Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Kriegszucht gefügt hätte. "Die größte Schwierigkeit liegt darin," schreibt
General Niklas von Syrakus aus seinen Landsleuten, "daß ich als Feldherr
solchen Unordnungen nicht steuern kann . weil eure Gemüther so schwer zu
lenken sind." Auch Xenophon legt einem Redner, der im thebanischen Kriege
zum Bündniß mit Sparta räth, die Worte in den Mund: "In Hinsicht auf
etwas sehr Wichtiges, auf den Gehorsam gegen die Befehlenden, sind jene
am stärksten zu Lande, ihr zur See." Besonders strafbare Bergehen, wie Feig¬
heit, Verlassen des angewiesenen Postens, Wegwerfen der Waffe", wurden von
besonderen Gerichten bestraft, wenn der Oberfeldherr nicht bereits Strafe ver¬
hängt hatte. Dagegen, belohnte man die Tapfern durch öffentliche Bekrän¬
zung, Errichtung von Standbildern und Austheilung von eroberten Land¬
strecken, und ehrte die Gefallenen durch feierliche Bestattung, wobei die besten
Redner die Lobrede hielten.

Das spartanische Heerwesen übertraf das der übrigen Staaten durch
eine sorgfältigere Gliederung, ausgezeichnete Einschulung und seltene Präcision
in allen. Zweigen des Kriegsdienstes. Jeder spartanische Vollbürger war Sol¬
dat bis zum sechzigsten Jahre und weiter nichts als Soldat. Die friedlichen
Gewerbe, welche für die Krieger anderer Staaten doch die Hauptsache waren,
kannten sie nicht und überließen sie ihren Schutzgenossen und Heloten. Nach
Plutarch ließ einst der König Agesilaos, als die Bundesgenossen sich über die
Last der Heerfolge beschwert hatten, dieselben zusammen an einem Orte den
Spartanern gegenüber sich niedersetzen und befahl sodann durch den Herold
allen Töpfern und Schneidern und Zimmerleuten und Maurern und endlich
allen übrigen Handwerkern aufzustehn. So standen zuletzt fast alle Bundes¬
genossen da, während kein Spartaner sich vom Platze gerührt hatte, und Age-
silaos sagte lachend: "Seht ihr nun ein, wie viel Soldaten wir mehr ins Feld
schicken als ihr?" Xenophon nennt die Lacedämonier Künstler im Kriegshand¬
werk, während die übrigen Hellenen sich demselben nur aus dem Stegreife
oder als Dilettanten hinzugeben pflegten. Und deshalb urtheilt schon Platon
über die spartanische Verfassung sehr richtig: sie bilde zwar zu militärischer
Tüchtigkeit aus. aber nicht zur wahren sittlichen und geistigen Trefflichkeit, in
welcher jene Tüchtigkeit auch, und zwar noch in höherem Grade, aber doch
nur als ein einzelner Bestandtheil enthalten sei. In der Eintheilung des
Heers waren in Sparta ähnliche Beziehungen zu den politisch-localen Abthei¬
lungen des Volks vorherrschend, wie i" Athen. Die Grundlage derselben
bildeten die von Lykurg gestifteten Verbrüderungen und Kameradschaften.
Vier Enomoticen, Rotten von 25--36 Mann bildeten einen Lochos, und aus
4 solchen Compagnien bestand eine Division oder Mora, die ein Polemarch.
Kriegsoberster, befehligte und deren das Land sechs besaß. Es gibt dies
blos eine Gesammtzahl von 2400 Soldaten. Jedoch wechselt theils die Stärke


Kriegszucht gefügt hätte. „Die größte Schwierigkeit liegt darin," schreibt
General Niklas von Syrakus aus seinen Landsleuten, „daß ich als Feldherr
solchen Unordnungen nicht steuern kann . weil eure Gemüther so schwer zu
lenken sind." Auch Xenophon legt einem Redner, der im thebanischen Kriege
zum Bündniß mit Sparta räth, die Worte in den Mund: „In Hinsicht auf
etwas sehr Wichtiges, auf den Gehorsam gegen die Befehlenden, sind jene
am stärksten zu Lande, ihr zur See." Besonders strafbare Bergehen, wie Feig¬
heit, Verlassen des angewiesenen Postens, Wegwerfen der Waffe», wurden von
besonderen Gerichten bestraft, wenn der Oberfeldherr nicht bereits Strafe ver¬
hängt hatte. Dagegen, belohnte man die Tapfern durch öffentliche Bekrän¬
zung, Errichtung von Standbildern und Austheilung von eroberten Land¬
strecken, und ehrte die Gefallenen durch feierliche Bestattung, wobei die besten
Redner die Lobrede hielten.

