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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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Vermögensklasse bestehend, war diese Waffengattung zu allen Zeiten die ge¬
einteste; es hatte auch jeder Hoplit seinen Diener, der ihm Gepäck. Proviant
und Schild auf dem Marsche nachzutragen hatte, und Thukydides erwähnt
deshalb besonders, daß nach der unglücklichen Belagerung von Syrakus die
Schwerbewaffneten und Reiter aus Mißtrauen oder Mangel an Knechten
ihre Rüstung und Lebensmittel selbst getragen hätten. Diesem schweren Trup¬
penkörper zur Seite kämpfte nun wohl auch leichteres Fußvolk und Reiterei;
aber die Anwendung des ersten fällt meist erst in die Zeit, wo die Söldner¬
heere aufkamen, und wo es früher vorkam, bestand es aus Fremden und
aus den minder geachteten untersten Vermögensklassen, und mit der griechischen
Eavallerie war es überhaupt, mit Ausnahme der thessalischen. übel bestellt.
Schon die Bodenbeschaffenheit des Landes begünstigte die Pferdezucht nicht,
und da auch der Unterhalt der Pferde ziemlich kostspielig war (zu Aristopha-
nes Zeit wurde ein edleres Exemplar auf 300 Thlr. geschätzt), so wurde der
Reiterdienst nur den reichen Bürgern aufgebürdet, die dann, zur Entschädigung,
auch in Friedenszeiten eine Art Ehrengarde bildeten und bei feierlichen Aus¬
zügen in vollem Glänze paradirten. Jeder Stamm stellte 100 Reiter und
das ganze Corps, welches fleißig im Manveuvriren geübt wurde und eine
jährliche Musterung vor dem Rathe der Fünfhundert Passiren mußte, zerfiel
in zwei Abtheilungen von je 500 Mann. Die mittlere Gesammtstärke der
schweren Infanterie in der Pcrikleischen Zeit betrug 13,000 Mann, hiezu kam
aber noch eine aus den jüngsten und aus den älteren Milizen bestehende
Landwehr von 16,000 Mann. -- Die Kosten der Ausrüstung wurden von
den Bürgern selbst getragen, und von Löhnung war zuerst keine Rede. Als
aber im peloponnesischen Kriege die Feldzüge sich häuften und von längerer
Dauer wurden, erachtete Penkles die Einführung des Solds für eine noth¬
wendige Maßregel, zu deren Ausführung auch die nach Athen verlegte Bun¬
deskasse die Mittel darbot. Auch sahen die Athener im Solde nicht, wie in
jedem anderen Lohne, eine Erniedrigung, sondern sie betrachteten denselben
als eine Art von natürlicher Entschädigung. Die Zahlung beschränkte sich
blos auf die Feldzüge und war nicht immer von gleicher Höhe. Gewöhn¬
lich bekam der Infanterist täglich zwei Obolen Sold und, da an Einquartie¬
rung noch nicht gedacht wurde, ebensoviel für die Verpflegung (ungefähr 5 Sgr.
im Ganzen), der Hauptmann das Doppelte, der General das Vierfache: eine
Steigerung, die unseren Offizieren nicht behagen dürfte, aber mit dem demo¬
kratischen Gleichheitsprincip im Einklang stand. Als die Athener im pelopon-
nesischen Kriege Potidäa belagerten, empfing wegen der Größe der Entfernung
der Schwerbewaffnete zwei Drachmen täglich (15 Sgr), eine für ihn und
eine zweite für den Diener. Die Kosten der Reiterei im Frieden schlägt Xe-
nophon jährlich auf 60,000 Thlr. an. was. wenn man die Verschiedenheit


Vermögensklasse bestehend, war diese Waffengattung zu allen Zeiten die ge¬
einteste; es hatte auch jeder Hoplit seinen Diener, der ihm Gepäck. Proviant
und Schild auf dem Marsche nachzutragen hatte, und Thukydides erwähnt
deshalb besonders, daß nach der unglücklichen Belagerung von Syrakus die
Schwerbewaffneten und Reiter aus Mißtrauen oder Mangel an Knechten
ihre Rüstung und Lebensmittel selbst getragen hätten. Diesem schweren Trup¬
penkörper zur Seite kämpfte nun wohl auch leichteres Fußvolk und Reiterei;
aber die Anwendung des ersten fällt meist erst in die Zeit, wo die Söldner¬
heere aufkamen, und wo es früher vorkam, bestand es aus Fremden und
aus den minder geachteten untersten Vermögensklassen, und mit der griechischen
Eavallerie war es überhaupt, mit Ausnahme der thessalischen. übel bestellt.
