitteln lassen. Zum Vorpostendienst im Lager, als Avant- und Arrieregarde auf dem Marsche wurden die Stinten gebraucht, ein aus den Bewohnern des Distrikts Skiros formirtes leichtes Fußvolk. Un¬ ausgesetzte Uebungen im Maischiren, in Wendungen und Evolutionen aller Art, die selbst im Lager zweimal des Tages stattfinden mußten. erzeugten jene vielbewunderte tattische Virtuosität, vermöge welcher ein spartanisches Heer blitzschnell sich aufstellte und bewegte. Hiezu kam aber auch noch der bereits erwähnte unbedingteste Gehorsam gegen die Befehle der Oberen. „Wenn der König das Heer anführt." schreibt Thukydides, „so ist er es. der über das Ganze befiehlt; und er ertheilt den Polemarchen seine Austräge, diese den Lochagen, diese den Pentekontateren, diese den Enomotarchen und diese endlich ihren Soldaten. Alle Befehle, die sie dem Heere ertheilen wollen, werden auf diese Art und mit Schnelligkeit verbreitet. Denn beinahe das ganze laccdcimonische Heer besteht aus Anführern, und die Sorge der Ausfüh¬ rung dessen, was geschehen soll, sällt Vielen anheim." Eine Menge uns über¬ lieferter Anekdoten lehren, wie streng jeder Subordinationsfehler gerügt wurde und wie den Feigen bis ans Ende des Lebens die Schande folgte. Viel schlechter freilich als mit dem Fußvolke, selbst mit der athenischen Reiterei, sah es mit der spartanischen aus. Die Peloponnester waren überhaupt schlechte Reiter, und nach Xenophon dienten die Reichen, welche, wie in Athen, die Pferde unterhielten, nicht einmal selbst damit, sondern, wenn das Aufgebot erging, kamen andere und gewöhnlich die schwächlichsten und untüchtigsten Leute, nahmen Pferde und Waffen in Empfang und zogen ohne Vorbereitung und Uebung zu Felde. Die Schlacht bei Leuktra ging blos durch die erbärmliche Haltung der vor der Front der Spartaner ausgestellten Reiterei verloren. Sie war im peloponnesischen Kriege 600 Mann stark. Die Nationalhecre der Hellenen behaupteten nur so lange ihren Ruhm, als die aufopfernde Liebe zum Varerlande alle Bürger beseelte, als das öffentliche Leben und der sittliche Charakter der Nation auf seinem Höhepunkte beharrte. Als aber während des peloponnesischen Kriegs, besonders in Athen, mit der wachsenden Entfesselung und Schrankenlosigkeit aller Leidenschaften und An¬ maßungen Genußsucht und Egoismus alle Stände ergriff und der Gemein¬ sinn und Patriotismus schwand, da verschmähten es die griechischen Bürger¬ schaften auch die Waffen ferner zu führen, die Palästren und Gymnasien wurden spärlich besucht, und die Sitte, durch fremde Miethlinge die Kriege ausfechten zu lassen, nahm überHand. Die frühesten Spuren solcher Söldnerdienste, wenn man zuerst auf die Nationalität der Dienenden sieht, finden sich außerhalb Griechenlands bei dem halbgriechischen Volke der Karier in Kleinasien. Durch Ärenzboten I. 1362. 13

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/105
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/105>, abgerufen am 23.07.2024.