Das spartanische Heerwesen übertraf das der übrigen Staaten durch
eine sorgfältigere Gliederung, ausgezeichnete Einschulung und seltene Präcision
in allen. Zweigen des Kriegsdienstes. Jeder spartanische Vollbürger war Sol¬
dat bis zum sechzigsten Jahre und weiter nichts als Soldat. Die friedlichen
Gewerbe, welche für die Krieger anderer Staaten doch die Hauptsache waren,
kannten sie nicht und überließen sie ihren Schutzgenossen und Heloten. Nach
Plutarch ließ einst der König Agesilaos, als die Bundesgenossen sich über die
Last der Heerfolge beschwert hatten, dieselben zusammen an einem Orte den
Spartanern gegenüber sich niedersetzen und befahl sodann durch den Herold
allen Töpfern und Schneidern und Zimmerleuten und Maurern und endlich
allen übrigen Handwerkern aufzustehn. So standen zuletzt fast alle Bundes¬
genossen da, während kein Spartaner sich vom Platze gerührt hatte, und Age-
silaos sagte lachend: „Seht ihr nun ein, wie viel Soldaten wir mehr ins Feld
schicken als ihr?" Xenophon nennt die Lacedämonier Künstler im Kriegshand¬
werk, während die übrigen Hellenen sich demselben nur aus dem Stegreife
oder als Dilettanten hinzugeben pflegten. Und deshalb urtheilt schon Platon
über die spartanische Verfassung sehr richtig: sie bilde zwar zu militärischer
Tüchtigkeit aus. aber nicht zur wahren sittlichen und geistigen Trefflichkeit, in
welcher jene Tüchtigkeit auch, und zwar noch in höherem Grade, aber doch
nur als ein einzelner Bestandtheil enthalten sei. In der Eintheilung des
Heers waren in Sparta ähnliche Beziehungen zu den politisch-localen Abthei¬
lungen des Volks vorherrschend, wie i» Athen. Die Grundlage derselben
bildeten die von Lykurg gestifteten Verbrüderungen und Kameradschaften.
Vier Enomoticen, Rotten von 25—36 Mann bildeten einen Lochos, und aus
4 solchen Compagnien bestand eine Division oder Mora, die ein Polemarch.
Kriegsoberster, befehligte und deren das Land sechs besaß. Es gibt dies
blos eine Gesammtzahl von 2400 Soldaten. Jedoch wechselt theils die Stärke