Schon die Bodenbeschaffenheit des Landes begünstigte die Pferdezucht nicht,
und da auch der Unterhalt der Pferde ziemlich kostspielig war (zu Aristopha-
nes Zeit wurde ein edleres Exemplar auf 300 Thlr. geschätzt), so wurde der
Reiterdienst nur den reichen Bürgern aufgebürdet, die dann, zur Entschädigung,
auch in Friedenszeiten eine Art Ehrengarde bildeten und bei feierlichen Aus¬
zügen in vollem Glänze paradirten. Jeder Stamm stellte 100 Reiter und
das ganze Corps, welches fleißig im Manveuvriren geübt wurde und eine
jährliche Musterung vor dem Rathe der Fünfhundert Passiren mußte, zerfiel
in zwei Abtheilungen von je 500 Mann. Die mittlere Gesammtstärke der
schweren Infanterie in der Pcrikleischen Zeit betrug 13,000 Mann, hiezu kam
aber noch eine aus den jüngsten und aus den älteren Milizen bestehende
Landwehr von 16,000 Mann. — Die Kosten der Ausrüstung wurden von
den Bürgern selbst getragen, und von Löhnung war zuerst keine Rede. Als
aber im peloponnesischen Kriege die Feldzüge sich häuften und von längerer
Dauer wurden, erachtete Penkles die Einführung des Solds für eine noth¬
wendige Maßregel, zu deren Ausführung auch die nach Athen verlegte Bun¬
deskasse die Mittel darbot. Auch sahen die Athener im Solde nicht, wie in
jedem anderen Lohne, eine Erniedrigung, sondern sie betrachteten denselben
als eine Art von natürlicher Entschädigung. Die Zahlung beschränkte sich
blos auf die Feldzüge und war nicht immer von gleicher Höhe. Gewöhn¬
lich bekam der Infanterist täglich zwei Obolen Sold und, da an Einquartie¬
rung noch nicht gedacht wurde, ebensoviel für die Verpflegung (ungefähr 5 Sgr.
im Ganzen), der Hauptmann das Doppelte, der General das Vierfache: eine
Steigerung, die unseren Offizieren nicht behagen dürfte, aber mit dem demo¬
kratischen Gleichheitsprincip im Einklang stand. Als die Athener im pelopon-
nesischen Kriege Potidäa belagerten, empfing wegen der Größe der Entfernung
der Schwerbewaffnete zwei Drachmen täglich (15 Sgr), eine für ihn und
eine zweite für den Diener. Die Kosten der Reiterei im Frieden schlägt Xe-
nophon jährlich auf 60,000 Thlr. an. was. wenn man die Verschiedenheit


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[0102] Vermögensklasse bestehend, war diese Waffengattung zu allen Zeiten die ge¬ einteste; es hatte auch jeder Hoplit seinen Diener, der ihm Gepäck. Proviant und Schild auf dem Marsche nachzutragen hatte, und Thukydides erwähnt deshalb besonders, daß nach der unglücklichen Belagerung von Syrakus die Schwerbewaffneten und Reiter aus Mißtrauen oder Mangel an Knechten ihre Rüstung und Lebensmittel selbst getragen hätten. Diesem schweren Trup¬ penkörper zur Seite kämpfte nun wohl auch leichteres Fußvolk und Reiterei; aber die Anwendung des ersten fällt meist erst in die Zeit, wo die Söldner¬ heere aufkamen, und wo es früher vorkam, bestand es aus Fremden und aus den minder geachteten untersten Vermögensklassen, und mit der griechischen Eavallerie war es überhaupt, mit Ausnahme der thessalischen. übel bestellt. Schon die Bodenbeschaffenheit des Landes begünstigte die Pferdezucht nicht, und da auch der Unterhalt der Pferde ziemlich kostspielig war (zu Aristopha- nes Zeit wurde ein edleres Exemplar auf 300 Thlr. geschätzt), so wurde der Reiterdienst nur den reichen Bürgern aufgebürdet, die dann, zur Entschädigung, auch in Friedenszeiten eine Art Ehrengarde bildeten und bei feierlichen Aus¬ zügen in vollem Glänze paradirten. Jeder Stamm stellte 100 Reiter und das ganze Corps, welches fleißig im Manveuvriren geübt wurde und eine jährliche Musterung vor dem Rathe der Fünfhundert Passiren mußte, zerfiel in zwei Abtheilungen von je 500 Mann. Die mittlere Gesammtstärke der schweren Infanterie in der Pcrikleischen Zeit betrug 13,000 Mann, hiezu kam aber noch eine aus den jüngsten und aus den älteren Milizen bestehende Landwehr von 16,000 Mann. — Die Kosten der Ausrüstung wurden von den Bürgern selbst getragen, und von Löhnung war zuerst keine Rede. Als aber im peloponnesischen Kriege die Feldzüge sich häuften und von längerer Dauer wurden, erachtete Penkles die Einführung des Solds für eine noth¬ wendige Maßregel, zu deren Ausführung auch die nach Athen verlegte Bun¬ deskasse die Mittel darbot. Auch sahen die Athener im Solde nicht, wie in jedem anderen Lohne, eine Erniedrigung, sondern sie betrachteten denselben als eine Art von natürlicher Entschädigung. Die Zahlung beschränkte sich blos auf die Feldzüge und war nicht immer von gleicher Höhe. Gewöhn¬ lich bekam der Infanterist täglich zwei Obolen Sold und, da an Einquartie¬ rung noch nicht gedacht wurde, ebensoviel für die Verpflegung (ungefähr 5 Sgr. im Ganzen), der Hauptmann das Doppelte, der General das Vierfache: eine Steigerung, die unseren Offizieren nicht behagen dürfte, aber mit dem demo¬ kratischen Gleichheitsprincip im Einklang stand. Als die Athener im pelopon- nesischen Kriege Potidäa belagerten, empfing wegen der Größe der Entfernung der Schwerbewaffnete zwei Drachmen täglich (15 Sgr), eine für ihn und eine zweite für den Diener. Die Kosten der Reiterei im Frieden schlägt Xe- nophon jährlich auf 60,000 Thlr. an. was. wenn man die Verschiedenheit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/102>, abgerufen am 23.07.2024.