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0104" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/113346"/>
          <p xml:id="ID_299" prev="#ID_298"> Kriegszucht gefügt hätte. &#x201E;Die größte Schwierigkeit liegt darin," schreibt<lb/>
General Niklas von Syrakus aus seinen Landsleuten, &#x201E;daß ich als Feldherr<lb/>
solchen Unordnungen nicht steuern kann . weil eure Gemüther so schwer zu<lb/>
lenken sind." Auch Xenophon legt einem Redner, der im thebanischen Kriege<lb/>
zum Bündniß mit Sparta räth, die Worte in den Mund: &#x201E;In Hinsicht auf<lb/>
etwas sehr Wichtiges, auf den Gehorsam gegen die Befehlenden, sind jene<lb/>
am stärksten zu Lande, ihr zur See." Besonders strafbare Bergehen, wie Feig¬<lb/>
heit, Verlassen des angewiesenen Postens, Wegwerfen der Waffe», wurden von<lb/>
besonderen Gerichten bestraft, wenn der Oberfeldherr nicht bereits Strafe ver¬<lb/>
hängt hatte. Dagegen, belohnte man die Tapfern durch öffentliche Bekrän¬<lb/>
zung, Errichtung von Standbildern und Austheilung von eroberten Land¬<lb/>
strecken, und ehrte die Gefallenen durch feierliche Bestattung, wobei die besten<lb/>
Redner die Lobrede hielten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_300" next="#ID_301"> Das spartanische Heerwesen übertraf das der übrigen Staaten durch<lb/>
eine sorgfältigere Gliederung, ausgezeichnete Einschulung und seltene Präcision<lb/>
in allen. Zweigen des Kriegsdienstes. Jeder spartanische Vollbürger war Sol¬<lb/>
dat bis zum sechzigsten Jahre und weiter nichts als Soldat. Die friedlichen<lb/>
Gewerbe, welche für die Krieger anderer Staaten doch die Hauptsache waren,<lb/>
kannten sie nicht und überließen sie ihren Schutzgenossen und Heloten. Nach<lb/>
Plutarch ließ einst der König Agesilaos, als die Bundesgenossen sich über die<lb/>
Last der Heerfolge beschwert hatten, dieselben zusammen an einem Orte den<lb/>
Spartanern gegenüber sich niedersetzen und befahl sodann durch den Herold<lb/>
allen Töpfern und Schneidern und Zimmerleuten und Maurern und endlich<lb/>
allen übrigen Handwerkern aufzustehn. So standen zuletzt fast alle Bundes¬<lb/>
genossen da, während kein Spartaner sich vom Platze gerührt hatte, und Age-<lb/>
silaos sagte lachend: &#x201E;Seht ihr nun ein, wie viel Soldaten wir mehr ins Feld<lb/>
schicken als ihr?" Xenophon nennt die Lacedämonier Künstler im Kriegshand¬<lb/>
werk, während die übrigen Hellenen sich demselben nur aus dem Stegreife<lb/>
oder als Dilettanten hinzugeben pflegten. Und deshalb urtheilt schon Platon<lb/>
über die spartanische Verfassung sehr richtig: sie bilde zwar zu militärischer<lb/>
Tüchtigkeit aus. aber nicht zur wahren sittlichen und geistigen Trefflichkeit, in<lb/>
welcher jene Tüchtigkeit auch, und zwar noch in höherem Grade, aber doch<lb/>
nur als ein einzelner Bestandtheil enthalten sei. In der Eintheilung des<lb/>
Heers waren in Sparta ähnliche Beziehungen zu den politisch-localen Abthei¬<lb/>
lungen des Volks vorherrschend, wie i» Athen. Die Grundlage derselben<lb/>
bildeten die von Lykurg gestifteten Verbrüderungen und Kameradschaften.<lb/>
Vier Enomoticen, Rotten von 25&#x2014;36 Mann bildeten einen Lochos, und aus<lb/>
4 solchen Compagnien bestand eine Division oder Mora, die ein Polemarch.<lb/>
Kriegsoberster, befehligte und deren das Land sechs besaß. Es gibt dies<lb/>
blos eine Gesammtzahl von 2400 Soldaten. Jedoch wechselt theils die Stärke</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0104] Kriegszucht gefügt hätte. „Die größte Schwierigkeit liegt darin," schreibt General Niklas von Syrakus aus seinen Landsleuten, „daß ich als Feldherr solchen Unordnungen nicht steuern kann . weil eure Gemüther so schwer zu lenken sind." Auch Xenophon legt einem Redner, der im thebanischen Kriege zum Bündniß mit Sparta räth, die Worte in den Mund: „In Hinsicht auf etwas sehr Wichtiges, auf den Gehorsam gegen die Befehlenden, sind jene am stärksten zu Lande, ihr zur See." Besonders strafbare Bergehen, wie Feig¬ heit, Verlassen des angewiesenen Postens, Wegwerfen der Waffe», wurden von besonderen Gerichten bestraft, wenn der Oberfeldherr nicht bereits Strafe ver¬ hängt hatte. Dagegen, belohnte man die Tapfern durch öffentliche Bekrän¬ zung, Errichtung von Standbildern und Austheilung von eroberten Land¬ strecken, und ehrte die Gefallenen durch feierliche Bestattung, wobei die besten Redner die Lobrede hielten. Das spartanische Heerwesen übertraf das der übrigen Staaten durch eine sorgfältigere Gliederung, ausgezeichnete Einschulung und seltene Präcision in allen. Zweigen des Kriegsdienstes. Jeder spartanische Vollbürger war Sol¬ dat bis zum sechzigsten Jahre und weiter nichts als Soldat. Die friedlichen Gewerbe, welche für die Krieger anderer Staaten doch die Hauptsache waren, kannten sie nicht und überließen sie ihren Schutzgenossen und Heloten. Nach Plutarch ließ einst der König Agesilaos, als die Bundesgenossen sich über die Last der Heerfolge beschwert hatten, dieselben zusammen an einem Orte den Spartanern gegenüber sich niedersetzen und befahl sodann durch den Herold allen Töpfern und Schneidern und Zimmerleuten und Maurern und endlich allen übrigen Handwerkern aufzustehn. So standen zuletzt fast alle Bundes¬ genossen da, während kein Spartaner sich vom Platze gerührt hatte, und Age- silaos sagte lachend: „Seht ihr nun ein, wie viel Soldaten wir mehr ins Feld schicken als ihr?" Xenophon nennt die Lacedämonier Künstler im Kriegshand¬ werk, während die übrigen Hellenen sich demselben nur aus dem Stegreife oder als Dilettanten hinzugeben pflegten. Und deshalb urtheilt schon Platon über die spartanische Verfassung sehr richtig: sie bilde zwar zu militärischer Tüchtigkeit aus. aber nicht zur wahren sittlichen und geistigen Trefflichkeit, in welcher jene Tüchtigkeit auch, und zwar noch in höherem Grade, aber doch nur als ein einzelner Bestandtheil enthalten sei. In der Eintheilung des Heers waren in Sparta ähnliche Beziehungen zu den politisch-localen Abthei¬ lungen des Volks vorherrschend, wie i» Athen. Die Grundlage derselben bildeten die von Lykurg gestifteten Verbrüderungen und Kameradschaften. Vier Enomoticen, Rotten von 25—36 Mann bildeten einen Lochos, und aus 4 solchen Compagnien bestand eine Division oder Mora, die ein Polemarch. Kriegsoberster, befehligte und deren das Land sechs besaß. Es gibt dies blos eine Gesammtzahl von 2400 Soldaten. Jedoch wechselt theils die Stärke

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/104
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/104>, abgerufen am 23.07.2024.